78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

obskuradio Vol. 27: The Trip

Kim Fowley ist einer der Schattenmänner der Popgeschichte. Als Solokünstler kam der Amerikaner nie zu Ruhm, als Produzent, Songwriter, Manager und Musiker arbeitete er jedoch immer wieder mit namhaften Grössen zusammen: Fowley war auf Zappa’s „Freak Out“ dabei, jamte mit Cat Stevens und Soft Machine in London, prodzierte Gene Vincent, managte The Runaways und schrieb Songs für Alice Cooper und Kiss. Mit „The Trip“ hat Fowley 1965 den wohl ersten expliziten Song über LSD aufgenommen.

Kim Fowley – „The Trip“

Der diskrete Charme des Scheiterns

Es ist ja so eine Sache mit deutschsprachiger Popmusik. Statt wie englische Popmusik ein veführerisches Bild vom glamourösen Planet Pop zu malen, auf dem alle Wünsche in Erfüllung gehen, assoziiert man mit deutschen Songtexten Arbeitslosigkeit und Frittenbuden. Während bei Chansons die französische Sprache die Melodien beflügelt, ist die deutsche Sprache der Feind jeder Melodie. Es ist nicht leicht in der wahrscheinlich unmusikalischsten Sprache der Welt Songtexte zu schreiben, die weder holprig, noch platt, noch pathetisch sind. Dennoch machen deutsche Texte, wenn sie gut sind eben doch fast mehr Spass als Englische. So auch bei Lydia Daher.

Dass Lydia Daher texten kann, hat sie als (Slam-)Poetin schon mehrfach bewiesen. Nun versucht sie sich erstmals an Popsongs. „Dafür, dass ich es nicht kann, kann ich es eigentlich ganz gut.“, meint Daher zu ihrem ersten musikalischen Gehversuch, den sie bei sich zu Hause mit Gitarre und Garageband-Software aufgenommen hat. Entsprechend ungehobelt kommt ihr von Trikont (recrec) veröffentlichtes Debut daher, das mit seinem DIY-Charme nicht selten an die improvisierten Hits von Dahers Labelkollege Funny Van Dannen erinnert.

Lydia Daher will – so singt sie – „den Rock’n’Roll nicht neu erfinden, er ist doch gut so wie er ist.“ Obwohl ihre Songs nach einfachsten Mustern gestrickt sind, beweist Daher ein Gespür für Songs mit Hitqualitäten (man höre „Im Fadenkreuz des Fado“, „Augsburger Nächte“ und „Von Einer, die es hinter sich hat“) und umwerfende Stimmungsbilder („Tapferer Deutscher Grillsoldat“).

Die musikalischen Unzulänglichkeiten von einigen Songs macht Lydia Daher durch ihre Texte wett. Wie Frank Spilkers Dichtung lassen auch die Worte der Augsburgerin Raum für Assoziationen. Egal über was Lydia Daher singt, ob über das Gerümpel im eigenen Kopf, pubertierende Mädchen, U-Bahnpicknicks, die Erfolgsgesellschaft, die Liebe – es ist auf Konfrontation aus und es klingt gut. Dafür, dass sie es nicht kann, kann sie es eigentlich verdammt gut.

„Schöner als draussen“
[audio:http://www.trikont.de/basics/archiv/2049/lydia_daher_schoener_als_draussen.mp3]

MP3 to go (extralang)

Der heutige Aufsteller schlägt zwei Fliegen mit einem Streich: A Mountain Of One, denen man Vergleiche mit Pink Floyd und Fleetwood Mac nachwirft, erhalten von den Schwedischen Cosmic-Disco-Helden Studio das Royal Treatment. Ist mir „Brown Piano“ von A Mountain Of One etwas zu kitschig, find ich das Remake von Studio zwar auch kitschig, aber eben nicht 70er-kitschig, sondern 80er-kitschig – und das ist gut so. Interstellarer SloMo-Disco vom Feinsten. Beam me up, Scotty!

A Mountain Of One – „Brown Piano“ (Studio Remake)

[audio:http://www.to-here-knows-when.co.uk/mp3s/A_Mountain_Of_One-Brown_Piano_(Remake_By_Studio).mp3]

(via)

CSS-Bilderrätsel – signierte CD zu gewinnen

Cansei De Ser Sexy spielen diesen Samstag (offenbar aus eigenem Wunsch) als Support von Gwen Stefani im Hallenstadion. Unterschriften zu holen wird dort wohl schwierig, deshalb verlosen wir ein von Lovefoxxx & Co signiertes Exemplar des CSS-Debuts. Gewinnen tut, wer das untenstehende Songtitel-Bilderrätsel löst, was nicht allzu schwierig sein dürfte…

css.JPG

„Automatic For The People“-Tribute-Download (4 free)

Nach dem „OK-Computer“-Tribute geht Stereogum mit seinen MP3-Cover-Compilations in die zweite Runde. Auf dem „Automatic For The People“-Tribute sind u.a. The Shout Out Louds, Rogue Wave, Blitzen Trapper, Meat Puppets, Figurines und The Veils vertreten. Fast jeder Song dieser Platte wurde anno 1992 ja als Single ausgekoppelt. Drive, Man On The Moon, The Sidewinder Sleeps Tonight, Nightswimming… und natürlich Everybody Hurts. Ich kann mich erinnern damals mit dreizehn, als DRS3 noch einen Songübersetzungsdienst hatte, auf einem Familienausflug eine Übersetzung davon am Radio gehört zu haben (jede tuet weh, mängmal…).

Das Kontingent an lizenzierten Downloads war beim Radiohead-Tribute schnell erschöpft, also zugreifen.
Es hät solang’s hät.

E-Musik aus dem Norden

Zwei grosse Bands aus dem Norden sorgen mit innovativer Musik für frischen Herbstwind: Die Isländer von Mum und die Dänen von Efterklang melden sich mit Alben zurück, die so ambitioniert sind, dass man versucht ist, die verstaubte Unterscheidung von E- und U-Musik wieder geltend zu machen.

Mum’s „Go Go Smear The Poison Ivy“ (Fat Cat/Musikvertrieb) und Efterklang’s „Parades“ (Leaf/Namskeio) scheinen Brüder im Geiste: Sie versammeln Instrumente, die man eher dem Orchestergraben, als einem Proberaum zuordnen würde. Beide spielen zwischen den Ruinen der klassischen Musik elektronisch verfremdete Wiegenlieder und intonieren unter einem Himmel voller Geigen mit grosser Inbrunst Chöre, die an das Gute und Schöne glauben. Efterklang und Mum lullen den Hörer in eine Welt, in der die Popmusik kein verdorbenes Luder, sondern eine unbefleckte Schönheit mit neoklassizistischen Zügen ist.

Efterklang gehen inzwischen so orchestral wie kaum eine andere Band zu Werke. Rund 30 Gastmusiker tragen zur stillen Klanggewalt von „Parades“ bei. Die Dänen mäandern durch ein Klangschlaraffenland, in dem alles süss und doch immer wieder anders und vor allem anders, als alles andere schmeckt. Das hört sich an wie die Diplomkomposition eines grössenwahnsinnigen Konsi-Abgängers, klingt aber kaum je langfädig, weil es einfach zu viel zu entdecken gibt. Auch Lieblingssongs, die genug Substanz für einen langen Winter haben.

Posaunen, Flöte, Geigen und Glockenspiele gibt es auch bei Mum, wenn auch in weniger opulenter Form. Die Band aus Reykjavik klingt noch immer wie eine muszierende Spielgruppenklasse, bestehend aus lauter hochbegabten Kindern. Mit verspielt-schrägen Spieldosenklängen erschaffen Mum eine Märchenwelt, in der eine eigene Logik herrscht. Feuer sind dort aus Marmelade, Frösche explodieren und Augen sind Beeren.

Im Moment sieht es leider nicht so aus, als würden Efterklang und Mum die Schweiz besuchen. Schade, schade.

Efterklang – „Cutting Ice To Snow“ Mum – „Dancing Behind My Eyelids“
[audio:http://www.efterklang.net/music/Efterklang-Cutting_Ice_To_Snow.mp3][audio:http://www.listeningposts.de/wp-content/uploads/File/mum-dancingbehindmyeyelids.mp3]

obskuradio Vol.26: Caramelos

Nach vier Sendungen für Radio Casablanca kehrt Obskuradio zum 1-Song-Normalbetrieb zurück. (Die Verhandlungen über eine abendfüllende Platzierung im Programm von Radio Energy sind leider gescheitert.)

Auf wie immer verschlungenen Wegen hat eine LP von Los Amaya ihren Weg von Barcelona ins Obskuradio-Archiv gefunden. Die Brüder José und Delfin Amaya sorgten mit ihrem Rumba Catalana für Stimmung lange bevor die Gypsy Kings den Zigeuner in so manchem Mittelmehrurlauber weckten. Mit „Caramelos“ zeigen Los Amaya den Gypsy Kings wo der Barthel den Most herholt.

Los Amaya – „Caramelos“

Radio Casablanca: MP3 des Tages

Martina Topley-Bird lieh damals Trickys Debut ihre Stimme, bevor sie sich Ende der 90er als Solokünstlerin versuchte. Anfangs nächsten Jahres erscheint mit „The Blue God“ ihr drittes Soloalbum, das allein schon deshalb Wellen schlagen dürfte, weil es von Danger Mouse produziert wurde. Erwarten darf man ein süffiges Popalbum mit einer speziellen Note.

Martina Topley-Bird „Shangri-La“

[audio:http://obscuresound.com/mp3/mbird-sha.mp3]

Das lange Warten hat ein Ende

Cinematic Orchestra waren erst ein Mal live in der Deutschschweiz zu sehen, ausgerechnet an den Stanser Musiktagen, einem Ü40-Festival hinter den sieben Bergen, das immer mal wieder durch ein geschmackvolles Programm aus dem Jazz-/World-Bereich auffällt. Der 2. Oktober dürfte deshalb von manchem, der gerne in seinem Kopf zu Musik Filme dreht, fiebrig erwartet werden: Zusammen mit fünf Instrumentalisten und einer Vokalistin betritt Chef-Cineast Jason Swinscoe zum ersten Mal eine Schweizer Grossstadtbühne. Grosse Erwartungen ins Moods mitbringen und hoffen, das lange Warten habe sich gelohnt.

„Breathe“ (Von „Ma Fleur“)
[audio:http://www.foeweel.com/compilations/Breathe.mp3]

Stille Wasser gründen tief

Hatte ich hier noch behauptet von Iron And Wine seien keine Überraschungen zu erwarten, belehrt mich „The Shepherd’s Dog“ (Sub Pop/Irascible) nun doch eines besseren. Nicht, dass Iron And Wine jetzt Schweinerock machen würden – natürlich ist es eine leise Überraschung. Erstaunlich ist, wie reichhaltig der Lagerfeuerfolk von Iron And Wine auf der instrumentalen Ebene inzwischen geworden ist. Hatte sich auf der EP „Woman King“ ein perkussiver Mehraufwand schon angedeutet, wagt sich Sam Beam nun an exotische Rhythmusmuster. Die „Wolves“ schleichen sich im Reggaerhythmus an die Schafherde heran, die „Innocent Bones“ umfliesst Latinoblut, der „Boy With A Coin“ klatscht wie ein Flamencotänzer und die Klänge, die aus dem „House By The Sea“ kommen, tragen den rituellen Charakter von Stammesmusik. Das kann man alles überhören, so nahtlos amalgieren sich diese Elemente mit den melancholischen Americana-Klangfarben von Iron And Wine, aber es ist da.

Iron And Wine – „Wolves (Song Of The Shepherd’s Dog)“
[audio:http://outtheother.typepad.com/music/IronandWine-Wolves.mp3]

„The Shepherd’s Dog“ ist geprägt von einem Sound, der in seinem innersten Kern etwas an indische Ragas erinnert. Tatsächlich taucht auf „White Tooth Man“ und „Peace Beneath A City“ eine Sitar auf und auch Tablas sind immer wieder zu hören. Über allem schwebt Sam Beams Samtpfotenstimme, manchmal klar wie ein Bergbach, manchmal psychedelisch verzerrt, als hätten die 70er gerade erst begonnen. Der lüpfige Boogie Woogie von „The Devil Never Sleeps“ wirkt in diesem gemächlichen Fluss zwar etwas deplatziert, doch es ist eine weitere Facette einer vielschichtigen und doch schlichten Platte, die höchst unauffällig zu neuen Ufern aufbricht.