78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Assoziationskette ausgelöst von Herman Dune

Vollbärte. Ukulelen. Selbstironie. Verschrobenheit. Akzentenglisch. Schweden. Vagabundengeschichten. Frankreich. LoFi-Vergangenheit. HiFi-Gegenwart. Major-Deal. Giant. Charme. Bescheidenheit. Sympathie. Verwandtschaft. Freundeskreise. Mehrstimmigkeit. Chöre. Lagerfeuer. Wolldecken. Hängematten. Sternbilder. Entspanntheit. Beschwingtheit. Marimbas. Strandglück. Wellenrauschen. Klangwärme. Autoradios. Landstrassen. Weltenbürger. New York. Bad Bonn. Heimatlosigkeit. Sonnenuntergänge. Longdrinks. Saxophonsolos. Weinflaschen. Erinnerungen. Barbecues. Seemövenkrächzen. Melancholie. Sehnsuchtstrompeten. Sommerkleider. Naturschönheiten. Lovestories. Grillenzirpen. Mondschein. Hunde. Katzen. Hühner. Blumen. Schunkelrefrains. Entertainment. Videoclips. Kostüme. Lächerlichkeit. Spass. Ernst. Waschsalonkonzerte. Congarhythmen. Exotik. Tagträume. Textwitz. Absurdheit. Phantasie. Harmoniebedürfnis. Sufjan. Unabhängigkeit. Wagenburgen. Heimwehsongs. Politgeschrammel. Realismus. Gespräche. Ideen. Regenbogen.

Die famose Erfindung des Dr. Helmer

Mit Luftgitarren kann man neuerdings tatsächlich Musik machen. Ich überlasse das Wort Dr. Richard Helmer von CSIRO Textile & Fabre Technologies:

„Our air guitar consists of a wearable sensor interface embedded in a conventional shirt which uses custom software to map gestures with audio samples. It’s an easy-to-use, virtual instrument that allows real-time music making – even by players without significant musical or computing skills.“

Hier eine kurze Demonstration. „Without significant musical skills“ – damit meint Dr. Helmer wohl auch sich selbst.

Die Beatles neu zusammengesetzt – in Dolby 5.1

Heute veröffentlichen die Beatles – oder was von ihnen übrig geblieben ist – ihr neues Album „Love“ (EMI). Fragmente alter Songs wurden im Studio so aufbereitet, dass neue Versionen alter Hits entstehen, DVD-Edition und SurroundSound inklusive. Das tönt dann so, viel mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Interessant ist die Tatsache, dass das Album in der Schweiz bereits Platinstatus erreicht hat, bevor es überhaupt jemand gekauft hat – weil 30’000 Exemplare ausgeliefert wurden.

All His Glory

Wenn christliche Musik etwas mit Rock zu tun haben will, ist sie in der Regel so fröhlich fromm wie Ned Flanders. Bei Woven Hand ist Musik im Namen des Herrn für einmal so dunkel wie ein schwarzer Talar.

David Eugene Edwards, der ehemalige Kutscher von 16 Horsepower, ist neben der Bühne ein angenehm ruhiger Zeitgenosse. Doch sobald er im Rampenlicht steht, scheint er von Dämonen besessen. „Je est un autre“, um mit Rimbaud zu sprechen.

Musik als Exorzismus? Der Teufel liegt im Detail: „Wenn ich Songs schreibe versuche ich etwas winziges wie mit einem Mikroskop zu vergrössern. Die kleinen Dinge im Leben – wie wir uns verhalten, unsere alltäglichen Gedanken. Wenn ich dies überhöht darstelle, kann ein leeres Versprechen so erschreckend wie ein Mord wirken. Natürlich nehmen wir das eine ernster, doch für Gott sind beide gleichwertig. Das ist beängstigend – und ernst.“ Edwards lacht – als gäbe es das Böse nicht, mit dem er zwei Stunden später auf der Bühne ringt.

Gott war in Edwards Jugend allgegenwärtig: Sein Grossvater war Prediger, Church Music der Soundtrack seiner Kindheit. Danach der Ausbruch aus dem konservativen Elternhaus, um bei Freunden Punk zu hören und die verbotenen Drogen zu konsumieren („Als Teenager willst du immer das was du zu Hause nicht hast“). Schliesslich hat Edwards Folk entdeckt und begann nach den Ursprüngen der amerikanischen Traditionals zu suchen, die auf dem alten Kontinent liegen.

Ein Anachronismus sind Woven Hand nicht nur, weil sich ihre Texte wie Gedichte aus vergilbten Büchern lesen, auch ihre Musik transzendiert die Moderne. Wurde Edwards im falschen Jahrhundert geboren? „Nein, aber ich mag die Romantik der Vergangenheit – genauso ich wie die Wahrheit der Vergangenheit mag. Alte Instrumente faszinieren mich – wie sie aussehen, wie sie klingen…“

Am Ende der Predigt wurde der Teufel mit einem Holzbanjo zu Grabe getragen. Und er erlöste uns von dem Bösen. Amen.

Wer Woven Hand im Boa verpasst hat, kann sich am 19.11. im Kiff bekehren lassen.

Von einem Unding namens Jazz-Pop

Neulich am jazznojazz: Eine Sängerin changiert mit ausdrucksstarker Stimme zwischen Katzenjammer und Engelszungen. „Das isch doch kei Jäzz, das isch e Zuemuetig“, murmelt das Publikum. Entrüstet verlassen viele ältere Zuschauer das Gratis-Konzert. Hätte Diana Krall gespielt, wär’s bestimmt nicht gratis gewesen, aber sie wären geblieben, nicht nur weil sie bezahlt haben, nein, weil sie die Darbeitung fantastisch gefunden hätten. Dabei degeneriert Vocal-Jazz doch gerade bei Diana Krall zum unerträglichen Kitsch: musikalischer Anspruch als Statussymbol und leeres Versprechen. Wie ich ihn verachte, diesen grausligen, diamantbesetzten Jazz-Pop, zu dem sich die amerikanische Oberschicht am Kaminfeuer in Seidenstoffe kuschelt! Egal. Worauf ich eigentlich hinaus will: Jazz-Pop könnte man auch nennen, was Madeleine Peyroux macht – und in diesem Fall könnte ich mich mit diesem Begriff fast schon versöhnen.

Peyroux bietet mit „Half The Perfect World“  (Universal/probehören) Seele statt 24 Karat. Ihr Timbre erinnert entfernt an Billie Holiday und vermeidet elegant, ehrlich und samtig übersteigerte Fortissimi. Doch da Peyroux nicht über den Rand des Jazz- und Blues-Lexikons hinausschaut, drohen ihre Songs bisweilen im Jazz-Klassizismus zu erstarren. Und dies bedeutet immer auch Kitsch, wie wir dank obigem Beispiel wissen. Wenn dann gar klebrige Easy-Listening-Sax-Solos aufgetischt werden, stellen sich für Momente leider doch noch die befürchteten Krall-Assoziationen ein, die auf Peyroux‘ bisherigen zwei Alben rarer waren. Ihrer Stimme und dem Charme von Songs wie „Blue Alert“ kann man trotzdem nur schwer wiederstehen.

Sollte die CD sich als Fehlkauf entpuppen, könnt ihr sie immer noch euren Eltern zu Weihnachten schenken. Diana Krall Norah Jones haben sie ja schon.

Madeleine Peyroux spielt am 5.12. im Kaufleuten. 

Die neuen Smiths?

Morrissey (l.)???Zufälle gibts. Da habe ich heute Morgen wieder mal die vorzüglichen Smiths gehört und mir gedacht, dass die mit ihren frühen Songs eine Spielart perfektioniert haben, die Pop sagt aber Punk denkt. Ist man in dieser bestimmten Morrissey-Stimmung, hört man ganz einfach The Smiths – alles andere erübrigt sich. Doch da klopfen vorhin tatsächlich Vincent Vincent And The Villains bei mir an und sagen: Wir sind die neuen Smiths! Ob sie’s sind, kann man am 18.11. in der Hafenkneipe herausfinden.

Alte Musikvideos können verregnete Sonntage retten.

black or white?Doch irgendwann gehen einem die Ideen aus und die Vorschläge, die youtube generiert, langweilen. 1500 of your favourite 80’s Videos kam mir (via Popnutten) deshalb heute gerade recht. Ach, die 80er… Auch wenn die Frisuren besser geworden sind – vieles ist heute noch da: 

Lollipop-Pop: B-52s vgl. The Pipettes

Visual-Scratching: Bomb The Bass vgl. Coldcut

Synthie-Spastis: Devo vgl. Hot Chip

Ihr merkt, ich bin erst bis D gekommen. Bin also noch bis zum Abendessen unterhalten.

Netlabels zum Anfassen

Netlabels haben in den letzten Jahren ganz legal das verwirklicht, wogegen die herkömmliche Musikindustrie ankämpft: Gratisdownloads. Abseits von Urheberrechts-Diskussionen sind durch die Obsoleszenz von physischen Tonträgern eine Fülle von Plattformen entstanden, die MP3s gratis – und dank Creative Common-Lizenz trotzdem legal – zur Verfügung stellen, weil Label und Künstler dies so wollen.

Das netlabelfestival.ch, das erstmals am 17. und 18. November in der Roten Fabrik stattfindet, will den Diskurs über Netlabels fördern und Einblicke in Theorie und Praxis der digitalen Musikdistribution geben. Neben Talk-Runden mit Netlabel-Betreibern, Musikern und Software-Entwicklern, gibt’s natürlich auch Live-Musik. Wer wissen will, was ihn erwartet, kann den Festival-Sampler – wie sollte es anders sein – gratis downloaden.  „Broken Friday“ und „Electronic Saturday“ heissen die Mottos der beiden Abende, das Programm geht von Frickelclicks über Bigbeats bis hin zu knarzigem Minimal. Musik elektronischer Machart also, wie sie auf Netlabels vorwiegend vertrieben wird.

Während Bands, die Gesang und Instrumenten fröhnen – wie wir dank Menzl wissen -immer häufiger auf Blog-Labeln vertrieben werden, die auf kostenpflichtige CDs setzen, sind auf Netlabels Indie-Gitarren kaum vertreten. Doch es gibt Ausnahmen: Allen Indiefreunden sei Go Jukebox! empfohlen. Wer hingegen Beats und Bleeps bevorzugt, sieht schnell mal vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Für Orientierung im ClickHopGlitchTekDubStep-Dschungel sorgt der Netlabel Catalogue mittels praktischer Wiki-Navigation.

Zwar bieten viele Netlabels austauschbare Musik an, für die wohl niemand Geld bezahlen würde, doch der Netlabel-Kosmos ist ohne Frage von faszinierender Unendlichkeit, in der sich auch so manches Talent versteckt. Und da dem digitalen Musikdistributionsmodell die Zukunft gehört, stehen die Chancen gut, dass das netlabelfestival.ch zu einer Institution wird.

Tropfsteinhöhlen und Schlachthöfe

Elektronische Musik findet in der Regel auf Tanzflächen statt. Die Compilation „Expedition“ zeigte letztes Jahr, wie ausserhalb des Klubkontexts mit Elektronica experimentiert wird. Mit „Expedition 2“ begibt sich das Berner Label Everestrecords erneut auf Entdeckungsreise an Unorte, an denen eher Kopf- als Körpermusik gespielt wird. Fast ausschliesslich unter 100bpm, oft auch in Beat-loser Schwebe, oszillieren diese 15 Stücke zwischen lieblichem Ambient und ungemütlichem Illbient, denn der einstündige Klangrundgang beinhaltet sowohl die Besichtigung von stillen Tropfsteinhöhlen, als auch von lärmigen Schlachthöfen.

Hanoi still rocks

Der aufmerksame Leser wird sich an Peter Baumgartner erinnern, über dessen Asienurlaub wir kürzlich berichtet haben. Inzwischen ist Peter wieder zu Hause, doch seltsamer Weise vernehmen wir immer noch Signale aus Hanoi. Leider ist unser Spionagetool defekt und wir können nicht eruieren, wer die sechs Personen sind, die als einzige aus nichteuropäischem Raum auf 78s zugreifen. Wieso nicht Paris, New York oder Hong Kong? Gibt es in Hanoi eine musikverrückte deutsche Enklave? Sind es nur harmlose Lovebugs-Fans? Wollen vietnamesische Medienmogule unser Konzept klauen?