78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Hintergrund

Bensch goes illegal

bensch.jpgHummer, Anhänger plus Soundsystem: So performte Bensch, Solothurner Mundart-MC, vergangene Woche auf dem Bundesplatz. Mit dem Song „Sturmgewehr 90“ rief Solys Nr. 1 die Politiker auf, endlich die Waffe aus dem Schrank zu verbannen. Der illegale Spass wurde dann ordnungsgemäss von der Polizei beendet…
In einem exklusiven Interview erklärt uns Bensch, warum es zu dieser Aktion kam.

Bensch, warum dieser Auftritt?

Weil mich das Thema sehr beschäftigt. Man hört in den Medien immer wieder von Suiziden oder Affekttaten mit der Armeewaffe. Der Fall von Chur im letzten März hat mich dann zusätzlich aufhorchen lassen, vor allem weil wenige Tage darauf das Parlament gegen eine Änderung des Waffengesetzes stimmte. Den 4. Juni habe ich ausgewählt, weil an diesem Tag die Junisession des National- und Ständerats begann.

Glaubst du denn wirklich an einen politischen Effekt deiner Performance?

Ich bin ja nicht wirklich politisch aktiv, ich finde es einfach wichtig, dass sich auch junge Leute zu diesem Thema äussern. Es ist endlich an der Zeit, dass sich etwas ändert. Die Armeewaffen haben schon genügend Unheil angerichtet. Wie ich im Song sage: „Nur ein Toter weniger ist das beste Argument!“

Hip Hop ist ja nicht gerade für Waffenfeindlichkeit bekannt. Hast du irgendwelche Reaktionen von anderen Künstlern erhalten?

Ich habe bisher grösstenteils nur positive Rückmeldungen bekommen. Klar gibt es auch einzelne Stimmen, die mit mir nicht einig sind, allerdings keine Rapkünstler. Die loben mich dafür…

Wann und wo gibt’s deinen nächsten illegalen Auftritt?
Meine nächsten Auftritte werden wohl alle legal sein… Am 24. August kommt dann mein zweites Solo-Album „Läbe“ (Musikvertrieb) raus, für das ich die Arbeiten soeben abgeschlossen habe.

Das Ende als Neubeginn: das letzte Album von Ash

Downloads killed the Album-Star: Ash mit Frontmann Tim Weeler (rechts)Das ist ziemlich interessant: Die irische Rockband Ash hat verkündet, dass ihr Ende Juni erscheinendes Album („Twilight of the Innocents“) ihr letztes sein wird. Danach will die Band aber nicht etwa ihre Gitarren an den Nagel hängen, sondern nur noch einzelne Songs veröffentlichen. Die Band, allen voran Frontsau Tim Weeler, glaubt nicht mehr an das Album als Format (lest euch die Pressemitteilung durch, die ist wirklich interessant). Ist mit dem Trägermedium Cd möglicherweise auch das Konzept des Albums bedroht?

(via Popkulturjunkie)

Tied & Tickled Trio: Fasziniert vom Futurismus

Ein Telefongespräch mit Andreas Gerth über die überraschend stillen Klänge des neuen Tied & Tickled Trio-Albums „Aelita“ (Morr/Namskeio).

Warum habt ihr auf „Aelita“ den Jazz ausgeblendet?

Das neue Album wurde gewissermassen aus der Not geboren. Man hatte uns für das letztjährige Hausmusik-Festival in München verpflichtet und Johannes Enders, unser Saxophonist, konnte nicht auftreten. Deshalb haben wir auf diesen Auftritt hin bewusst elektronische Musik geschrieben. Es war eine sehr spontane Sache, wir haben „Aelita“ in drei Tagen eingespielt.

Die Titel „Aelita“ und „Chlebnikov“ verweisen auf die russische Avantgarde. Inwiefern sind diese Referenzen Teil eines Konzepts?

Auch das war eher Zufall, als ein bewusstes Konzept. Ich las im letzten Jahr ein Buch über Chlebnikov und den russischen Futurismus und war fasziniert von dieser Bewegung und ihrem Niedergang. Dann kam Micha Acher mit dem traurigen Mellotron-Thema für „Aelita“ und irgendwie passte der Titel dieses Science Fiction-Stummfilms. Bei der ganzen Raumfahrtsthematik schwingt für mich immer etwas Trauriges, Verlorenes mit – ähnlich wie bei diesen Schallplatten an Bord der Voyager, die nie jemand hören wird. Diese Stimmung prägt auch „Aelita“.

Wie sieht die Rollenverteilung bei euch aus, kommt Micha mit einer Komposition und du setzt sie um?

Das ist meistens so, manchmal beginnen wir aber auch mit einer Spur von mir.

Für welche Musik begeisterst du dich zur Zeit?

Dubstep ist etwas vom Interessantesten, was mir in den letzten paar Jahren zu Ohren gekommen ist.

Wie steht es um die anderen Projekte aus eurem Umfeld? Was natürlich alle am meisten interessiert: Was weisst du über das neue Notwist-Album?

Da ich eine Familie habe, bleibt mir kaum mehr Zeit für mein Soloprojekt Loopspool. Micha und Markus sind fast fertig mit dem neuen Notwist-Album, aber sie nehmen sich halt sehr viel Zeit, der Erwartungsdruck ist ja auch unglaublich hoch. Deshalb ist das Tied & Tickled Trio für die Acher-Brüder ein guter Ausgleich. Bei uns läuft alles viel spontaner ab.

Die schlechtesten Covers aller Zeiten

Alle Covers von Westlife, zum Beispiel das hier

Alle Covers von Michael Bolton, zum Beispiel das hier

Céline Dion & Anastasia – „You Shook Me All Night Long“ (Original)

Avril Lavigne – „Chop Suey“ (Original)

The White Stripes – „Jolene“ (Original)

Limp Bizkit – „Behind Blue Eyes“ (Original)

The Mike Flowers Pop – „Wonderwall“ (Original)

Mötley Crüe – „Anarchy In The UK“ (Original)

Und warum hat Lou Reed eigentlich freiwillig sein eigenes „Perfect Day“ zu Grunde gerichtet?

We Are Superfantastisch

Weltklasse: We Are ScientistsWe Are Scientists sind eine grossartige Band. Ihr Debutalbum war ein Instant-Classic. Ihre Videos sind legendär (und zu Unrecht weniger bekannt als die von Ok Go), zu sehen auf ihrer Crap Attack Compilation. Doch damit längst nicht genug. Neulich haben sie sich erlaubt Sigur Ros zu covern, zu hören hier. Und absolut unschlagbar ist der Brief von Ekaterina, den die Scientists auf ihrer Website veröffentlicht haben. Ekaterina ist ein, naja, Fan und hat ein Anliegen. Aber lest selbst.

Dizzee Rascal, Maths & English, 08.06.07

dizzeereel.jpgDizzee Rascal, und Brillanz hat einen Namen. Der Londoner Rapper schlägt heute zum dritten Mal zu, und das rosarote Resultat ist nichts anderes als historisch. Ist die Pop-Kultur noch nicht völlig verdorben, wird das heutige Datum in die Geschichtsbücher eingehen.

Maths & English“ (Musikvertrieb) ist ein Masterpiece der Hip-Hop-Revolution, genannt Grime. Dizzee beschränkt sich diesmal nicht auf die Fusion von Streetrap und Dance, er geht einen grossen Schritt weiter. Dem futuristischen Gebäude-Komplex, den er mit seinen beiden Vorgängern erschaffen hat, gibt er einen Old-School-Anstrich: 80er-Jahre Breaks treffen auf Elektro-Basslinien und Synthies. Das tönt nicht nur überfett, das ist meisterhaft. Einen Science-Fiction-Streifen im Film-Noir-Stil, das hat bisher keiner geschafft.

Wenn andere was Grandioses geschafft haben, lehnen sie sich zurück. Dizzee fängt erst an. „Sirens“, die dritte Nummer auf dem Album, ist ein nie zuvor gehörter Elektro-Old-School-Rock-Wahnsinn. Zum Flow von A Tribe Called Quest und dem Druck der Chemical Brothers gesellt sich hier die Gewalt von Korn dazu. Dass der Rascal dazu rappt wie ein Kung-Fu praktizierender Tiger, ist schon fast Nebensache. Die Siegesrede ist bei einer erfolgreichen Revolution unwichtig.

Elegant und leichtfüssig gelingt Dizzee der Hattrick. Ohne mit der Wimper zu zucken, trifft der 22-jährigen East End Rapper ins Lattenkreuz. Bassgetriebene Rap-Akrobatik, der innovativen Perfektion ungewohnt nahe. Es braucht keine rosarote Brille, um festzustellen: Diese Scheibe ist das Hip Hop Album Of The Year. Es gibt selten zwei Revolutionen im selben Jahr.

In den USA erscheint „Maths & English“ übrigens nur übers Internet. XL will scheinbar keine Perlen mehr vor die Säue werfen. Schliesslich haben bereits die beiden in England preisgekrönten Vorgänger-Alben in den Staaten gefloppt.

(The revolution is streamed)

Carnation und der Geist der Beatles

carnationliverpool.jpgCarnation sind zurück aus Liverpool. Drummer Kevin spricht über die Auftritte im legendären Cavern Club.

Habt ihr den Geist der Beatles gespürt?

Kämen die Beatles nicht aus Liverpool, würde man die Stadt wohl nicht kennen. Jedes Pub ist nach einem Beatles-Song benannt. Aber den Geist gespürt? Im Cavern Pub waren das Original Schlagzeug oder die Verstärker ausgestellt.

Was herrschte für eine Atmosphäre?

Am ersten Abend war der Club gut gefüllt. Das Publikum ist aber extrem anders als bei uns. Hier drehen sie entweder durch, oder sie sind still. In Liverpool sind sie eher ruhig, dafür zeigen sie einem nach dem Konzert, dass sie dich mögen.

Habt ihr auch Selbstmord begangen, indem ihr einen Beatles-Song gespielt habt?

Wir sind zweimal „nur“ eine halbe Stunde aufgetreten, deshalb wollten wir keine Covers spielen. Aber der Künstler nach uns spielte ein Beatles-Cover und das wussten sie im Club nicht so zu schätzen. Zumindest der Mischer nicht, der stellte ihm gleich den Saft ab.

CD-technisch war es lange ruhig um euch. Wieso?

„Waxy’s Little Sister“ erschien ja Ende 2005. Im vergangenen Jahr spielten wir viele Konzerte. Aber jetzt sind wir definitiv dran, neue Songs aufzunehmen.

In welche Richtung gehts musikalisch?

Weiter zurück – in die 60er-Jahre. Wir werden auch versuchen, in der Produktion das „alte Feeling“ rüberzubringen. Im Stile der rohen und früheren Beatles-Phase. Das Ziel ist, dass wir 25 Songs haben, von denen wir uns für etwa acht entscheiden um diese aufzunehmen. Wir wollen damit bei den Labels hausieren. Unser primäres Ziel ist aber das Ausland.

Der Drummer von Kashmir erzählte in einem Interview, dass Drummer die egoistischsten seien. Stimmt das?

Das würde ich nicht unterschreiben. In unserer Band sind wir am schlimmsten, wenn wir alle zusammen sind. Sich in den Vordergrund zu drängen hat nichts mit dem Instrument, sondern mit der Persönlichkeit des Musikers zu tun.

Pete Doherty = verpilzter Flip-Flop?

Verpilzter Flip-Flop?Man kann ja vieles von Pete Doherty halten, Gutes wie Schlechtes. Dass man Pete Doherty unsympatisch und die Bilder von ihm an Kate Moss‘ Seite befremdlich findet, kann ich nachvollziehen. Scheinbar gibt es aber auch Leute, die darob derart in Rage geraten, dass sie Sachen schreiben wie: „Wäre Pete Doherty ein Kleidungsstück, dann wohl am ehesten ein verblasster, verpilzter, verrotteter Flip-Flop.“ Der entsprechende Text, strotzend von Abscheu und unqualifizierten Bewertungen, findet sich in der aktuellen Weltwoche (online nicht frei verfügbar).

Warum die Autorin (Kathy Lette) sich nicht damit abfinden kann, dass Kate Moss offenbar etwas an Doherty findet („Was um Gottes Willen zieht sie zu diesem Mann?“), wird gegen Ende des Textes klar. „Auch ich fiel mal einem Rockmusiker zum Opfer“, schreibt sie da, „sein IQ lag leicht unterhalb seiner Schuhgrösse“, um dann über zwei Abschnitte hinweg zu beschreiben, wie sie selber einem Typen verfallen war, der schliesslich irgendwann mit ihrem Auto und allem Ersparten das Weite suchte. Der Grund für den Hasstext ist also quasi ein christlich-altruistischer: Lette will Kate Moss vor Schlimmerem bewahren.

Die Weltwoche wäre gut beraten, ihre Leser in Zukunft vor Schlimmerem zu bewahren – und solche Musik-/Society-Texte von Leuten schreiben zu lassen, die es können.

Berner Rapper rappen am besten

bern.jpgGestern ging das alljährliche HipHop im Fluss Battle über die Bühne: 16 MCs aus der ganzen Schweiz zogen in den Ring, um sich in verbalen Mann-gegen-Mann-Kämpfen gegenseitig über den Tisch zu ziehen. Gewonnen hat die Schlacht der scheinbar Schüchternste unter allen, ein MC namens MQ. Was aber viel interessanter ist: Alle drei Berner (MQ, Manekan, Vitus) und der einzige Solothurner (Rüfe) erreichten die Halbfinals, während es jegliche Rap-Prinzen westlich der Aare bereits in den ersten beiden Runden wegspülte.

Was wir daraus lernen: Die Berner sind nicht nur die beliebtesten Rocker, sondern auch die besten Rapper.

Der gestrige Abend im Dachstock unterstreicht diese These schon fast wissenschaftlich: Praktisch alle Gewinner der Zentral- und Ostschweizer Battles waren am Start, vorgegebene Themen verhinderten auswendig gelerntes Reimen, die Jury bestand aus drei Nicht-Bernern. Er hat seine Erben gefunden.

R. Kelly schafft sich seinen Regenwald

Kann trotzdem nicht texten: R. KellyImmer mal wieder denke ich, Musiker sollten Musik machen und keine Interviews geben (genauso wie Fussballer Fussballspielen sollen). Es gibt aber auch Musiker, die sollten vielleicht besser einfach nach Hause gehen und sich einen Beruf suchen, in dem Worte kein Gewicht haben. R. Kelly zum Beispiel.

„I got you so wet, it’s like a rainforest
Like Jurassic Park, except I’m your sexosaurus, babe.“

Aus „The Zoo“ von seinem neuen Album „Double Up“ (Sony BMG), das man seit Freitag nicht kaufen sollte.