78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Konzerte

Escape from Street Parade-Guide

Begibt man sich am Wochenende nach Zürich West, dann wird man von einer ausgehfreudigen Meute von paarungs- und partywilligen Jugendlichen überrollt. Das ist nunmal nicht Jedermanns und Jedefraus Sache. Halb so wild. Man kann Zürich West ja auch meiden. Am Street Parade-Wochenende ist dies eine andere Sache. Dann herrschen in ganz Zürich solche Zustände. Und wer will das schon. Darum hier der ultimative Escape from Street Parade-Guide:

For Noise FestivalTip 1: For Noise Lausane

Das For Noise-Festival in Lausanne bildet unsere Top Escape-Destination. Das Festival ist klein, fein, musikalisch heterogen und fernab von Zürich. Von Death Metal (Celtic Frost), Indie Rock (Art Brut), Psychedelic-Rock (Motorpsycho), Singer/Songwriter (Emily Loizeau), Retro (The BellRays), Electro (Fisherspooner) bis Americana (Lambchop), das For Noise ist vergleichbar mit einem gut geführten Plattenladen. Alles da. Da kommt auch jener Street Parade-Flüchtling auf seine Kosten, der elektronische Musik gar nicht doof findet, aber den Kostümball drumherum.

Tip 2: Lakeside Festival HergiswilLakeside Festival

Wer Angst hat den Röschtigraben zu überschreiten, (tut nicht so sehr weh, wenn man nach Düdingen 30 Sekunden lang die Augen schliesst) der kann auch die Innerschweiz besuchen. Die kennt man ja aus dem Geschichtsunterricht in der Primarschule. In Hergiswil, wo Tell vor beinahe 300’000 Jahren den ersten „Axe-Klippensprung“ zelebrierte, findet bereits zum 6. Mal eben dieses Lakesidefestival statt. Mit dabei sind die Schweizer Szenegrössen Highfish und William White, wie auch Nordisches Hartgesottenes mit Disco Ensemble und The Blue Van. Finger abschlecken ist angesagt. Dazu gibt’s auch den LakeJump-Contest.

Honey For PetziTip 3: Honey For Petzi in St. Gallen

Irgendwie Ausland und doch noch Schweiz. Das kann nur St. Gallen sein. Dort gibts eine Lokalität namens Schwarzer Engel und da spielen Honey For Petzi auf, die dort bestens hinpassen. Spielen sie doch ihre Instrumente wie gefallene Engel.

Der G-Punkt des Universums

Die New Yorker Presse behauptet sie hätten den G-Punkt des Universums gefunden. Tatsächlich machen Gang Gang Dance Musik, bei der die Band als ein Medium höherer Mächte zu agieren scheint. Wer dem dunklen Zauber dieser Mächte verfällt, ist im Labyrinth der Klänge verloren.

Das Quartett entspringt den selben Künstlerkreisen Brooklyns wie Animal Collective und hat mit diesen vor allem eines gemeinsam: Ihre Musik lässt sich auf keinen Begriff bringen. Das hat mit Post-Rock, Neo Folk, Psychedelia, Indietronics, Ambient, HipHop und World Music vielleicht etwas zu tun, wahrscheinlich aber eher nicht. Gang Gang Dance vollziehen ein perkussives Ritual auf einer metaphysischen Tanzfläche und muten an wie eine schamanische Verschwörung schizophrener Engelschöre, die im zähflüssigen Plasma des Unterbewussten baden. Ihr neustes Epos „Gods Money“ besteht aus neun Mikrokosmen, die fremdartig und verstörend, aber auch katharsisch und beglückend wirken können.   

An Gang Gang Dance werden sich die Geister scheiden. Verschroben und krank mag der geneigte Pophörer dieses Live-Dokument finden, doch wenn selbst der alte Pop-Haudegen Morrissey an einem ihrer Konzerte gesichtet wurde, muss Gang Gang Dance tatsächlich etwas von universeller Gültigkeit anhaften. Am 18.8. kann man im Bad Bonn zum G-Punkt des Universums vorstossen.

Der Admiral spielt seine grössten Hits

Admiral James T (copyright ostpix.ch)Admiral James T. (sieht auf dem Bild ein bisschen aus wie Baschi, nicht?) war gestern in Basel im Fluss, und zwar im doppelten Sinne. Ich finde, man sollte ihn zum König der Songansagen krönen. Besonders gefallen hat mir gestern diese (man muss sich dazu noch einen Winterthurer Dialekt vorstellen): „Jetzt kommt ein neuer Song. Den kann ich noch nicht so gut, habe ich erst heute geschrieben, in Schaffhausen“. Lustig, nicht?

Vielleicht sollte ich noch dazu sagen, dass auf diese Ansage „In The Ghetto“ von Elvis folgte. Nach dem Song meinte der Admiral trocken: „Ich glaube, das wird ein Hit.“ Überhaupt, die Hits. Jeden Song kündigte der Winterthurer („Ich bin auf der Durchreise, von Stein am Rhein in Richtung Rotterdam“) als seinen grössten Hit an, wahlweise auch als seinen Lieblingssong oder seinen besten Song. Und bediente sich dann genauso schamlos wie Stilsicher aus dem Kanon der Populärmusik. Motörhead wurde genauso die Reverenz erwiesen wie Oasis, ebenso Queen mit „Another One Bites The Dust“ (natürlich angekündigt als „mein grösster Hit“, und am Ende kommentiert mit „damit wäre ich fast reich geworden“).

Nicht diesen, aber einen anderen schönen Song, ebenfalls mit netter Ansage, haben die infamen Kollegen verdankenswerterweise mitgeschnitten (zur Erklärung vorweg: Admiral James T. hatte das Publikum nach allfälligen Wünschen gefragt und Radiohead zugerufen erhalten).

Jetzt müssen Steine rollen

Heute ist der Tag, für den Sämu Schmid Verteidigungsminister geworden ist: Die Rolling Stones spielen auf dem Militärflugplatz Dübendorf. Von Grössenwahn und Ticketpreisen soll an dieser Stelle nicht die Rede sein, auch nicht von den durchaus erwähnenswerten Vorbands Kasabian und Lovebugs. Dafür soll auf eine wunderbare Coverversion des wohl grössten Stones-Hits hingewiesen werden. Bühne frei für PJ Harvey und Björk mit „(I Can’t Get No) Satisfaction“ (Brit Awards 1994). Da sehen die Stones wahrlich alt aus.

Rock, Lyrik und Politik

John K. Samson von The WeakerthansKeine gewöhnliche Band ist das. Die Rede ist von The Weakerthans (Phonag). Der Frontmann der kanadischen Band, John K. Samson (Bild), ist auch kein alltäglicher Musiker. Samson kann nicht nur mit der Gitarre umgehen und einigermassen konsonant singen, sondern ist auch Poet, Buchverleger und Politischer Aktivist (wobei er dabei wohl nicht immer den für alle richtigen Ton trifft). Er ist Mitinitiant von Arbeiterring Publishing, einem kanadischen Buchverlag, der sich auf sozialpolitische Sachbücher spezialisiert hat. 1997 gründete er, noch mit seiner ehemaligen Band Propaghandi, das Label G7 Welcoming Committee Records. Sein Bücherwurm- und Intellektuellenimage (schöner Schal John!) unterstrich Samson kürzlich mit der Teilnahme bei „Canada Reads„, das Pendant zum Literaturclub von SF, just mit einem interessanteren und spannenderen Sendekonzept. Bei „Canada Reads“ treten fünf Kandidaten mit ihren Lieblingsbüchern gegeneinander in einem Argumentationswortgefecht an, bis das eine Buch auserkoren wird, das von Kanada gelesen werden muss. Samson und seine Frau, die Folk-Sängerin Christine Fellows, gelten in Kanada als eines der originellsten und talentiertesten Künstlerpaare. Ein Weakerthans-Konzert, man kann es sich denken, ist darum mehr als ein normales Konzert; es ist Lyrik gepaart mit Rock Musik und politischen Zwischentönen. Dies kann man am nächsten Mittwoch (9. August) in der Luzerner Schüür gleich selbst erfahren.

Cibelle und der künstliche Bach

cibelle.jpgDas waren keine Tränen der Rührung, es waren Regentropfen, welche die grosszügig verteilten blauen Regenponchos bedeckten, die wiederum Cibelle zur Aussage zwangen: „Oh, you all look so blue“. Das Wetter wollte nicht mitspielen, als Cibelle am letzten Donnerstagabend auf der Stimmen-Bühne im Rosenfeldpark zu Lörrach erschien. Begleitet wurde sie von einer dreiköpfigen Band: Gitarre, Keyboard/Laptop, Schlagzeug. Aus unerklärlichen Gründen wurde kein einziger Song ihres ersten Albums „Cibelle“ (2003) gespielt. Man beschränkte sich auf die herausragend psychedelisch anmutenden Stücke ihres neuesten Langspielers „The Shine Of Dried Electric Leaves“ (2006). Nicht minderer Qualität sind diese Songs, bloss verspielter und abgedrehter.

Immer wieder vermischten sich komplexe Bossa-Riffs mit knackenden und klickenden Samples. Dazu hielt Cibelle ihre Glöckchen-Kette ans Mikrofon und sang in ein zweites, das direkt am Laptop angeschlossen war, der ihre Stimme sachte hallen liess. Schliesslich sank Cibelle in die Knie und sang minutenlang ohne instrumentale Begleitung (nur der künstliche Bach hinter der Bühne plätscherte dazu, als müsste es so sein). Der Applaus hielt lange an. Er klang überrascht. Das Publikum war dennoch nur wegen Amparanoia angereist. Die spanische Sängerin Ampara Sánchez und ihre Band spielten im Anschluss einen Mix aus Salsa, Samba und Ska. Nichts Neues und auch nichts Spektakuläres. Aber dem spärlich erschienenen Publikum schien es zu gefallen. Und Petrus auch.

Ps: Das Bild zeigt zwar Cibelle, jedoch nicht am Stimmen-Festival.

Allien am Apparat

Bald ist wieder Fasnacht. Provinzler und Zürcher malen sich bunt an, werfen sich in glimmrige Kostüme und ziehen durch die Gassen. Doch die Street-Parade hat auch ihre guten Seiten. Zumindest eine: die dreitägige Lethargy in der Roten Fabrik (11.-13.8.). Diesmal mit dem deutschen Elektro-Traumpaar Apparat und Ellen Allien, die mit ihrer CD „Orchestra Of Bubbles“ Synergien genutzt und Frühlingseuphorien ausgelöst haben. Zudem sind Alter Ego (Elektro+Rock), Dirt Crew (Elektro+Oldskool) und Paul St.Hilaire (Dub+Dub), sowie diverse Schweizer Grössen zugegen. 

Statt Sommer

StadtsommerDie Programmverantwortlichen vom Stadtsommer 06 in Zürich werden sich wohl fast nicht mehr einkriegen können. Zwei Monate war es dauerschön und ausgerechnet bei der Veranstaltung, die Sommer im Namen führt, regnet’s wie aus Kübeln. Pech, aber zum Glück geht der Event über zwei Wochenenden. Petrus kann sich also noch gnädigen zeigen. Das Programm ist trotzdem nett: Fifty Foot Mama, Radio 200000 und Fisher sorgen für die Highlights. Mehr hier.

Legale Gratismusik

funk am seeAlle zwei Jahre gibt es in Luzern gratis was auf die Ohren. Dann nämlich, wenn auf der Lidowiese das grösste Gratis Open-Air der Schweiz stattfindet: Das Funk am See (19. August 2006, ab 13h). Wer hier funkiges erwartet, ist aber falsch gewickelt. Seinen Namen hat das Open-Air vom hiesigen Radiosender 3fach, der den Eintagesevent früher selber organisiert hat und heute noch live über den Äther schickt. 12’000 Leute sind vor zwei Jahren nach Rock City Lu-Town gepilgert und es gibt wenig Grund anzunehmen, dass es dieses Jahr weniger sein werden (nicht mal das Wetter ist ein Argument, denn bei schlechter Witterung wird das Open-Air in ein Closed-Air verwandelt – damit die Schönwetterrocker nicht nass werden?).

Das traditionell rein schweizerische Programm kann sich auch dieses Jahr sehen lassen. Etablierte Grössen (Favez) treffen auf raketenartig gestartete Newcomer (The Delilahs), deutschsingende Lokalgrössen (Kronzeugen) auf englischsingende Local Heroes (Neviss) und rätoromanisch rappende Bündner (Liricas Analas), Zauberer (The Flow Magicians) und Ex-Hühner (The Chicken Nuggets) aus Luzern auf geerdete Hip-Hopper aus Bern (Wurzel5). Und dann wären da noch die Elektro-Popper aus Zürich (Camp), die eigentlich einen Gegenpart aus Basel verdient hätten. Doch dass Basel gute Bands hat, hat sich offenbar nicht bis nach Luzern herumgesprochen.

Remmidemmi

Den Kopfnickern sind sie zu elektronisch, den Elektronikern zu kopfnickerisch. Wer beides mag, ist mit Deichkind bestens bedient. Ihr dritter Langspieler „Aufstand im Schlaraffenland“ wurde vor zwei Monaten freigelassen. Darauf ist gut erkennbar, dass Deichkinds Motivation zum Musikmachen weder selbstverliebter noch politische Natur ist; Spass soll es machen. Auch und vor allem live. Auf der Bühne sind die Bremer unberechenbar. Im Rahmen der ersten Plan B Elektro Sessions treten Deichkind am 16. August zu später Stunde im Zürcher Kaufleuten auf.

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