78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Prädikat „Sehr gut“

Die Testphase ist abgeschlossen„Paper Television“ von The Blow (K7 K-Records/Namskeio) wurde auf Herz und Nieren geprüft. Stärken: Äusserst funktionale Grooves nach ESG-Norm, nahtlose Verarbeitung, rostfreie Melodien, gute Tanzbarkeit trotz ökonomischem Einsatz von Klangmaterial, druckvolle Produktion, ausgezeichnete Dynamikwerte, erstaunliche Klangeigenschaften, geringe Abnützungserscheinungen, hoher Spassfaktor dank patentiertem DooWop-Programm, innovative Bassfunktionen, hochwertige emotionale Komponenten, intelligente zweisprachige Textfeatures, lebenslange Frische-Garantie. Schwächen: Nur 30 Minuten Spielzeit. Doch eigentlich ist das ganz praktisch – man kann das Album in einer Stunde gleich zweimal hören.

Big in Japan

Es gibt ja immer wieder Bands, die sind auf dem Binnenmarkt mässig erfolgreich, behaupten aber in exotischen Ländern Superstars zu sein. Ausverkaufte Stadien in Japan, Massenaufläufe in Brasilien – wir kennen diese Stories. Warum sind wir eigentlich immer darauf hereingefallen? Diese Konzerte hat es nie gegeben, sie sind Marketingluftschlösser und Promotionsluftblasen. Oder wieso sollten es ausgerechnet Lunatica in die japanischen Top 10 schaffen? Weil sie „musikalisch (sic!) als eine der originellsten Bands der Schweiz gelten“? 

Peter und der Wolf

Es war einmal ein junger Mann. Sein Name war Peter, doch alle nannten ihn Red Hunter, denn er war Jäger. Banjo und Gitarre waren die Waffen mit denen er die Ungeheuer erlegte, die im Zeichen des Wolfs Zerstörung und Leere zurückliessen. Und doch fühlte er sich, als wäre er der Gejagte – denn Red war ein Getriebener. Er war für Abenteuer geboren. Die See war seine Braut.

Eines Tages stach der vagabundierende Troubadour mit seinen Verbündeten unter der Flagge von Peter And The Wolf in See, um als Arche Noah der Neuzeit 2.0 das Gute vor dem bösen Wolf zu retten. Sie segelten der Küste des übermächtigen Imperiums entlang und gewannen die Herzen derjenigen Bewohner der Küstenstädte, die ihre Seele noch nicht dem Wolf verkauft hatten.

Auf Friedhöfen predigte Red gegen den dritten Weltkrieg und an Lagerfeuern sang er von Menschen, die Maschinen geworden sind. Seine Märchen über den realen Wahnsinn verbreiteten sich wie Lauffeuer. In jeder Stadt wurde er wie ein Messias empfangen.

Bei seinen Auftritten begleiteten ihn Freunde und Seelenverwandte, deren Bekanntschaft er auf früheren Reisen gemacht hatte. Manche reisten einige Tage mit ihm, andere länger, um sich schliesslich wieder auf den Heimweg zu machen und zu Hause an einem neuen Testament weiterzuschreiben. Schliesslich glaubten eines Tages so viele an Red und seine Lehre, dass sich der Wolf mit seinen Ungeheuern murrend in die Wälder verzog und nie mehr gesehen ward.

Und wenn sie nicht gestorben sind… So ähnlich hat sich dieses Märchen unlängst tatsächlich zugetragen – nur treibt der Wolf leider noch immer sein Unwesen. Peter And The Wolf’s neueste Sammlung von schaurig schönen und schamanisch scheppernden Liedern wird erstmals auch in den Läden, an denen der gierige Wolf beteiligt ist, erhältlich sein. The Worker’s Institute, das unter anderem auch die ersten Expeditionen von Sigur Ros unterstützt hat, hat die Scheibe in die Regale und Datenbanken geschmuggelt. „Lightness“ erscheint im Wolfsreich an Halloween, in allen Kolonien des Imperiums am 6. November.

„Safe Travels“

[audio:http://www.workersinstitute.com/music/Peter%20and%20the%20Wolf%20-%2003%20Safe%20Travels.mp3]

„The Fall“

[audio:http://www.whiskeyandapples.com/mp3s/PETER%20AND%20THE%20WOLF%20-%20the%20fall.mp3]

„Strange Machines“

[audio:http://www.whiskeyandapples.com/mp3s/experiments%20in%20junk/strange_machines.mp3]

The sounds of earth

Musik ist gestaltete Zeit und dank Stereo auch gestalteter Raum. Doch der Raum ist unendlich und selbst die lauteste Musik verliert sich irgendwann in der Weite. Trotzdem schwebt 15 Mrd km von der Erde entfernt Musik von Beethoven und Louis Armstrong im Raum. An Bord der Voyager-Schwestersonden befindet sich eine Kupferlangspielplatte, die in extrastellaren Diskotheken für Furore sorgen soll. Mit einer Lebensdauer von 500 Mio Jahren stehen die Chancen gut, dass die Flaschenpost im kosmischen Ozean doch noch einen Adressaten findet.

Juwel zwischen Pickeln und Fäkalien

Jackass war gestern, You Tube ist heute. Das 1.5 Billionen $ schwere Teenage Wasteland stiftet Jugendliche zu immer unsinnigerem Unsinn an. Es werden Rülpswettbewerbe, Kotzrennen und Furzrallies veranstaltet oder mit Mentos und Diet Coke Raketen gebastelt. Was haben wir gelacht. Doch in Ausnahmefällen beschränkt sich die Kreativität der mitteilungsbedürftigen Adoleszenz nicht auf fäkale Albernheiten und picklige Handyvideos: Wieso nicht mal ein Video statt einen Song covern, hat sich ein Danielson-Fan gefragt. Das Original kommt im Vergleich dazu ziemlich semi-professionell daher.

 

Charts-Verbot für Beck

Wer sich das neue Beck-Album gekauft hat – also so richtig physisch mit allem drum und dran und nicht nur in Einsen und Nullen – hat sicherlich mit Freude festgestellt, dass es das erste Album ist, dessen Cover man sich mit Stickern selbst zusammenbasteln kann. Was den Fan freut, verärgert die für die britischen Albumcharts zuständige O.C.C.: „Unfair Advantage“ sei dieses Package und werde deshalb für die Charts nicht zugelassen.

Handicap als Mehrwert

Station 17 wurde vor 18 Jahren als gemeinsames Projekt behinderter und nicht-behinderter Musiker von einem Zivildienstleistenden in einem Hamburger Pflegeheim gegründet. Statt Beschäftigungs- oder Integrationsprogramm ist Station 17 eine Band, die gesellschaftliche Normen hinterfragt und Handicaps nicht als solche ansieht, weil sie an deren kreativen Mehrwert glaubt. Keine Freakshow also, sondern in erster Linie ganz einfach ein Kollektiv von Musikern. Nach rockigen Anfängen und improvisierten Jams kam es in den 90ern zur Zusammenarbeit mit Produzenten wie Thomas Fehlmann (Kompakt) oder DJ Koze und Cosmic DJ (International Pony), die den Sound von Station 17 vermehrt Richtung Tanzfläche trieben.

Dort sind sie mit ihrem fünften Album „Mikroprofessor“ definitv angelangt. Drive hat der dadaistische Elektro allemal, nur fragt man sich, ob die eindeutige Aufgabenteilung – nicht-behinderte Musiker produzieren Sounds zu denen handicapierte Vokalisten Texte beisteuern – das Handicap nicht zum Gag verkommen lässt. Diese Vorgehensweise macht Station 17 bestimmt konsumfreundlicher als in der Vergangenheit. Sie bringt die Musik in eine Stromlinienform, die sich von den Standards gegenwärtiger Tanzmusik kaum unterscheidet und somit durchaus als „normal“ durchgeht. Doch wäre es nicht spannender gewesen auch auf der Soundebene mit „handicapierten“ Beats und Bleeps eine radikal andere Ästhetik zu formulieren? Aber ihr merkt schon: Mit dieser Argumentation tappe ich selbst in die Normierungsfalle, indem ich die Schöpfer von „Mikroprofessor“ in zwei Gruppen aufteile – wogegen Station 17 ja eigentlich anspielen. Hauptsache alle Beteiligten hatten Spass.

Nett oder PET?

Pet sind nett. Will heissen, sie gehören zum harmlosen Mittelfeld. Ihre Songs sind catchy, die Refrains luftig, und ihr neues Album „Rewind The Sofa Lady“ (Grönland/Musikvertrieb) so abwechslungsreich, dass sich der gesamte Backkatalog eines Indie-Labels damit assoziieren liesse. Aber fehlt da nicht was? Blut? Dreck? Gift?

Wie PET sind Pet ein perfekter Kunst-Stoff: leicht, durchscheinend und mit beliebigen Etiketten beklebbar. Leider nicht gefüllt mit  unverwechselbarem Geschmack, sondern mit keimfreier Musik. Was nicht heissen soll, dass Pet Flaschen sind.

Ab ins Archiv

Am 31. Oktober treten Archive im x-tra an, um ihren Status als klanggewaltige Ausnahmeband zu untermauern. Wenn Du herausfinden willst, ob sie auch mit neuer Stimme einzigartig bleiben, musst Du dafür mit etwas Glück nicht mal was bezahlen. Nur rasch registrieren und folgende Frage beantworten: Wie heisst der Sänger, der Archive nach dem letzten Album verlassen hat? Antworten an: gewinnen(ät)78s.ch.

Nouveautés

Nachdem „Guero“ ungehört im Regal Staub ansetzt, verschafft sich Beck mit „The Information“ wieder Gehör. Gute Beck-Alben kann man spätestens jetzt nicht mehr an einer Hand abzählen. 

Bei den übrigen Neuerscheinungen dieser Woche frage ich mich, wer wohl Verwendung für sie hat hat. Jungs aus dem Basler Ghetto (Griot)? Vampire aus Soap Operas (Evanesence)? Uninspirierte Rocker (Jet/The Killers)? Sammler (Four Tet)? Vermögende Fans (Tori  Amos)? Platten, die die Welt nicht braucht. [Pop Levi und Hanno Leichtmann mal ausgeklammert. Hörproben ihrer möglicherweise interessanten Musik sind leider mangelhaft/unauffindbar] Vetos von Fans der Gescholtenen sind herzlich willkommen. 

Beck – The Information (Universal) 

Four Tet – Remixes (Musikvertrieb)

Pop Levi – Blue Honey (Musikvertrieb)

The Killers – Sam’s Town (Universal)

Griot – Strossegold (Universal)

Ludacris – Release Therapy (Universal)

Amplifier – Insider (Phonag)

Tori Amos – A Piano – The Collection (5CDs, Warner)

Jet – Shine On (Warner)

Jesse McCartney – Right Where You Want Me (EMI)

Ryan Teague – Coins & Crosses (Type/Namskeio)

Hanno Leichtmann – Nuit Du Plomb (Karaoke Kalk/Namskeio)

Evanescence – The Open Door (Sony)