78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Vorspiel mit Mikro, Sex mit Verstärkern

Vor drei Jahren hat Juliette Lewis den Schritt von der Leinwandschlampe zur Rockgöre gewagt und uns seither zuverlässig jährlich einen Arschtritt verpasst – so auch dieses Jahr. Am 2. Oktober erscheint „Four On The Floor“, Veränderungen sind keine festzustellen. Juliette scheint Sex immer noch am Liebsten mit Verstärkern zu haben. Rock’n’Roll muss auch in ihrem neuen Video wieder mal als Euphemismus für den Geschlechtsakt herhalten. Wenn wir gerade beim Thema sind: Ganz besonders steht Lewis übrigens auf Vorspiele.

 

 

Leinen los!

Heute macht die Hafenkneipe die Leinen los. Die Abart- und Turbinenbräu-Mafia hat sich eine Lokalität im Hafen – pardon – Herzen von Zürich gekrallt, die vor Jahren schon mal so hiess. Gitarren sind Programm und vielleicht gibt es also auch bald in Zürich eine so dufte Indie-Disco, wie sie Herr pop b. sessen in Basel schmeisst. Der Andrang ist gross, das Eröffnungskonzert von Kill The Young ist ausverkauft.

Wie riecht Missy Elliott?

Wie Missy Elliott’s erster Auftritt in der Schweiz war, wissen wir nicht. Auch das heutige Zusatzkonzert werden wir verpassen. Doch dafür wissen wir, wie die Königin des HipHop riecht. Nach Duftkerzen der Marke Bond No 9. Die Kerzen des Parfumlabels aus NYC haben ihren Preis, über 70 Dollar kostet das Stück (naja, immerhin 60 Stunden Brennzeit…). Für einen wohlriechenden Backstagebereich konnten die Konzertveranstalter vom X-TRA allerdings nur fronsösische Cersen von Diptyque (40‚¬) auftreiben, an denen angeblich Madonna gerne schnuppert.

Blues ist Langeweile im 4/4-Takt.

Sagen manche. Man kann dagegen halten, dass jeder mal den Blues hat, was dieses Genre zu einer existentiellen Notwendigkeit macht. Meiner Meinung nach wurde der Blues erst durch seine Elektrifizierung in den 60ern zum Gähnen, als Weisse versuchten die schwarze Spielart durch Bluesrock nachzuahmen. Hört man sich Blueslegenden der ersten Generation an wird deutlich, dass dieser Musikstil durch grossartige Musiker geschaffen wurde. Wenige Jahre nachdem folgende Video-Aufnahmen gemacht wurden, nahmen diese drei Männer den Blues mit ins Grab: Skip James, Big Bill Broonzy und Mississippi John Hurt (Bild, l.)

Glitzerpferdchen vs. Presslufthammer

Heute haben die Sanierungsarbeiten an den Balkonen meiner Nachbarschaft begonnen und nach fünfjähriger Wartezeit ist ein neues Sparklehorse-Album erschienen. Presslufthammer und Zerbrechlichkeit – eine denkbar unfaire Begegnung. Zum Glück gibts Kopfhörer, doch leider kommen auch die nicht gegen vibrierendes Parkett und zitternde Wände an.

Während die Büezer rackern, versuche ich mich in das Werk eines Taugenichts zu versenken. Mark Linkous, das Mastermind hinter Sparklehorse, ist Träumer von Beruf. Er ersinnt dunkle Schönheiten, die in bizarren Märchen ihre Haare mit Blut waschen und erzählt mit kauziger Stimme Fabeln von dicken Spinnen, die im Sonnenlicht explodieren.

Man sollte nicht darauf hoffen, dass sich Mark Linkous während seiner fünfjährigen Absenz neu erfunden hat. Er bleibt auf „Dreamt For Lightyears In The Belly Of A Mountain“ (EMI) der alte Märchenonkel und schmiert uns mit schönen Geschichten und wimmernden Gitarren Honig um den Mund, um uns mit der Pointe das Messer ins Herz zu rammen. Wieder sind illustre Gäste mit an Bord. Waren es bei „It’s A Wonderful Live“ PJ HarveyNina Persson und Tom Waits, sind auf dem neuen Album neben Waits Danger Mouse und Steven Drodz von den Flaming Lips dabei.

Wer sich dadurch betrogen fühlt, dass für das neue Album alte Songs recycled wurden („Shade And Honey“ kennt der Raritätensammler bereits von den B-Seiten des letzten Albums) kann im Waschsalon nachlesen, weshalb faule Leute die intelligenteren Menschen sind. Und wer behauptet, er könne einen Song wie „Mountains“ mal schnell unter der Dusche schreiben, muss grössenwahnsinnig sein.

Dank den Rockern „Ghost In The Sky“ und „It’s Not So Hard“ können es Sparklehorse dann doch noch mit dem Baulärm aufnehmen, denn bekanntlich durchbricht keine andere Band verstörender ein Album voller Lullabies mit Stromgitarren. Deshalb geht das auch nie ganz auf, wenn man Sparklehorse zum Einschlafen hören will. Oder wenn Presslufthämmer Glitzerpferdchen zerstören wollen.

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Wer kennt eine Band aus Australien?

Na? Eher hätte man vermutlich den Namen des toten Krokodildompteurs parat, als den von Popdompteuren wie Sleepy Jackson. Doch da diese wirklich sehr sehr tolle australische One-Man-Band von der Weltwoche schon genügend gelobhudelt wurde, soll hier eine andere, nicht minder talentierte Band aus Down Under empfohlen werden. Augie March sind im Schleifen von Popjuwelen nämlich mindestens genauso begabt wie Sleepy Jackson. Ebsonso süss, aber eine Spur bitterer schmecken die Songs der Band aus Melbourne, was jedem Wilco– oder Okkervill River-Jünger recht sein sollte. Musik, die trotz oder gerade wegen ihrer Bodenständigkeit das gewisse Etwas hat.

Geständig und trocken

Prost!Obwohl „The Greatest“ das bislang selbstbewussteste und erfolgreichste Cat Power-Album geworden ist, ist Chan Marshall noch immer ein Sorgenkind. Wie sie kürzlich der New York Times gestand, begab sie sich diesen Sommer nach abgesagter Tour wegen Depressionen und Alkoholproblemen in psychiatrische Behandlung. Therapeutische Wirkung erhofft sie sich offenbar auch von neuen Songs. Marshall, die bekundet endlich trocken zu sein, hat ihr nächstes Album „Sun“ bereits eingespielt und zudem ist ein Nachfolger des „Cover’s Record“ in Planung. Cat Power spielt am am 7. November im Kaufleuten und – so munkelt man – im nächsten Wong Kar-Wai-Film. 

Was gibts Neues?

Dass Lisa Bassenge eine gute Stimme hat, wurde bereits auf Micatone-Tonträgern deutlich. Nun ist sie solo unterwegs, befreit von den immer etwas gar loungigen Grooves der Band und das dezent rootsige Singer-Songwriter-Kleid steht der Deutschen eigentlich ganz gut. Gut wie gewohnt auch Kid Koala. Wenn der kanadische Turntablist nicht gerade für die Gorillaz oder als Grundschullehrer arbeitet, macht er als Solo-Künstler Sample-Kunst, die mit flinken Fingern und viel Humor Klangquellen von Jazzplatten bis hin zu Monty Python manipuliert. Herzschmerz statt Humor bei den Devastations, die jedem zusagen sollten, den Low oder die Tindersticks ein ganz klein wenig glücklicher machen. Wer schon glücklich ist, findet vielleicht gefallen am Powerpop von New Found Glory oder den Barenaked Ladies. PowerROCK gibts hingegen von The Answer und Kasabian. Wer es lieber still hat, kann mit Donato Wharton Tropfsteinhöhlen besichtigen. Und Das beste zum Schluss: Die Lemonheads sind zurück. Darüber hier in bälde mehr.

Lisa Bassenge – A Little Loving (Minor Music/Musikvertrieb)

Kid Koala – Your Mom’s Favourite DJ (Ninja Tune/Musikvertrieb)

Devastations – Coal (Beggars Banquet/Musikvertrieb)

Barnaked Ladies – Barnaked Ladies Are We (Nettwerk/Musikvertrieb)

New Found Glory – Coming Home (Universal) 

Kasabian – Empire (Sony)

The Answer – Rise (PIAS/Musikvertrieb)

Donato Wharton – Body Isolations (City Center Offices/Namskeio) 

The Lemonheads – The Lemonheads (Universal)

Helmet – Monochrome (DRT/Musikvertrieb)

Ray Lamontagne – Trouble (Warner)

Gomez – Five Men In A Hut (Best Of & Rarities, EMI)

Pete Rock – Underground Classics (Compilation, Rapster/Namskeio)

Kandelbauer – Inside Out (Universal)

Zucchero – Fly (Universal)

Jamelia – Walk With Me (EMI)

 

Home taping didn’t kill music

Nietzsche lesen lohnt sich

1965 erblickte das erste aufnahmefähige Musikmedium das Licht der Welt. Als Katalysator sozialer Veränderung schmuggelte die Musikkassette Rock’n’Roll hinter den eisernen Vorhang und brachte Popmusik in Drittweltländer. Unter Namen wie BASF, TDK und Maxell war sie massgeblich an der Entstehung der Mixkultur beteiligt. Wegen ihr trat die Musikindustrie in den 80ern ihren ersten Feldzug gegen Raubkopierer an und warnte: „Home taping is killing music“. Statt sie umzubringen, hat das Magnetband die Musik in alle Winkel der Welt und Liebespaare zusammen gebracht. Wer auch so eine schicke Kassette will wie die nebenan klickt hier.

Schwermetall

Nach einer Metal-Jugend habe ich ein gespaltenes Verhältnis zur bösesten aller Musiken. Von blutigen Shirts und Rülpsgesang distanziere ich mich zwar seit über 10 Jahren (ja, es ist erschreckend, wenn sich die eigene Vergangenheit in Dekaden zu gliedern beginnt…) und doch wird mir noch heute warm ums Herz, wenn ich Klangfetzen von Gitarrenwänden und Double Bass Drums aufschnappe. Mastodon bringen mich mit „Blood Mountain“ (Warner) soweit, dass ich wieder Metal Shirts tragen möchte. Sie sind eine Macht. Brachial wie eine Dampfwalze und doch wendig wie ein GoKart. Exorzisten haben hier keine Chance.