78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Feingliedrig

Gewisse Geheimnisse muss man ausplaudern. Würde an dieser Stelle nichts über Cyann & Ben stehen, hiesse es irgendwann: Wieso hat man uns nie etwas davon gesagt? Hinter dem vermeintlichen Duo Cyann & Ben steckt ein Quartett aus Paris, das wunderbar schwelgerische und feingliedrige Musik macht. Musik für Romantiker gewiss, es geht hier schliesslich um Innerlichkeit.

Schuld an dem Bekanntheitsdefizit von Cyann & Ben im deutschsprachigen Raum dürfte einmal mehr der Rösti- bzw. Currywurst-Graben sein. Ähnlich erging es bereits ihren Landsmännern M83, mit denen sie mehr gemeinsam haben, als die Sprache – auch Cyann & Ben erschaffen mit ihrer Musik schwebende Zwischenwelten. Doch wo M83 vorwiegend synthetische Klänge fabrizieren, schaffen Cyann & Ben eine durchwegs organische Athmosphäre.

Am 11. September erscheint der dritte Longplayer von Cyann & Ben, „Sweet Beliefs“ (Ever/Namskeio). Es ist ein Album das sich Zeit für Spannungsbögen lässt, ohne je in die Postrock-Dynamik-Falle zu laufen. Die Stimmen von Cyann & Benn harmonieren, als wären sie Bruder und Schwester, während die Instrumente an einem wohlig warmen Plasma weben. Man ist sich einig wohin man will. Into the deep.

Skayonara

Es scheint, als wären die Geister der Skatalites aus ihren jamaikanischen Gräbern auferstanden und hätten sich ausgerechnet in Japan reinkarniert. Das Tokyo Ska Paradise Orchestra kann es nämlich spielend mit den Urvätern des Ska aufnehmen. Die jazzigen Grooves der Big Band changieren souverän zwischen Ska- und Reggae-Rhythmen und man muss schon zwei Holzbeine haben, wenn man da stillsteht. Seit 1989 bringen die zehn gutangezogenen Herren die Clubs zum Kochen. Am 6.9. hoffentlich das Salzhaus.

Schiffbruch als Chance

Das lose Kollektiv der Early Day Miners treibt schon eine geraume Weile sein Unwesen mit ausufernder Psychedelia. Auf „Offshore“ (Secretly Canadian/Irascible) haben sie sich selbst übertroffen. Bandleader Daniel Burton nennt das neue Album, das auf einem älteren Song der Early Day Miners basiert, ihren Director’s Cut. Ein Hinweis darauf, dass die Amerikaner Musik für die Grossleinwand machen. „Offshore“ zu hören heisst sich im Ocean Of Sound treiben zu lassen, ohne jemals Land zu sehen.

Billig! Doch Vorsicht – dies ist kein Sonderangebot

Billige Musik kann grossartig sein, wenn sie Fantasie und Humor hat. Beides vermisst man bei Lo-Fi-Fnk. Die Schweden machen auf ihrem Debut Boylife (TBA) so etwas wie LoFi-House, schlagen aber trotzdem Wellen bis in Indie-Gefilde, da sie vom hippen Label Moshi Moshi (u.a. Bloc Party) veröffentlicht werden. Bei mir stellen sich Assoziationen wie „Lady (Here me tonight)“ ein… ihr wisst schon… „cause my feeling is just so right“. Das geht zu weit. Ich bleib bei den Labelgenossen Hot Chip.

„Sweet madness here we go again“

Es waren vier lange Jahre ohne das Pony. Am 1.9. trabt es wieder an und schüttelt seine Mähne vor dir. Du brauchst nur aufzusteigen. „Mit dir sind wir vier“, sagen Koze, Cosmic und Erobique vom International Pony-Club. Reite mit ihnen durch Märchenländer, in denen der König Funk regiert. Galoppiere entlang von Flüssen warm und deep, nasche von süssen Melodie-Früchten und treffe Kreaturen, die Soul im Herzen tragen. Worauf wartest du? Spring auf!

Qual der Wahl

Ufff. Rund zwanzig Alben erscheinen diese Woche. Versuchen wir die Spreu vom Weizen zu trennen. Die CDs von Iron Maiden haben die meisten von euch wohl längst auf dem Flohmarkt verkauft und das neue Bob Dylan-Album ist sicher nicht sein bestes. Auch bei Beenie Man, Method Man und The Roots fragt man sich, ob sie den Zenit nicht bereits überschritten haben. Broadcast und Laurent Garnier recyclen altes Material – auch kein Muss also. Raul Paz und Mana kommen mir spanisch vor und Charlotte Gainsbourg flüstert noch immer wie Jane Birkin damals mit ihrem Vater. Bleiben noch acht Alben. Wer gerne in Klubs verkehrt, dem seien Lo-Fi-Fnk und Mekon empfohlen, Soulbrothers und Funksisters sollten es mit Amp Fiddler oder Omar versuchen und wer gerne schmust, kann das mit Nerina Pallot, Jesse Harris, Spencer oder The Dears tun.

Diese Woche neu:

Amp Fiddler – „Afro Strut“ (PIAS/Musikvertrieb)

Raul Paz – „En Casa“ (Naiv/Musikvertrieb)

Mekon – „Something Came Up“ (Wall Of Sound/Musikvertrieb)

Laurent Garnier – „Retrospective“ (PIAS/Musikvertrieb)

The Dears – „Gang Of Losers“ (Bella Union/TBA) 

Lo-Fi-Fnk – „Boylife“ (Moshi Moshi/TBA)

Spencer – „This World“ (recrec)

Broadcast – „The Future Canyon“ (Warp/Musikvertrieb)

Omar – „Sing (If You Want It)“ (Phonag)

Jesse Harris – „Mineral“ (Phonag)

Charlotte Gainsbourg – „5.55“ (Warner)

Nerina Pallot – „Fires“ (Warner) 

Mana – „Amar Es Combatir“ (Warner)

The Roots – „Game Theory“ (Def Jam/Universal)

Method Man – „4:21 The Day After“ (Universal)

Beenie Man – „Undisputed“ (EMI)

Iron Maiden – „A Matter Of Life And Death“ (EMI)

Bob Dylan – „Modern Times“ (Sony)

 

Selbst ist die Frau

Die Scheidung zwischen Dani Siciliano und Matthew Herbert sei eingereicht, liest man (verständlich, ist bestimmt ein seltsamer Kauz…). Nachdem Siciliano sich bereits mit ihrem Debut davon emanzipiert hatte lediglich Herberts Sängerin zu sein, erscheint am 4.9. „Slappers“ (K7/Namskeio, hier probehören), mit dem sie sich als Role Model der femininen Avantgarde etabliert.

„Slappers“ tönt anders als dein Debut. Ist das etwas, was du mit Herbert geimeinsam hast, dich nie zu wiederholen?

Sicher haben wir da eine ähnliche Einstellung. Es ist auch mein Ziel meinen Sound immer wieder aufs Neue zu suchen. Ich wollte, dass dieses Album direkter und mutiger wird, als das verträumte „Likes“.

Nervt es dich nicht, dass du immer mit Matthew Herbert in Verbindung gebracht wirst?

Das ist OK so. Unsere Biografien sind schliesslich eng miteinander verbunden und er hat auch an diesem Album mitgearbeitet. Aber ich denke auf meinen Solo-Alben bringe ich mich als Individuum zum Ausdruck und werde hoffentlich auch so wahrgenommen.

In den Texten setzt du dich mit den stereotypen Rollenbildern auseinander, die von vielen Performerinnen verkörpert werden. Wie wichtig sind Texte für dich? 

Sehr wichtig. Ich mag Popmusik, aber sie sagt meistens nichts aus oder eben sehr fragwürdige Dinge. Ich möchte meine eigenenen Aspekte präsentieren und keine austauschbaren Aussagen machen. 

„Slappers“ besteht vor allem aus seltsamen Perkussions-Sounds, es gibt kaum instrumentale Melodien. War diese Abstraktion für dich ein Weg Referenzen zu Jazz, Soul, Disco und Pop zu vermeiden?

Ich mag diese Stile und sie haben bestimmt grossen Einfluss auf meine Musik, aber ich will keinen Retro-Sound machen, sondern etwas Neues. Deshalb vermeide ich eindeutige Referenzen.

Wirst du als One-Woman-Band auf Tour gehen?

Obwohl ich Solo-Auftritte reizvoll finde, fühle mich noch nicht bereit alleine aufzutreten. Wir werden zu fünft sein. Es wird anders klingen als das Album – muss es auch, finde ich.

Blanchett als Dylan

Ich? Bob Dylan?Die Flut der Biopics nimmt kein Ende. Nach Ray Charles und Johnny Cash heisst es nun Bob Dylan goes Hollywood. Todd Haynes hat vor kurzem mit den Dreharbeiten zu „I’m Not There“ begonnen. Man darf Aussergewöhnliches erwarten. Sechs Schauspieler verkörpern Dylan in seinen verschiedenen Schaffensphasen. Neben Cate Blanchett, die ihre Wandlungsfähigkeit bereits in „Coffe & Cigarettes“ (Bild) mit einer Doppelrolle bewiesen hat, schlüpft auch Richard Gere (!) in die Rolle des Songwriters. Calexico wurden als The Band engagiert. 

Ain’t no Blues like the St. James Infirmary Blues

Als ich diesen Betty Boop-Zeichentrickfilm von 1933 an einer Kurzfilmnacht zum ersten Mal sah dachte ich in den ersten vier Minuten: Was für ein Animationswunder – und in den letzten drei: Was für ein Song. Viele dachten gleich: Armstrong, Joplin, Campbell, Lanegan und die White Stripes finden mit diesem traurigen Abgesang auf eine tote Braut ihren gemeinsamen Nenner. Der Schöpfer des „St. James Infirmary Blues“ ist unbekannt, der Songtext lässt sich jedoch zurückverfolgen bis 1899.

http://www.youtube.com/watch?v=8-arBMWSD9s

Farbtöne und Klangfarben

Clare Roja - Musik und Malerei leben von der Harmonie der (Farb-)Töne. Clare Rojas beherrscht die Harmonielehren beider Künste. Als Peggy Honeywell singt sie mit bergbachklarer Stimme zierliche Lullabies, unter ihrem bürgerlichen Namen Clare Rojas malt sie Bilder, deren Formen und Farben genauso schlicht sind, wie die Entwürfe ihrer Songs. Mit ihren Ausstellungen hat sie es leider noch nicht über den Atlantik geschafft, mit ihren zwei Alben hingegen schon, auch ohne navigierbare Homepage. Pflichtstoff für Kunst- und Banjo-Liebhaber.