78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

For promotional use only, not for sale

Das Medium, das während meiner Kindheit noch visionär anmutete, ist zu einem Dinosaurier geworden. Obwohl die Silberlinge ohnehin eine Fehlkonstruktion waren, werde ich bestimmt etwas wehmütig, wenn die CD in ein paar Jahren am 1. August 2007 endgültig ausstirbt. Ab dann werde ich nämlich keine Promo-CDs mehr in meinem Briefkasten vorfinden, weil die Musikindustrie ein „digitales Bemusterungstool“ einführt. Die Folgen sind katastrophal: Wir werden nie mehr ein Promo-CD-Dart- Wettschiessen veranstalten können, wie heute und morgen am B-Sides.

Tied & Tickled Trio: Fasziniert vom Futurismus

Ein Telefongespräch mit Andreas Gerth über die überraschend stillen Klänge des neuen Tied & Tickled Trio-Albums „Aelita“ (Morr/Namskeio).

Warum habt ihr auf „Aelita“ den Jazz ausgeblendet?

Das neue Album wurde gewissermassen aus der Not geboren. Man hatte uns für das letztjährige Hausmusik-Festival in München verpflichtet und Johannes Enders, unser Saxophonist, konnte nicht auftreten. Deshalb haben wir auf diesen Auftritt hin bewusst elektronische Musik geschrieben. Es war eine sehr spontane Sache, wir haben „Aelita“ in drei Tagen eingespielt.

Die Titel „Aelita“ und „Chlebnikov“ verweisen auf die russische Avantgarde. Inwiefern sind diese Referenzen Teil eines Konzepts?

Auch das war eher Zufall, als ein bewusstes Konzept. Ich las im letzten Jahr ein Buch über Chlebnikov und den russischen Futurismus und war fasziniert von dieser Bewegung und ihrem Niedergang. Dann kam Micha Acher mit dem traurigen Mellotron-Thema für „Aelita“ und irgendwie passte der Titel dieses Science Fiction-Stummfilms. Bei der ganzen Raumfahrtsthematik schwingt für mich immer etwas Trauriges, Verlorenes mit – ähnlich wie bei diesen Schallplatten an Bord der Voyager, die nie jemand hören wird. Diese Stimmung prägt auch „Aelita“.

Wie sieht die Rollenverteilung bei euch aus, kommt Micha mit einer Komposition und du setzt sie um?

Das ist meistens so, manchmal beginnen wir aber auch mit einer Spur von mir.

Für welche Musik begeisterst du dich zur Zeit?

Dubstep ist etwas vom Interessantesten, was mir in den letzten paar Jahren zu Ohren gekommen ist.

Wie steht es um die anderen Projekte aus eurem Umfeld? Was natürlich alle am meisten interessiert: Was weisst du über das neue Notwist-Album?

Da ich eine Familie habe, bleibt mir kaum mehr Zeit für mein Soloprojekt Loopspool. Micha und Markus sind fast fertig mit dem neuen Notwist-Album, aber sie nehmen sich halt sehr viel Zeit, der Erwartungsdruck ist ja auch unglaublich hoch. Deshalb ist das Tied & Tickled Trio für die Acher-Brüder ein guter Ausgleich. Bei uns läuft alles viel spontaner ab.

Die schlechtesten Covers aller Zeiten

Alle Covers von Westlife, zum Beispiel das hier

Alle Covers von Michael Bolton, zum Beispiel das hier

Céline Dion & Anastasia – „You Shook Me All Night Long“ (Original)

Avril Lavigne – „Chop Suey“ (Original)

The White Stripes – „Jolene“ (Original)

Limp Bizkit – „Behind Blue Eyes“ (Original)

The Mike Flowers Pop – „Wonderwall“ (Original)

Mötley Crüe – „Anarchy In The UK“ (Original)

Und warum hat Lou Reed eigentlich freiwillig sein eigenes „Perfect Day“ zu Grunde gerichtet?

Was gibts neues bei Fat Cat?

Das englische Label Fat Cat ist ein zuverlässiger Ohrenschmauslieferant, sofern man einen Musikgeschmack hat, der jenem von Marco Streller diametral entgegengesetzt ist. Über die Jahre hinweg hat sich die dicke Katze mit Bands wie Sigur Ros, Animal Collective und Mum zu einem Label gemausert, das trotz der ausgefallenen Kapriolen seiner Schützlinge immer wieder auf den Füssen landet. Eine subjektive Rangliste der aktuellsten Fat Cat-Releases:

1. Platz Mice Parade„Mice Parade“
Während man hier die fehlende Songstruktur des siebten Mice Parade-Albums moniert, machen für mich gerade die Irrungen und Wirrungen den Reiz dieser Platte aus. Da mir sämtliche Vorgänger unbekannt sind, höre ich dieses Album mit der Blauäugigkeit eines frisch Verliebten und kann nicht anders, als mit Wonne im leichtfüssigen Avant-Pop von Adam Pierce zu schwelgen. Die vielschichtigen Gitarren-Verfremdungen und -Überblendungen des New Yorkers sind trotz ihrer Dichte so bescheiden, wie seine Stimme. Orientierungslosigkeit fühlt sich hier für einmal ganz angenehm an.

2. Platz Nina Nastasia & Jim White„You Follow Me“
Steve Albini dürfte nicht unschuldig daran sein, dass die Kollaboration von Nina Nastasia und dem Dirty Three-Drummer Jim White trotz aller Experimentierfreude sehr aufgeräumt daherkommt. Die eruptiven Ausbrüche machen „You Follow Me“ zu einer kratzbürstigeren und risikofreudigeren Angelegenheit als Nastasias letztes Album. Was manche befremdet, überrascht mich positiv. Ausdrucksstark wirbelt, schleicht und stolpert Jim White um Nina Nastasia herum. So erreicht man mit wenigen Mitteln eine grösstmögliche Wirkung. Reduced to the max.

3. Platz The Twilight Sad„14 Autumns and 15 Winters“
Die Nachfrage nach Schottischen Rock-Epen ist ungebrochen und dass der Interpol-Produzent Peter Karis hier seine Finger im Spiel hatte, dürfte The Twilight Sad zusätzlichen Rückenwind verschaffen. Die Kritiken (1,2) überschlagen sich, mir erscheinen die Postrockismen von The Twilight Sad langfädig, der Gesang anstrengend. I don’t get it. You be the judge.

(Ausser Konkurrenz: „Weirdo Rippers“ von No Age:
sperriger Noisepop für Hartgesottene)

This is it, the Sommerhit: „We’re hooked, no doubt“

Wir sollten uns langsam auf einen Sommerhit einigen. Die Voraussetzungen dafür kennen wir alle.
Ein Sommerhit muss..

1. auch bei 2 Promille 100-prozentige Tanzbarkeit garantieren
2. über mehr Hooklines verfügen, als alle Mittelmeerfischer zusammen
3. möglichst sinnlose Worte in Endlosschlaufe wiederholen
4. eine Prise Exotik mitbringen, am besten feurige Latinrhythmen
5. nerven, bevor der Sommer überhaupt richtig begonnen hat

Ich plädiere für „Hold Nu Kay“ von JaConfetti, weil der Song alle Voraussetzungen erfüllt und TROTZDEM Klasse hat:

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=-L4FxBCZouQ[/flash]

Tied & Tickled Trio goes Science Fiction

Ähnlich wie das Cinematic Orchestra, wendet sich auch das Tied & Tickled Trio auf seinem neuen Album „Aelita“ (Morr/Namskeio) vom Jazz ab und stattdessen ruhigeren Klängen zu. Auch hier werden sich die Geister scheiden: Man kann die trudelnden Saxophone der Freejazz-Freakouts von „Observing System“ vermissen oder aber sich mit Aelita, der Marskönigin aus Tolstois gleichnamiger SciFi-Novelle, über die dubbige Schwerelosigkeit freuen – denn von Ereignislosigkeit ist diese weit entfernt, zuviele wunderbare Geräuschlein gibt es in diesen Hallräumen zu entdecken.

(Interview mit T&TT folgt demnächst)

obskuradio Vol. 15: Club Country

Weil Billy Mackenzie eine Ohren- und Augenweide war, heute ausnahmsweise obskuradioTELEVISION aus der youtube-Fundgrube. Obwohl The Associates zwei drei Chart-Erfolge hatten, wird Mackenzies Band kaum je genannt, wenn die 80er-Referenzenmaschine Joy Division, Talking Heads oder Scritti Politi ausspuckt – wahrscheinlich weil der Jim Carrey des New Wave von unvergleichlich schräger Genialität war. Billy Mackenzie kollaborierte mit Yellow, war ein Freund Morrisseys und nahm sich 1997 das Leben.

„Club Country“ @ Top Of The Pops (1982)
[flash]http://www.youtube.com/watch?v=7I7jfZxITaU[/flash]

Gratis Album-Download? Jaaaaa!

Im Gegensatz dazu ist hier Zuschlagen dringend empfohlen:

Am 25. Juni erscheint ein Album mit garantiertem WTF?-Effekt, die Anything-Goes-Rockoper „Spare Time Machine“ von Pepe Deluxe. Die einen oder andern kennen die finnischen Produzenten vielleicht noch von einem 98er Levis-Werbespot, wo ihr „Woman In Blue“ als Soundtrack diente. Alle andern können sich mit Pepe Deluxes letztem Album schon mal auf den Wahnsinn des neuen Albums einstellen: „Beatitude“ steht hier zum Gratisdownload bereit. Willkommen auf der Sample-Achterbahn: Fasten your seatbelts!

Que Linda es „La Vida“!

Google sagt, dass über die Spanier Mus noch kein nicht-spanischer Text verfasst wurde. Das muss sich ändern, auch wenn es nur 78 Wörter sind. Mus können nämlich durchaus mit den im letzten Jahr mittelgross herausgekommenen El Perro Del Mar mithalten, wenn es um melancholisch- maritime Streicheleinheiten geht, Mus sind sogar noch flauschiger. Der Gesang auf „La Vida“ (namskeio) kommt in Spanisch dahergehaucht, die Instrumente sind vom Winde verweht. Sonnenuntergangsromantik mit schüchternem Kitschfaktor. Tagtraumpop für den Tag am Meer.

Grosses Kino

Mit etwas Verspätung hab ich endlich eine Platte angeschafft, die ich auf keinen Fall verpassen wollte. Und ich bereue es nicht, obwohl sich Cinematic Orchestra verändert haben, was bei einer Band die man mag ja nicht immer leicht verdaulich ist. Ist es aber in diesem Fall, denn Cinematic Orchestra halten noch immer, was ihr Name verspricht: Sie bleiben filmreif, atmosphärisch und episch.

Die Engländer um Jason Swinscoe waren seit jeher Grenzgänger, die nie so recht in die Schublade des NuJazz passen wollten. Mit „Ma Fleur“ (Ninja Tune/Musikvertrieb) wird auch klar, warum: Swinscoes Kompositionen sind zu gross für jede Schublade.

Mittlerweile ist die Musik des Cinematic Orchestra von einer sehr stillen Grösse. Die 11 Songs sind überraschenderweise fast schon folkig ausgefallen. An Stelle der Saxophone und Drumbreaks von „Every Day“ treten auf „Ma Fleur“ Akustikgitarren und Klavier. Geblieben sind die cineastischen Streicher und die für das Orchestra typische Klangwärme. Aus Orchesterjazz ist Kammermusik geworden.

Cinematic Orchestra gelingt es, das Understatement ihrer (imaginären) Soundtracks in stimmlastigere Songs zu überführen und dabei trotzdem noch Raum für den Film im Kopf zu lassen. Gerade die drei Stimmen sind es auch, die dieses Album zu einer so einzigartigen Sache machen: Wie schon auf „Every Day“ ist die Soul-Legende Fontella Bass mit dabei, deren Stimme sich wunderbar mit den Organen von Lou Rhodes (Lamb) und dem kanadischen Songwriter Patrick Watson ergänzt.

Einige Beatheads werden vielleicht enttäuscht sein, meine Erwartungen sind nicht nur erfüllt, sondern übertroffen worden. Hier anhören. Film ab.