78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Gender Studies

Jungs fühlen sich im Plattenladen wohl, Mädchen auf der Tanzfläche. Typen gründen Bands, Musikerinnen starten eine Solokarriere. Frauen begnügen sich mit dem Hören von Musik, das missionarische Schreiben darüber überlassen sie den Männern. Mädchen schmachten und kreischen, Jungs pogen und moshen.

Soweit die Klischees, die nicht allzu stark von statistisch nachweisbaren Tatsachen abweichen dürften. Doch wie immer, wenn es um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geht, ist nicht alles ganz so eindeutig wie die primären Geschlechtsmerkmale. Denn seit sich die Rollenbilder vor vierzig Jahren aufzuweichen begonnen haben, ist das Geschlecht von Pop oftmals ein uneindeutiges: Männliche Popikonen experimentieren mit Eyeliner, weibliche Stars geben sich maskulin. Peaches und Juliette Lewis beweisen, dass Frauen Rock mit Eiern machen können und Tokio Hotel, dass Jungs keine haben müssen, um bei den Mädchen anzukommen.

Cock-Rock und Sexismus im HipHop hin oder her – im Pop waren oft gerade jene Role Models federführend, die Gegenpositionen zum Chauvinismus und zur femininen Zartheit vermittelten: Janis Joplin trat ohne Schminke auf, Patti Smith in Männerkleidern, Grace Jones als Killermaschine mit Bürstenschnitt und die Rrriot Girls machten in Hosen Rock mit explizit feministischer Attitude. David Bowie wurde als androgyner Dandy zum Superstar, Prince führte dieses Rollenspiel weiter, Marc Almond von Soft Cell bekannte sich als einer der ersten Musiker zu seiner Homosexualität und in den 90ern störte es schliesslich auch Queen Mom nicht mehr, dass Elton John schwul ist, während Marylin Manson als Monster bereits gänzlich ohne menschliche Geschlechtsmerkmale auskam.

Obwohl inzwischen alle Rollen durchgespielt sind und unsere Gesellschaft ein gutes Stück toleranter geworden ist, bleibt Queerpop und das Spiel mit dem Gender nach wie vor beliebt – man denke an die angemalten Schnurrbärte und die männlichen Kopfstimmen im Antifolk. Abseits der Bühne bleibt die Rollenverteilung jedoch trotz vermeintlicher Gleichberechtigung die alte: Frauen gebären, Männer morden.

Auf in die Radiohölle

Wie so viele arbeite ich in einem Büro. Und wie in den meisten Büros steht dort ein Radio. Und wie bei allen Radios, die in Schweizer Büros rumstehen, geht immer die gleiche Scheisse über den Äther. DRS 3 würde mir immerhin alle paar Stunden einen Hoffnungsschimmer bescheren, aber meine Mitarbeiterin besteht auf Energy. So mach ich mich also wiedermal auf den Weg in die Radiohölle, wo Juanes, Shakira und all die anderen NervenOhrensägen schon auf mich warten. Würg.

Simon Taylor (The Klaxons):

„Wir ahnten, dass wir unser eigenes Genre definieren mussten. Uns war klar, dass wir die Avantgarde einer Bewegung, und sei es einer behaupteten, sein mussten – und nicht deren Nachzügler. Wir analysierten die Situation und stellten fest: Alles war schon einmal recycled worden – die Siebziger, die Achziger, aber an die Neunziger hatte sich noch niemand herangetraut. Also wählten wir Rave als Bezugspunkt und nannten unser neues Genre New Rave. Man könnte es auch als Rip-Off bezeicnen, was wir tun.“ (Quelle: Spex #307)

Bat For Lashes: Kitsch ist Programm

Natasha Khan reitet auf ihrem Schimmel durch die Vollmondnacht, ihre Tränen machen aus Bächen Glitzerflüsse, sie trifft auf Magier, Elfen – und den ganzen Fantasykram eben.

bats-for-lashes.jpg
Den einen wird sich hier vor lauter Einhörnern und Zauberstäben der Magen umdrehen, andere werden sich den Träumereien des letztjährigen Debuts von Bat For Lashes „Fur And Gold“ mit Wonne hingeben. Die Assoziationskette ToriAmosBjörkCatPowerBroadcastCocoRosie wird ausgelöst, das Album ihr allerdings nur streckenweise gerecht. Eindeutiges Highlight: die neue Single „Prescilla“ (Video), die auch als Kuschelrockklassiker von Kate Bush durchgehen könnte.

Welche Band wird Weltmeister?

Im Gegensatz zur lausigen Stimmbeteiligung bei der Basler Förderband-Ausscheidung, nehmen beim grössten Online-Band-Battle tausende von Stimmbürgern ihre demokratischen Pflichten vorbildlich wahr. Allerdings gehts bei Band Madness auch um Superstars und das zieht ja immer. Im Turnier-Tableau treffen 512 Musiker aufeinander, letztes Jahr machten die Nine Inch Nails das Rennen.

Die ersten Überraschungen der diesjährigen Ausgabe: Willie Nelson schlägt TV On The Radio und die Barenaked Ladies Portishead. Heute wurde die Urne für Tableau C geöffnet. Wilco oder Slayer?

Ist Baby Cakes der neue Homer Simpson?

Baby Cakes stellt sich am besten gleich selbst vor.

Ersonnen hat ihn die kranke Phantasie von Brad Neely, der bereits die Crease Comics-Serie auf dem Gewissen hat. Seit kurzem macht Neely Animationsfilme Comics in Videoform. Zu empfehlen sind z.B. seine Musikvideos über Amerikanische Präsidenten, wie der Smash-Hit „History Lesson Nr. I“, in dem die legendären Professor Brothers das wahre Leben/Wesen von JFK enthüllen. Und eben: Baby Cakes. Kann den mal jemand gross rausbringen, bitte? Er hat durchaus das Zeug zum Popstar.

obskuradio Vol.3: Der Hund von Baskerville

Heute für einmal obskuradiotelevision. Cindy und Bert, dem einen oder anderen vielleicht als das Vorzeige-Schlagerpaar der 70er bekannt, haben – so unglaublich das jetzt auch klingen mag – ein Cover des Black Sabbath-Songs „Paranoid“ eingespielt. Dass sie den Urmetalsong mit einem deutschen Text versehen haben, der auf eine Sherlock Holmes-Geschichte zurückgeht, macht die Sache umso unglaublicher. Fasten your Seatbelts für Schlager on the rocks und Stromgitarreneasylistening a gogo. Ladies and gents, we proudly present: *Trommelwirbel* „Der Hund von Baskerville“!

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=JOAzuqngOYo[/flash]

The Beatles… were just a band.

„Led Zeppelin – just a band. The Beach Boys – just a band. The Sex Pistols – just a band. The Clash – just a band. Minor Threat – just a band. The Cure – just a band. The Smiths – just a band. Nirvana – just a band. The Pixies – just a band. Oasis – just a band. Radiohead – just a band. Bloc Party – just a band. The Arctic Monkeys – just a band. The Next Big Thing – just a band.“

Popmusik für Leute, die Pop hassen

Andrew Bird ist ein seltener und auch ein etwas seltsamer Vogel. Er wurde von seinen Eltern durch die Suzuki-Methode schon als Kleinkind zum Geigenspiel gezwungen gebracht und entschied sich trotzdem aus freien Stücken als Violinist zu promovieren. Statt zum Stargeiger zu werden, wählte er glücklicherweise den Weg des Songwriters und legt nun mit „Armchair Apocrypha“ (VÖ 20.3. Fargo/Irascible) sein zehntes Album vor, das ihn wohl endgültig als einen der besten seiner Zunft etablieren dürfte.

War der Amerikaner mit seiner Band Bowl Of Fire noch ausschliesslich mit der Geige und dem rekonstruieren von Roots Music beschäftigt, fand Andrew Bird vor einigen Jahren als Solokünstler zum Gitarrenspiel und zu einer freieren Klangsprache. Mittlerweile haben seine anfänglich noch ziemlich reduzierten Songs eine so opulente Form angenommen, dass man glauben könnte, Birds Ziel sei es, Popmusik für Leute zu machen, die Pop hassen.

„Heretics“
[audio:http://www.nialler9.com/blog/media/Andrew-Bird_-_heretics.mp3]

„Armchair Apocrypha“ bringt alle Eigenschaften eines guten Popalbums mit: kompakte Eingängigkeit, leichtfüssiges Timing, gefühlvolle Melodieführung und Abwechslungsreichtum innerhalb eines homogenen Gefüges. Und doch kann man nicht von Ohrwürmern sprechen, denn statt penetranten Hooklines dominieren Arrangements, deren Halbwertszeit herkömmliche Popmusik überlebt. Das Album erinnert wenn überhaupt an jemanden, dann vielleicht noch am ehesten an Eels oder Grandaddy, weil die Musik des Multiinstrumentalisten aus Illinois ebenso kauzig, raffiniert und doch sehr zugänglich ist. Oder an Thom Yorke, weil Andrew Bird seine Worte ebenso verschleiert. Statt Katzengejammer anzustimmen, pfeift der seltsame Vogel Bird dann aber doch lieber seine fast schon heiteren Melodien.

Arien für alle

Für einmal ein Urheberrechtsstreit, der sich nicht um youtube-Videos dreht: Eine der letzten Hochburgen der Hochkultur, das Zürcher Seifenopernhaus, droht mit rechtlichen Schritten gegen das Kollektiv Bitnik, weil die selbsternannte Mediengruppe für ihre Installation „Opera Calling“ im Opernhaus Abhöreinheiten angebracht hat, die Arien ins Cabaret Voltaire und von dort aus wiederum via zufallsgenerierte Telefonanrufe in x-beliebige Haushalte übertragen. Hoffentlich kann diese Aktion etwas an der blendendweissen Fassade des konservativen Dekandenztempels kratzen, der 85% des Zürcher Kulturförderungsbudgets verschlingt.