78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Panic! At The Dead Mobile Disco Ensemble

Die inflationäre Verwendung von „Disco“ in Bandnamen hält an. Dead Disco aus Leeds haben gerade mal zwei Singles draussen, gehören der raren Spezies Girlband an und sind zur Zeit im Studio, um mit Blondie-Klangästhetik und Kunstschulklamotten den Hype dingfest zu machen. Produzieren tut James Ford der bereits überhippen Simian Mobile Disco. Die Hitqualitäten ihrer zweiten Single sind offensichtlich, „Automatic“ paart die Nöligkeit von Kylie Minogue mit der Zackigkeit von Franz Ferdinand und propellert ziemlich sexy Richtung Tanzfläche:

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=FtyTRVK4SIY&eurl=http%3A%2F%2Fvideos%2Eantville%2Eorg%2Fstories%2F1609267%2F[/flash]

Phil Anselmo (Ex-Pantera) wird Boxerhymnenkomponist

„Nothing against the Chili Peppers but ‚Can’t Stop‘ takes away from the intensity and credibility of Wladimir Klitschko’s dominance. Klitschkos best entrance song I’ve heard was the second Byrd fight – the Ukrainian anthem which I think is beautiful. I would put in symphony drums. I’ve already got an idea. What I have to offer would pump the crowd up and it would pump up Klitschko. I’m more than capable of writing the ultimate Klitschko song entrance. Or the ultimate boxer song entrance.“

Was lange währt, wird endlich Gut

Gudrun Gut ist vieles: Musikerin, DJane, Produzentin, Radiomacherin, Installationskünstlerin und Labelchefin von Monika Enterprise. Und Gudrun Gut war vieles: Sie war Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten und als Frontfrau von Malaria, Mania D und Matador tastete sie sich von Postpunk über New Wave allmählich hin zur elektronischen Klangproduktion. Als eine von wenigen kann sie von sich behaupten vor und nach dem Mauerfall in der Berliner Szene aktiv gewesen zu sein.

Erstaunlicherweise veröffentlicht diese umtriebige Legende des Berliner Underground erst nach gut 25 Jahren Schaffenszeit ihr erstes Solo-Album. Dass sie die Zeit dafür gefunden hat, verdanken wir der Fussball-WM, deren Ausnahmezustände Gudrun Gut eine Auszeit von ihren Aktivitäten ermöglichten, um sich in ein weiteres Projekt zu stürzen.

Wer aufgrund des schillernden biografischen Hintergrunds von Gudrun Gut ein ekklektizistisches Album erwartet, das drei Dekaden zusammenfasst, wird enttäuscht. „I Put A Record On“ (Monika Enterprise/recrec) ist von entwaffnender Schlichtheit. Es ist ein kontemplatives Stück Minimalismus geworden, dessen Sogwirkung sich sowohl auf Tanzflächen als auch auf Liegewiesen entfaltet. Trotz dunkler Klangfarben strahlen die hypnotisch pulsierenden Songs eine wohlige Wärme aus. Mit grosser Lässigkeit entwirft Gudrun Gut eine Musik, die so modern klingt, dass man an eine Zukunft der elektronischen Musik glauben möchte.

Als Bonus bietet die CD eine Videoinstallation, die in Zusammenarbeit mit Pipilotti Rist entstanden ist. Auf dem Netz ist das Video leider nirgends verfügbar und mein Computer weigert sich natürlich mal wieder es abzuspielen. Nerv! Doch dass Gudrun Gut „Rock Bottom Riser“ von Smog covert kann ich ja eigentlich nur toll finden.

„Rock Bottom Riser“
[audio:http://www.fluxblog.net/gudrungut_rockbottomriser.mp3]

Lesetipp zu Gudrun Guts Jugendjahren:
Jürgen Teipels Doku-Roman über die Berliner Szene der 80er „Verschwende Deine Jugend“

Washington: Konkurrenz für Midlake

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Washington
haben mit ihrem Debut vor drei Jahren das fast jenseits des Polarkreises gelegene norwegische Städtchen Tromsö auf die musikalische Landkarte gebracht. „A New Order Rising“ ist mir nie zu Ohren gekommen, doch man sagt, es sei ein tolles Album gewesen, was ich gerne glaube, denn der Nachfolger „Astral Sky“ (Glitterhouse/recrec) zeigt eine Band, die ihr Handwerk versteht. Perlende Melodien, schimmernde Harmonien. Das kann man pathetisch oder einfach nur schön finden. Nicht ganz, aber fast so hymnisch wie Midlake.

Washington – Landslide
[audio:http://www.glitterhouse.com/img/downloads/02%20Landslide.mp3]

obskuradio Vol.6: Pop Corn

Jeder kennt Pop Corn vom Kino. Aber auch aus dem Radio. Geschrieben hat den Evergreen Gherson Kinsley anno 1969. Hot Butter schafften es mit „Pop Corn“ zwei Jahre später als erste vollelektronische Band in die amerikanischen Charts. Wie der Vater des Stücks in diesem Interview behauptet, sollen rund 500 Coverversionen von „Pop Corn“ existieren. Das One- Hit-Wonder Anarchic System versah den Instrumentalklassiker 1972 mit Vocals und schaffte es immerhin auf Platz 13 der deutschen Charts:

[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2007/04/anarchic-system-pop-corn_pcm.mp3]

Dear Bill

Vieles hat sich verändert, seit ich dich vor fast zehn Jahren kennengelernt habe. Beziehungen gingen den Bach runter, die Dotcom-Blase ist geplatzt, die Twin Towers sind eingestürzt, Raucherabteile wurden abgeschafft, Elliot Smith hat sich umgebracht, aber du bist immer noch da. Auf dich war stets Verlass. Wenn ich glaubte zu ertrinken, warfst du mir einen Rettungsring in Form einer Platte zu. So bist du für mich über die Jahre zu einem Fixstern am Songwriter-Himmel geworden, zu einem unsichtbaren Freund, zum „Rock Bottom Riser“.

Es scheint dir gut zu gehen. Auf „Woke On A Whaleheart“ klingst du unbeschwerter als früher. Liegt das an Joanna? Was läuft da eigentlich genau zwischen euch? Ihr tretet zusammen auf, sie macht ständig Fotos von dir… Ist sie das „Honeymoon Child“, das du auf deinem neuen Album besingst? Die Zeilen „You bring out the soft side in everyone / We gather like ravens on a rusty scythe / Just to watch such a little dove“ lassen es vermuten – aber eindeutig sind deine Texte ja nie. Selbst nach jahrelangem Hören lassen sich deiner hinterlistigen Poesie noch neue Lesarten abgewinnen. Gäbe es einen Pulitzer-Preis für Songwriter, du hättest ihn schon längst gewonnen.

Warum hast du dein Psedonym abgelegt? Wolltest du nach 11 Smog-Platten einen Neuanfang machen? Paradox eigentlich, dass du jetzt, wo du unter deinem bürgerlichen Namen aufnimmst, Produktion und Coverdesign in fremde Hände gibst. Viel scheint sich trotzdem nicht verändert zu haben. Da ist gewiss mehr sonniger Country als auch schon, doch du hast dich ja bereits mit „Supper“ und „A River Ain’t Too Much To Love“ allmählich vom verregneten LoFi-Lamento verabschiedet. Im Kern bist du der Alte geblieben, ein nüchterner Träumer, der seine Sehnsüchte mit knochentrockener Ironie zerschlägt.

Du bist eine der wenigen Konstanten in einem verworrenen Zeitalter, Bill. Einmal mehr hast du dein bislang bestes Album aufgenommen. Wäre die Welt gerecht, würde es „Diamond Dancer“ an die Spitze der Charts schaffen.

Take care. Keep on.

(„Woke On A Whaleheart“ von Bill Callahan erscheint am 18.4. bei Drag City/recrec)

Wenn wir schon bei langbeinigem Synthiepop sind…

Gleich noch was, das in die selbe Kerbe haut, wie Client: Fiji aus Bern. Gerade in der Schweiz erfreut sich Synthiepop mit Glamfaktor ja nach wie vor grosser Beliebtheit, vielleicht weil wir Schweizer gerne mit grosstädtischem Chic daherkommen, wenn wir schon keine richtig grossen Städte haben. Natürlich trügt der hippe Schein: Tagsüber ist die Femme fatale am Mikrofon von Fiji Übersetzerin im Bundeshaus. „Le Loup“ (recrec), der Zweitling des Trios, bietet frankophone Elektro-Chansons zum Mithüpfen – mal wow, mal mau.

Live: 11.4. Kaufleuten / 11.5. M4Music / 21.7. Gurten

Client: Stewardessen in Netzstrümpfen

Den unlängst zum Trio angewachsenen Client ist ihre Imagebildung ebenso wichtig, wie die Musik. Über zwei Alben hinweg haben sich die Engländerinnen mit ihren Uniformen, die sie mit dem unterkühlten Charme von British Airways-Stewardessen tragen, ebenso distanziert wie aufreizend gegeben. „You can look but you can’t touch“, singen Client folgerichtig auf ihrem neuen Album „Heartland“ (Phonag). Client halten an ihrem glasklaren Klanggewand fest und uns ihre Stilettos zum Ablecken hin. 80s-Electropop mag passé sein, totzukriegen ist er nicht.

Live: 20.4. Kaserne / 21.4. Fri-son / 11.6. Boa

???

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(inspired by)

Schleppend

Das achte Album von Low ist stiller als sein Vorgänger ausgefallen. Auf „Guns & Drums“ (Sub Pop/Irascible) findet sich demütiger Minimalismus, an dem das einzig Deutliche die duettierenden Stimmen sind. Alles andere (Orgeln, Gitarrenfeedback, Drumcomputer und dezente Perkussion) schwankt, wabert, ist vom Winde verweht. Trotz seinem versöhnlichen Ende und einigen ironischen Textzeilen ist das Album mitten im Frühlingsvogelgezwitscher gewiss keine leichte Kost. Dennoch sei auch Atheisten ohne Selbstkasteiungsgelüste empfohlen, sich die alten Hasen des Mormonen-Schlepprock am 22.5. im Salzhaus anzusehen.