78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

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Leech: Die Post Rock-Offenbarung

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Leech, die Schweizer Post Rock-Institution, kehrt nach einer siebenjährigen Albumpause mit dem vierten Longplayer zurück. Und die Aargauer tun dies in gewohnter Manier: The Stolen View glänzt mit ausufernden Klangteppichen, Steigerungläufen, melodischen Ejakulationen, treibenden Rhythmen und das alles genre-gerecht in repetitiver Manier. Konzessionsloser Post Rock wie er sein sollte, angereichert mit einem leichten und sehr gewinnbringenden Schuss Synthesizer-Aroma, in Person von Tobias Schläfli, der auf dieses Album hin neu zur Band hinzustiess.

Ein Albumkauf ist natürlich Pflicht, aber noch viel dringlicher legen wir euch ein Konzertbesuch nahe, denn Leech live, das ist die Offenbarung schlechthin.

78s präsentiert als Weltpremiere „Insprial“ aus dem neuen Leech-Album:
Leech – Insprial
[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2007/10/04inspiral.mp3]

> Plattentaufe: 26. Oktober, Kiff, Aarau (weitere Tourdaten)

Neue Neubauten

Ich war nie ein Neubautenhörer. Alles, was ich mir unter den Berlinern vorstellen konnte, war Blixa Bargelds überlanger Scheitel und eine Band, die vor Urzeiten unweit der Mauer sowas wie die Endzeitfassung von Stomp intonierte. Presslufthammer, Bohrer und Kreissäge die Instrumente; destruktiv, nihilistisch und masochistisch die Haltung, die ich hinter dem krachversprechenden Bandnamen vermutete. Dass sie in den 90ern im Theater und schliesslich im Pop angekommen sind, weiss ich ebenfalls nur vom Hörensagen.

Nun haben wir uns doch noch gefunden und ich nenne meine erste Einstürzende Neubauten-CD mein eigen. Sie heisst „Alles wieder offen“ und enthält mehr Musik als Lärm. Die industrielle Klangästhetik ist höchstens als fernes Echo vernehmbar. Perkussion und Bass prägen den organischen Sound, in den Höhen schweben Ambientwolken und Streicherschwärme. Obwohl „Alles wieder offen“ ein eher ruhiges Album geworden ist, ist es kein bequemes Album. Es weist Brüche auf, obwohl es harmonisch wirkt. Es scheint entspannt und steht doch unter latenter Spannung. Die lärmige Lava, die unter den getragenen Klängen brodelt, bricht nur manchmal für Momente aus. Bargelds Texte tun ihr übriges, dass man auf diesem Album nie festen Boden unter die Füsse bekommt. Seine Worte kommen mal poetisch, mal dadaistisch, mal politisch, mal theologisch und immer ambivalent daher.

200 Studiotage stecken angeblich in „Alles wieder offen“. Leisten konnten sich dies die Neubauten wohl nur, weil sie von ihren Fans subventioniert werden. Seit die Neubauten sich 2002 von ihrem Label getrennt haben, lassen sie sich von ihren sogenannten „Supportern“ einen fixen Betrag (CD 35‚¬/CD+DVD 65‚¬) vorschiessen und bieten ihnen als Gegenleistung Deluxe-Packaging, exklusive Downloads und Webcasts aus dem Studio. Hypothekarkredit auf einstürzende Neubauten, eine Alternative zum mit Risikokapital finanzierten Radiohead-Modell (das bereits erste Nachahmer findet)? Noch ist alles offen…

Die lange Arbeit an „Alles wieder offen“ hat sich gelohnt. Es ist ein rundes Album mit vielen Facetten geworden, das mir das Gefühl gibt, mit den Neubauten etwas wichtiges verpasst zu haben.

>>> Albumstream

So klingen The Verve im Jahre 2007

Zurück: The VerveDrüben bei dem Magazin, das sich noch immer für das wichtigste der Welt hält, gibt es neues von The Verve. Der NME bietet exklusiv einen 14-minütige Ausschnitt der ersten Aufnahmen für das neue Verve-Album zum Download an (in 320kbps-Qualität, rein technisch also doppelt so gut wie das neue Radiohead-Material). Und wie klingen The Verve bei ihrem Comeback im Jahre 2007? Verträumter, epischer, relaxter als man sie zu Zeiten von Cool Britannia kannte.

7 Dänen für ein Halleluja

Dúné

Diese Band wollte ich schon längst einmal vorstellen: Dúné aus Skive, Dänemark. Der flotte 7er ist irgendwo im erweiterten Dunstkreis von Interpol, Editors, Mew und Muse anzusiedeln. Letztere haben sie als Vorband für ihr Konzert in Kopenhagen ausgesucht. Insgesamt sind Dúné allerdings weniger melodisch als die genannten Referenzen, dafür grooviger, elektronischer. Ein Ohr voll sind sie auf jeden Fall wert.

PS: Für Bloodlines haben sie ordentlich bei Bloc Party geklaut.

Dave Gahan 2.0

Als Dave Gahan sein erstes Solo-Album „Paper Monsters“ veröffentlichte, wurde das Web 1.0 gerade aus dem Spital entlassen und auch Gahan hatte nach krisengeschüttelten Jahren im Drogensumpf wieder Fuss gefasst. Vier Jahre später ist der Depeche Mode-Frontmann ebenso 2.0 wie das Netz. Auf das Erscheinen seines zweiten Albums „Hourglass“ (Musikvertrieb) machte Gahan aufmerksam, indem er auf youtube-Filmchen im Studio rumkasperte. Auch sonst hat sich einiges geändert: War „Paper Monsters“ ein Abnabelungsversuch von Depeche Mode Richtung Bluesrock, könnte man „Hourglass“ für das neue Depeche Mode Album halten. Ein missglücktes allerdings.

Es beginnt eigentlich ganz verheissungsvoll mit dem episch schleppenden „I Saw Something“, einem edlen, dunklen Song, dem leider nach vier Minuten von einem Gitarrensolo der Garaus gemacht wird. Darauf die träge stampfende Single „Kingdom“, gefolgt von „Deeper And Deeper“, auf dem Gahan wieder ganz der alte Sexgott mit der dunklen Sonnenbrille ist. Beide Songs zeigen exemplarisch, woran „Hourglass“ krankt: Die Stimme ist zwar gut wie eh und je, aber ohne Rückendeckung von Martin Gore sieht Gahan in seinem Pseudo-DM-Klanggewand über weite Strecken ziemlich alt aus. Es bleibt bei mittelprächtigen Referenzen an die eigene Band. Den Rocker „Use You“ hat Gahan’s Band in Form von „I Feel You“ schon überzeugender rübergebracht.

Das einzige grosse Highlight von „Hourglass“ ist „Endless“, eine darke Minimal-Elektro-Hymne, die deutlich macht, wie gut diesem Mann eine düstere Tanzplatte stehen würde und wie toll dieses Album hätte werden können, wenn sich Gahan stilistisch weiter vom Mutterschiff entfernt hätte. Andererseits liesse sich der Grossteil dieser Songs wohl auch durch die besten Remixe nicht retten.

Mp3 to go (für Kunststudis)

Lange keine gute englische Band mehr gehört? „Swearing is for Art Students“ heisst ein Song der britischen Combo Elle Milano und dieser beginnt mit der Zeile „I honestly don’t have a clue what to say“. Sehr schön. Schnodderig, zappelig und verdammt eingängig präsentiert sich die Band aus Brighton – irgendwo zwischen Test Icicles und Muse. Die Single „My Brother The Astronaut“ erscheint am 29. Oktober.

Elle Milano – My Brother, The Astronaut
[audio:http://obscuresound.com/mp3/emilano-myb.mp3]

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König Midas des Indie Rock

Spencer Krug ist der König Midas des Indie Rock. Alles was er anfasst, verwandelt sich in Gold. Der Mann schreibt Hit-Alben im Halbjahres-Rhythmus, sei es mit Wolf Parade, Frog Eyes, mit der Indie-Supergruppe Swan Lake oder mit dem Aufhänger dieses Artikels, mit Sunset Rubdown. Alles glitzert, alles glänzt.

Sein neuster Wurf Random Spirit Lover überzeugt mit episch-freaky Weird-Folk und Noise-Pop, mit massenhaft melodiösen Höhepunkten und dramatischen Steigerungsläufen. Krugs Gesang bleibt selbstredend Geschmackssache: heulender Derwisch ist dafür wohl die passende Bezeichnung, aber wer’s larmoyant-melancholisch mag, sollte damit nach Gewöhnungsphase keine Probleme haben. Musikalisch ist „Random Spirit Lover“ definitiv einer der Höhepunkte dieses Indie-Rock-Jahres.

> Live: 20. November, Rote Fabrik, Zürich

Sunset Rubdown – Upon Your Leopard
[audio:http://www.scjag.com/mp3/jag/uponyourleopard.mp3]
Sunset Rubdown – Winged/Wicked Things
[audio:http://www.scjag.com/mp3/jag/wingedwickedthings.mp3]
Sunset Rubdown – For The Pier and Dead Shimmering
[audio:http://www.ohmpark.com/promo/08%20For%20the%20Pier%20%28and%20Dead%20Shimmering%29.mp3]

Favez: Das Alter steht ihnen gut

Bigger Mountains Higher Flags (Gentlemen/Irascible) ist der siebte Streich der grössten Indie-Rock – Band der Schweiz. Verändert hat sich der „Steve-Mc-Queen-Mechaniker“ im Kontext seiner Entwicklung nicht gross. Klar, sie haben die Tasteninstrumente für sich entdeckt, sind von einem Quartett zu einem Sextett gewachsen, und ihr Sound hat sich dadurch subtil verändert, die Grundstimmung ist aber immer noch dieselbe.

Das Alter steht ihnen gut: FavezEines haben Favez aber gelernt: Sie können nun pompöse Rock-Songs schreiben, wissen aber handkehrum auch, wann sie vom Gaspedal gehen müssen. Bestes Beispiel hierfür sind „The Goodbye Song“, bei dem sie sehr schön zwischen ruhigen und lauten Parts abwechseln und „She Wakes Up Every Night“, bei dem sie vor zwei, drei Jahren wohl noch ein paar Zusatzschleifen eingeschaltet und kräftig durchgerockt hätten (for Punk-Rocks sake), nun aber zurecht zu einem frühen Ende finden. Zum Albumschluss hin zeigen „We Used to Fight a lot“ und „I Didn’t Come for Forgiveness“, dass sie erwachsen geworden sind.

Und das Alter steht ihnen verdammt gut. Auf den Vorgänger-Alben gab es schon vereinzelt Tendenzen hierzu, aber sie waren halt stets grosse Jungs mit lauten Gitarren (die sich erwachsen gebärden wollten), da ist das Gaspedal noch zu verlockend. Um das Ganze methaporisch auszudrücken: Auch auf der rechten Fahrspur kann man rocken, dafür muss man sich nicht immer auf der Überholspur vorwärts bewegen, denn da überhitzt auch ein Formel-1- Bolide auf kurz oder lang, und nicht mal der Mechaniker von Steve McQueen könnte noch Abhilfe schaffen.

Ob sie mit dieser Weiterentwicklung alte Fans verlieren werden, wie in Medienberichten (20min, Heute) nachzulesen war, darf bezweifelt werden. Denn der Wandel ist nicht gleichbedeutend mit einer musikalischen Neuausrichtung, sondern kommt eher einer Bewusstseinsänderung gleich.

Favez altern also mit Würde, und das ist für die grösste Indie-Band der Schweiz eine gute Nachricht.

The Killers: Lou Reed & Joy Division als letzer Strohhalm

Ich bin sicher nicht der einzige, der das Debüt-Album von The Killers ziemlich gut fand. Der Nachfolger war indes sehr schwach, um es beschönigend auszudrücken. Nun scheinen ihnen die Ideen vollends ausgegangen zu sein: Für ihr Album Sawdust – Rarities and B-Sides haben sie Lou Reed ins Studio genötigt und ein Cover von Joy Division als Alternativ-Angebot zu ihrem eigenen Gedöns. Jetzt werden also die alten Haudegen mobilisiert, um noch ein paar Dollars ins Trockene zu bringen. Lou Reed und The Killers? Was kommt als nächstes? Einziger Trost: Alles immer noch besser als eigene Killers-Songs. Aber das macht die „Leichenfledderei“ auch nicht wieder wett.
The Killers – Shadowplay
[audio:http://www.thesyn.com/college/music/the_killers/thekillers-shadowplay.mp3]
The Killers – Tranquilize (Feat. Lou Reed)

> Das Album Sawdust (B-Sides and Rarities) erscheint am 13. November

Albumcover des Jahres…

…ist dieses hier von Soulwax (und mit Platte meinen wir hier ausnahmsweise wirklich eine Platte, aus Vinyl). Die Musik ist natürlich nicht minder gut. „Most Of The Remixes“ ist gestern Freitag erschienen.

Soulwax