78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Italodisco aus New Jersey

Man könnte meinen Giorgio Moroder sei von seinem Altersruhesitz in Beverly Hills nach New Jersey aufgebrochen, um Johnny Jewel von Italians Do It Better Records Nachhilfeunterricht in Italodisco zu erteilen. Man könnte glauben die Südtiroler Produzentenlegende habe Jewel gezeigt, wie man diese gläserne Analog-Ästhetik hinbekommt, wie man mit Hall Atmosphäre schafft, wie die Vocoderstimmen am roboterigsten klingen, wie man mit den richtigen Melodien Wärme zwischen die eisigen Flächen bringt, wie die Synthies am elegantesten pluckern, wie der Bass gemächlich die Tanzfläche erobert und wie die Streicher unter der Discokugeln am schönsten glitzern – so authentisch analog klingt das alles.

Die Acts von Italians Do It Better lassen einem glauben, der Housebeat sei noch nicht erfunden. Man verzichtet auf die dicke Bassdrum, alles bleibt schwebend, träumerisch, melancholisch. Auch im Gesang steckt der verruchte Glamour der späten 70er und frühen 80er. Puppenhafte Frauenstimmen dominieren und mit den Sängerinnen von Italians Do It Better verhält es sich ähnlich, wie damals mit Debbie Harry: Sie sehen besser aus als sie singen. Aber irgendwie passen diese Puppenstimmen halt ausgezeichnet zur retrofuturistischen Klanglandschaft.

Eine Übersicht über die Bands von Italians Do It Better kann man sich gleich hier unten oder mit dem empfehlenswerten Labelsampler „After Dark“ verschaffen.

Chromatics „Hands In The Dark“
[audio:http://premium.fileden.com/premium/2007/7/12/1258957/DARK%20DAY(Demo).mp3]

Mirage „Lake Of Dreams“
[audio:http://sneakmove.com/audio/hotelutah/sneakmove-mirage-lakeofdreams.mp3]

Glass Candy „Rolling Down The Hills“
[audio:http://www.crackersunited.com/blog/downloads/glass-candy-rolling-down-the-hills.mp3]

Farah „Law Of Life“ (Remix)
[audio:http://www.tristanorchard.ca/versus/Farah%20-%20LAW%20OF%20LIFE%20(Remix).mp3]

Ist Shoegazer-Italodisco der neue New Rave?

Lee Hazlewood (1929-2007)

Beileidsbekundungen an: HeMovesAround@gmail.com

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=rXLw9IwDnqc[/flash]

Mädchen mit Gitarren

Als Songwriterin hat frau heute einen schweren Stand. Zuviele Sophie Zelmanis und KT Tunstalls hat die Welt schon gehört, als dass sie noch hinhören würde. Und doch ist das Mädchen-mit-Gitarre-Ding mit Feist und Co so erfolgreich wie eh und je – auch hierzulande: Heidi Happy hier, Heidi Happy da. Genannte Damen sind allesamt Freundinnen des Wohlklangs, daher auch ihre Breitenwirkung. Auch Cat Power avancierte erst mit „The Greatest“ zu Everybody’s Darling, einer Platte ohne die Abgründe der Vorgänger. Trotz aller Melancholie ein Sunny-Side-Up-Album, genauso wie „The Reminder“ von Feist oder Heidi Happys „Back Together“. Wer sich da weniger Gesülz und mehr Kratzbürstigkeit wünscht, muss sich bis zum neuen PJ Harvey-Album gedulden oder kann in der Zwischenzeit mit folgenden beiden Damen glücklich werden.

Auf der sonnenscheuen Seite des Songwritings bewegt sich Tiny Vipers mit ihrem Sub Pop-Debut „Hands Across The Void“ (Irascible). Wie ihre Landsfrauen Marissa Nadler und Jesse Sykes erschafft auch Jesy Fortino eine nocturnale Atmosphäre, die gefangennimmt, allerdings gelingt ihr dies mit sehr bescheidenen Mitteln. Ihr Dunkelfolk ist schlicht, schmucklos und sperrig. Mit Pop hat das wenig zu tun, auch darum, weil Jesy Fortino gerne enorm lange Songs schreibt, die plötzlich in Feedbackorgien umschlagen können.

„On This Side“
[audio:http://www.subpop.com/assets/audio/3407.mp3]

Verzerrte Überraschungsmomente hat auch Shannon Wright zu bieten. Wer sie einmal live gesehen hat, weiss: She’s got it. Talent, Fingerfertigkeit, Bühnenpräsenz. Besser kann ein Seelenstriptease nicht aussehen. Ihr aktuelles Album „Let In The Light“ (Irascible) verdeutlicht, dass Gitarre und Piano für sie mehr sind als Zierde – Shannon Wright ist Musikerin, nicht Chanteuse. Ihre Virtuosität hat ihr Kollaborationen mit Yann Tiersen, Calexico, Shellac und Low ermöglicht, trotzdem bleibt Shannon Wright nach wie vor ein Geheimtipp.

„Everybody’s Got Their Own Role To Play“
[audio:http://dukeofstraw.com/07/SW.mp3]

Morgen: Mädchen mit Synthiesizern

obskuradio Vol. 23: Karma Chameleon

Ich war nie ein grosser Fan von Boy George, denn ich konnte seine Songs nie hören, ohne dass vor meinem inneren Auge ein groteskes Makeup-Monster auftauchte. Trotzdem habe ich sein „Karma Chameleon“ nie gänzlich verachten können. Wie toll der Song tatsächlich ist, habe ich allerdings erst realisiert, als mir die Coverversion von Althea Ranks in die Hände fiel. Supercheaper 84er Casio-Reggae vom Feinsten. Nur schon diese Synthie- Steeldrum-Imitationen ganz am Anfang – einfach wunderbar.

Althea Ranks – „Karma Chameleon“

[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2007/08/althea-ranks-karma-chameleon_pcm.mp3]

Sophie Hunger in der Blogothèque

Man kann die Blogosphäre für ihre Kurzsichtigkeit und Kurzlebigkeit verspotten, doch die Blogothèque ist gekommen, um zu bleiben. Während herkömmliche youtube- Live-Videos die Magie der Musik unter Pixelhaufen begraben (damit sind jetzt NICHT die Förderband-Videos gemeint), geben die bewegten und bewegenden Bilder der „Concerts á Emporter“ der Musik ihren Zauber zurück. So auch beim Ständchen von Sophie Hunger und Band in den Bars und Strassen von Paris. Auch toll: Die Young Gods und so ziemlich alle der über 60 restlichen Folgen.

Nach dem Sommerloch…

…gibt’s neue Alben von:

Robert Wyatt, Okkervil River, Funny Van Dannen, Shantel, Ween, Sixtoo, Swayzak, Tunng, Iron And Wine, Animal Collective, Róisin Murphy, Modeselektor, Gravenhurst, Devastations, Stars, Múm, Caribou, Hrsta, Murcof, Jóhann Jóhannson, Skalander, Boy Omega und natürlich pünktlich und saisongerecht: The Autumns.

Spadoinkle! Dieser Herbst wird grossartig.

obskuradio vol.22: Mikhalis

„It is probably correct to say that the songs The Marcians play on this album compromise the major part of the current Greek Top Twenty. Many visitors to Greece this year will return humming these melodic tunes. If you are unable to take a holiday in that part of the world, add this record to your collection and savour to the full atmosphere of the Taverna and of a Greek holiday – expertly depicted by The Marcians.“ (Linernotes auf der LP „Holiday In Greece“ von The Marcians)

The Marcians – „Mikhalis“

[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2007/07/marcians-mikhalis_pcm.mp3]

The incredible nonsense instruments of Maywa Denki

Wer denkt in der Instrument-Entwicklung tue sich nicht mehr viel, kennt die Produkte der Tsukuba Series von Maywa Denki aus Tokyo nicht. In einem ehemaligen Lagerhaus entwickelt Chef-Ingenieur Nobumichi Tosa zusammen mit seinem Team unermüdlich absurde Instrumente und putziges Spielzeug. Die Firmenphilosophie von Maywa Denki lässt sich laut dem Erfindergenie Tosa auf ein Wort reduzieren: Nonsense.

Diese Produktdemonstration zeigt eindrücklich, wie verstörend innovativ die Produkte der japanischen Kunstfabrik sind. Doku-Videos über Maywa Denki gibt’s hier, da und dort.

Funk 2.0

Seit einem Jahr herrscht bei Funkstörung Funkstille. Nachdem die Rosenheimer Produzenten Michael Fakesch und Chris De Luca zehn Jahre lang mit intelligenter Tanzmusik, Remixes für Björk und Wu Tang Clan und mit Sammlerstücken für Aufsehen gesorgt haben, gehen die Beiden nun getrennte Wege: Chris De Luca hat mit Carsten Aermes von Phon.O zusammengespannt, Michael Fakesch veröffentlicht diese Woche mit „Dos“ (VÖ: 27.7.,!K7/namskeio) sein erstes Album seit dem Split von Funkstörung.

Wer den Futurefunk von Jamie Lidells „Multiply“ funky fand, der kommt um „Dos“ nicht herum: Auch hier werden Prince und Stevie Wonder auseinandergenommen und als Funkroboter neu zusammengeschraubt, auch hier wird Soul durch den Samplewolf gedreht, auch hier gibt’s Ecken und Kanten statt geschliffenen R&B. Das klingt etwas hyperaktiver und elektrolastiger wie bei Jamie Lidell, aber ebenso gut.

Der Jamie Lidell-Vergleich drängt sich nicht zuletzt durch die Whiteboysoulstimme von Taprikk Sweezee auf (rechts im Bild), die auch ein wenig an Raz Ohara erinnert. Wie zwischen diesem und Apparat stimmt auch zwischen Fakesch und Sweezee die Chemie: Kein Ton zuviel, kein Groove zu wenig.

„Dos“ rumpelt und humpelt, poltert und stolpert, fleept und bleept, dass es eine Freude ist. Kein Zweifel, dieser Funk hat eine Störung – und funktioniert trotzdem prächtig.

Michael Fakesch – „Complicated“

[audio:http://boxstr.com/files/4427/04-michael_fakesch-complicated-nvs.mp3]

Bitte nicht schon wieder ein Sommerhit

Ich weiss es nervt langsam, dieses ewige Brimborium um den Sommerhit. Nach folgenden Zeilen wird das Thema endgültig ad acta gelegt, versprochen.

Die NZZ am Sonntag glaubt den Sommerhit in „Just A Summerbreeze“ von der Zürcher Songwriterin Lea Lu gefunden zu haben. Es ist kein Sommerhit dieser Sorte, eher einer dieser. Die 22-Jährige hat ihr Live-Debut vor einer Woche in der Badi Enge gegeben und da passt diese harmlos-naive Sonnenschirmchen-im-Longdrink-Musik auch hin. Bababaduadubabaduaaa.