78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Alle 1294 Artikel von Ralph Hofbauer

Evel Knievel vs. Evil Kaynevel

Wer kennt ihn nicht, den tragischen Superhelden aus Fleisch und Blut, Evel Knievel. Der Mann, der nach einem seiner waghalsigen Motorrad-Sprünge einen Monat lang im Koma lag, darauf aber unverdrossen den Plan schmiedete über den Grand Canyon zu springen – und abstürzte. Der Mann, der sich insgesamt 35 Knochen brach und trotzdem nie aufgab. Auch nicht, als er sich bei einem Sprung über 13 Busse im Wembleystadion einen Beckenbruch zugzog. Erst nachdem er sich beim Versuch über ein Haifischbecken zu springen beide Arme gebrochen hatte, wurde es allmählich still um den König der Lüfte.
Nun macht die von Hollywood und den Simpsons verewigte Stunt-Ikone der 70er wieder von sich reden: Knievel rückt Kayne West auf die Pelle, weil dieser seinen Canyon-Crash im Video zu „Touch The Sky“ verbraten hat. „That video is the worst piece of crap I’ve ever seen in my life.“, so der 68-Jährige. Der nach einem Leben voller Bruchlandungen verständlicherweise verbitterte Knievel wirft West vor, er benutze seinen Namen nur um bekannt zu werden. Als wäre der das nicht schon längst. Dabei verkennt Knievel in seinem Gram die vielen Gemeinsamkeiten mit Kayne. Beide haben den amerikanischen Traum wahrgemacht – Evel in weiss, Kayne in schwarz. Und beide Schicksale haben einen tragisch-komischen Nachgeschmack. Oder ist das etwa nicht Pamela Anderson an Kayne Wests Seite? Am Freitag sehen sich die beiden vor Gericht. Sollte Evel Knievel sich einmal mehr überschätzt haben, bleibt ihm eine letzte Genugtuung: seinem Sohn Robbie gelang der Sprung über den Grand Canyon.

The Dark Side Of Christmas. Geschenke gibt’s trotzdem.

Obwohl viele ihre Zwiebeln nach wie vor mit Skärpt-Messern schneiden, entdecken immer mehr Haushalte den jüngsten schwedischen Exportschlager The Knife für Küchenarbeiten und Tanzvergnügen. Obschon es bei The Knife eigentlich eher um gotische Selbstkasteiung als um puren Hedonismus und Freude am Kochen geht. Anstelle von Küchenmessern kommen Skalpelle zum Einsatz. Abgründe werden aufgeschlitzt.

Wer etwas für die dunkle Seite elektronischer Musik übrig hat, kam spätestens in diesem Jahr nicht mehr um die beiden Stockholmer Geschwister und ihr Album „Silent Shout“ (TBA) herum. In das Innere dieses düsteren Brockens führen schweflige Schächte, von denen eiskalte Beats tropfen. Im Kern lodert ein Feuer, entfacht von seltsam mutierten Wesen, deren Laute aus der Ferne an menschliche Stimmen erinnern.

„Silent Shout“ hat es zwar aus bisher ungeklärten Gründen nicht in die 78s-Adventskalender-Bestenliste geschafft, in Schweden wurden The Knife jedoch unlängst gleich für sechs Grammys nominiert – in den frei übersetzten Kategorien bestä Produzenter, Komponister, Grupp, Artister, Album & DVD. Auf der nominierten DVD „Silent Shout – An Audio Visual Experience“, die am 17. Februar erscheint, sind neben einem Kurzfilm und Live-Aufnahmen alle Videoclips von The Knife versammelt. Wie ungewöhnlich diese Band auch in der visuellen Umsetzung ihrer Musik ist, zeigt ihr neuster Clip.

Das beste zum Schluss: Weil ihr alle so arty artig wart, schenken euch The Knife den Gratis-Download „Christmas Reindeer“ zu Weihnachten – öffnen dürft ihr das Geschenk schon heute. Ein ganz schön abgefuckter Weihnachtssong. Eigentlich machen Rentiere doch viel harmlosere Musik.

Konkurrenz für MySpace

Trotz der unübersichtlichen Patchworkoberfläche und dem nervigen Player konnte sich MySpace innert kürzester Zeit als Standardportal für Musik etablieren. Auch wenn diese Website Augen und Geduld auf die Probe stellt, die Idee dahinter – die Vernetzung von Bands und Fans – ist gut. Nun fordern die ersten Nachahmer MySpace mit ansprechenderen Benutzeroberflächen heraus:

Reverbnation bietet genrespezifische Suche, einen praktischen Player und das Reverbnation-Radio.

Pure Volume setzt vor allem auf Indierockhörer und punktet mit schickem Design und einer netten Neuheitenübersicht.

Erwachsen?

Die vielleicht beste Rockabilly-Band der Schweiz Welt ist zurück. Aufgrund der Adult-Pop-Pianoakkorde mit denen „All Grown Up“ (recrec) beginnt, könnte man meinen Hillbilly Moon Explosion seien tatsächlich erwachsen geworden. Natürlich nicht, schliesslich verleiht Rock’n’Roll ewige Jugend – und dem fröhnen HME noch immer, auch wenn sie etwas reifer und vielseitiger geworden sind. Ohne je in den Strudel des schlechten Geschmacks zu geraten, wird hier im Retro-Kitsch des Golden Age Of Pop gebadet. Stilsicher und doch abwechslungsreich. 

Goldkehlchen

Wie soll man die werte Leserschaft von einer weiteren Singersongwriterin überzeugen? Ich könnte Namen wie Cat Power oder CocoRosie droppen und behaupten, dass die Kalifornierin Alela Diane den Weltschmerz ebenso tiefschürfend artikuliert. Ich könnte von Nick Drake-Gitarren erzählen, die wie Tränen an Alelas Stimme hinunterrinnen. Ich könnte häusliche Tätigkeiten wie Stricken oder Häkeln als Metaphern für die Sorgfalt bemühen, mit der hier Folkfäden gewoben werden. Ich könnte den Einsatz eines Kinderchors erwähnen. Ich könnte den Minimalismus von Piano und Lapsteel begrüssen. Ich könnte in der Repetition einzelner Phrasen Blueswurzeln entdecken. Ich könnte die Dringlichkeit und den Ausdrucksreichtum ihrer Stimme hervorheben. Ich könnte behaupten auf „The Pirates Gospel“ befinde sich Musik, mit der sich Piraten ebenso wie Priester identifizieren können.

The Pirates GospelNichts von all dem würde Alela Diane gerecht.
Wahr ist einzig und allein diese Stimme:

„Can You Blame The Sky?“

[audio:http://www.ravensingstheblues.com/mp3/Can_You_Blame_the_Sky.mp3]

The Rifle“ (Amateur Live-Video – die Zoomfunktion entdeckt der Kameramann leider etwas spät)

Nigel Godrich: Der John Peel des TV?

Nigel Godrich, „sechstes Mitglied“ von Radiohead und Producer von Beck, Air, Pavement, U2 und R.E.M., hat für nächstes Jahr eine eigene TV-Show auf BBC mit Live-Auftritten seiner Schützlinge angekündigt. Folge 1 ist abgedreht und nun ist der ziemlich unspektakuläre Trailer von „In The Basement“ erschienen: Je 20 Sekunden White Stripes, Thom Yorke und 4Tet. Beck und Jamie Lidell haben sich für Folge 2 angemeldet. Statt von Peel-Sessions, wird in Zukunft wohl von Godrich-Sessions die Rede sein.

Praxistest eines Online-Übersetzungsdienstes

„Wie ein Mann spazieren gehend, der wie ein Hammer Schlägt, eine jugendliche Masche war Nie ein Kneifer Geschmackvoll wie ein Regentropfen bekam Shes den Blick Himmlischer bestimmter Ursache-Himmel bekam eine Zahl, Wenn das Drehen von mir um das Küssen ist eine Farbe Ihr Lieben, ein wilder Hund ist, bekam Shes den Blick Was in der Welt ein braunäugiges Mädchen blau kann werden lassen, Wenn alles Schlecht jemals tut, tun Sie Schlecht für Sie, Und ich gehe: Lalalalala Shes bekam das Blick-Feuer im Eisnackten.“ (Als ich diesen Song mit acht gut fand, hab ich auch nicht mehr verstanden.)

Hypnotisch und deep wie damals Massive Attack

Es gibt Bandnamen, die sollte man nicht ohne präzisierende Attribute googeln. Various zum Beispiel. So gesichtslos wie der Name ist die Band selbst: Ihr Debut „The World Is Gone“ (XL/MuVe) wurde zwar so ziemlich überall ausser in der Schweiz zum Geheimtipp, doch die beiden Mittzwanziger dahinter blieben Phantome. Ein Phantombild für die Musik der Londoner konnte immerhin erstellt werden: Dubstep-Folk. Vor 10 Jahren hätte man diese Mischung aus urbanem Gewummer und elysischen Idyllen TripHop genannt. Wer den vermisst, wird Various lieben.

[flash] http://www.youtube.com/watch?v=slwWG5ckU9g [/flash]

Shitlist

Creed, Nickelback, Blink 182, Limp Bizkit, Bristina Shakilera, Céline Dion, Sarah Connor, Phil Collins, Bryan Adams, Eros Ramazotti, Meat Loaf, Modern Talking, Wham, Manowar China (stellvertretend für alle schlechten Metalbands), Gotthard, Tokyo Hotel, Liza Li, DJ Bobo (stellvertretend für alle Eurodance-Verbrechen), Milli Vanilli, James Blunt, Diana Krall, Andreas Vollenweider, Mike Oldfield, Village People, Europe, Evanescence, Lordi, Yngwie Malmsteen (stellvertretend für alle Frickel-Gitarreros), Darkness, Scissor Sisters, Bee Gees, UB40, Sido, Las Ketchup (stellvertretend für alle Sommerhits), Alanis Morisette, Savage Garden.

Jemanden vergessen?

(Übrigens: wer schon immer mal ein Klokostüm wollte, kann sich diesen Wunsch hier erfüllen)

File under: Horizonterweiterung

Rumba On The RiverWorld Music ist ja so ein Nasenrümpfwort – gerne stellen sich Assoziationen wie chilenische Panflötenspieler oder ekstatisch zu Getrommel tanzende Sextouristinnen ein. Andererseits haben sich exotische Klänge erfolgreich in die westliche Musiklandschaft integriert: Sitarklänge finden sich auf jedem Chillout-Sampler, der Buena Vista Social Club-Soundtrack steht mit grosser Selbstverständlichkeit im Wohnzimmer von manchem Pophörer und gegenwärtig adaptieren Indiebands wie Beirut und DeVotchKa mit Erfolg Balkanklänge, während Partyreihen wie Bucovina Club oder Russendisko den Osten in hiesige Klubs bringen.

One Day On Radio MaliNeben östlicher Musik sind es vor allem afrikanische Klänge, die – spätestens seit der Mali-Blues zum Protegé westlicher Prominenz wurde – ihren Weg in die westlichen Medien gefunden haben. Manu Chao hat Amadou & Mariam zu Weltstars gemacht, dank Ry Cooder weiss die Welt von Ali Farka Touré und Jim Jarmush hat mit dem Soundtrack zu „Broken Flowers“ Mulatu Astatke zu spätem Ruhm verholfen. Die Compilationserie African Pearls kommt also zum richtigen Zeitpunkt. Jede Ausgabe rollt mit einer Doppel-CD die Musikgeschichte eines afrikanischen Landes auf, soeben ist mit „One Day On Radio Mali“ (recrec) Teil 3 erschienen.

Cultural RevolutionBesonders interessant ist Teil 2 mit dem Fokus auf Guinea. „Cultural Revolution“ dokumentiert die musikalische Experimentierfreude, die den Übergang zur Unabhängigkeit Guineas begleitete. Ähnlich wie die Musiker aus Mali scheinen auch die Guineaner lieber im Schatten zu verweilen, als in der Sonne zu schwitzen. Insbesondere die psychedelischen Instrumental-Jams überraschen durch ihre Nähe zu westlichen Spielarten wie Jazz, Funk oder Krautrock. Der für afrikanische Produktionen typisch erdige Sound trägt sein übriges dazu bei, dass dank African Pearls aus vergessenen Songs schimmernde Perlen werden. Anhören und kaufen.