Sufjan Stevens: Jenseits des Regenbogens
Von Ralph Hofbauer | 12. Oktober 2010 | 7 Kommentare
Sufjan Stevens veröffentlicht erstmals seit fünf Jahren wieder ein reguläres Studioalbum. Der Wizard of Oz hätte seine wahre Freude an „The Age Of Adz“.
Musikjournalisten sind mit Musik bekanntlich schnell mal überfordert. Erst recht, wenn sie von Sufjan Stevens stammt. So schreibt man eben zum tausendsten Mal, dass Stevens dereinst angekündigt hat über jeden US-Bundesstaat ein Album zu machen, dieses Vorhaben dann aber doch irgendwann aufgegeben hat. Dass vorab eine EP erschienen ist, die ganz anders tönt. Und dass sich der Ausnahmesongwriter mit seinem neuen Album einmal mehr selbst übertrifft.
„The Age Of Adz“ (Asthmatic Kitty) erntet die obligaten Lobeshymnen, die sich aus dem längst verinnerlichten Vokabular ganz automatisch generieren: Genie, Neo-Folk-Ikone, Multiinstrumentalist, Workaholic, Konzeptkünstler. Zudem fällt diesmal der Name Royal Robertson, denn das Album wurde vom 1997 verstorbenen Maler und selbsternannten Propheten inspiriert, der sich seiner Lebtag auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn bewegt hat.
Leicht schizophren klingt dieses Album denn auch: Zauberflöten treffen auf elektronische Beats, Waldhörner auf Synthesizer und Wah-Wah-Gitarren auf Autotune-Ironie. Mit Hilfe eines vielköpfigen Orchesters und einem stimmgewaltigen Chor lässt Stevens seiner grenzenlosen Fantasie freien Lauf bis nach dem abschliessenden 25-minütigen „Impossible Soul“ jedes erdenkliche Instrument erklungen und jede auf der Skala verzeichnete Note gespielt worden ist. Sprachlos schaut man zurück auf ein kaleidoskopisches Musical, an dem der Wizard of Oz wohl seine wahre Freude hätte.
Es scheint als hätte Sufjan Stevens das Land, das Judy Garland in „Somewhere Over The Rainbow“ besungen hat, ausfindig gemacht. Ihm dorthin zu folgen fällt allerdings nicht leicht. So unglaublich dieses Album stellenweise auch klingen mag – manche dieser 75 Minuten sind zu viel des Guten. Die Kritikerzunft pariert die geniale Reizüberflutung selbstverständlich mit dem Verdikt Meisterwerk, auch wenn die Ambitionen diesmal grösser sind als die Songs.
7 Reaktionen
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17:20 Uhr, 12.10.2010, Link
Was ist denn das für ein prätentiöses Gewäsch? Erstmal grundsätzlich alle halbwegs informativen Buzzwords verteufeln, den Rest der Zunft bashen und dann was von wegen Alice Im Wunderland erzählen?
Ganz großer Musikjournalismus,not. Man muss ja nicht gleich den Label-Waschzettel abschreiben, aber ein wenig näher am Album darfs schon sein. Da wird man nicht gleich zum Sell-Out,lieber Herr Hofbauer, keine Angst.
17:38 Uhr, 12.10.2010, Link
Das IST zweifellos (neben Junips Fields) das beste Album des Jahres. Seit Kid A hat es niemand mehr geschafft elektronisches und akustisches derat gut zu vermischen. Ausserdem hat er ganz nebenbei dem Vocoder seine musikalische Daseinsberechtigung zurückgegeben. So weit sind die Songs von ihrer Struktur her (von Impossible Soul mal abgesehen) gar nicht von seinen ‚Staaten-Alben‘ entfernt….der einzige Unterschied sind die elektronischen Elemente, was mich bei anderen Bands und Künstlern stören würde (Editors-Syndrom) passt hier komischerweise irgendwie….
17:45 Uhr, 12.10.2010, Link
liebes honey-bunny,
1. schliesse ich mich im ersten satz selbst mit ein (was dein urteil ja bestätigt)
2. habe ich mich beim schreiben dieser rezension bei denselben floskeln ertappt
3. ist alice im wunderland nicht gleich wizard of oz
20:30 Uhr, 12.10.2010, Link
@Julian
„Seit Kid A hat es niemand mehr geschafft elektronisches und akustisches derat gut zu vermischen“. Sagt dir „Neon Golden“ was?
09:55 Uhr, 13.10.2010, Link
Wie komm ich denn auf Alice im Wunderland??Vlt eigene Assoziationen…komisch.
10:47 Uhr, 13.10.2010, Link
Das man mit diesem Werk überfordert ist – auch als Musikjournalist – verstehe ich ja absolut: Trotzdem hätte dieses Album etwas mehr Auseinandersetzung verdient als der Autor hier zu leisten gewillt ist.