Gurtenfestival: Ein Sonntag in drei Akten
Von Sabrina Stallone | 18. Juli 2011 | 6 Kommentare
Was so ein sonntäglicher Ausflug auf den Berner Hausberg mit sich bringt? Ganz viel Regen, die einzig wahren Anwärter auf den Rock’n’Roll-Posen-Preis der Neuzeit und – god bless! – The National.
Die Gummistiefel wurden zu Tagesbeginn vor die grosse Bühne in den Schlamm gestampft und nur für Kaffeepausen spazieren geführt, um enttäuscht zu merken, dass die anderen beiden Szenarien am letzten Tag des Gurtenfestivals nicht besonders viel zu bieten hatten: Angus & Julia Stone wirkten lächerlich mit ihrem lauwarmen Hippiegelaber, während man sich neben dem Zelt vor Kälte die Zähne wegschlotterte. Und dort, wo die Waldbühne mit Dead Bunny und Das Pferd ihre Lichtblicke erlebt hatte, war jetzt nur eine verregnete Schlucht.
Gekonnt eroberten The National die Hauptbühne am frühen Nachmittag. Die Bühne, die an den vorhergehenden Tagen bei sonnigem Wetter und vor ekstatischem Publikum gestandenen Openairgrössen wie Beatsteaks, Kasabian und dem trotz Leistenbruch anwesenden Jay Kay von Jamiroquai gehört hatte.
Reeto von Gunten kümmerte sich um die Ankündigung: „Auf dieser Bühne spielen Musiker, die Bier trinken und welche, die Rotwein trinken. Diese Band gehört definitiv zur zweiten Sorte“ – und tatsächlich: Matt Berninger steht stolz mit seinem Rotweinglas inmitten der Hauptbühne, wie der Kapitän am Bug seines Schiffes. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, denn ein stürmischer Regen begleitete das gesamte Konzert der fünf Männer aus Ohio. Das Publikum wurde mit jedem von Berningers kratzigen Schreien tiefer in seine Katerstimme getaucht, sodass man ihm zum Schluss, als er auf Technik und mögliches Feedback pfeifte und mitsamt Mikrofon durch die Menge lief, nur etwas berauscht auf die Schulter klopfen konnte.
Für den darauffolgenden Act muss man weniger Worte aufbringen: Oasis-Posen, Oasis-Riffs, unverständliche Oasis-Ausrufe. Gähn. Liam Gallagher mit seinen Beady Eye betrat die Bühne mit der Spielfreude und Dynamik von der Blaskapelle an Grossmutters Beerdigung.
Was das Songwriting betrifft, dürfte Liam kurz darauf am Bühnenrand grün vor Neid geworden sein, als die enfants prodige von Arctic Monkeys das Schlusslicht bildeten. Die jungen Engländer gaben sich souverän – während den Songs. Alles dazwischen waren technische Malheurs und das Gebrabbel eines Antitainers namens Alex Turner, der sich lieber in Rockerposen als in der Unterhaltung des Publikums übte.
Dennoch brannte zu den schüchternen Abendsonnenstrahlen noch einmal die müde Menge auf, als die Jungs um den begnadeten Songwriter Turner ihre Gassenhauer und das Material ihres neuen, vierten Werks „Suck It And See“ (Soundcloud) zum Besten gaben. Die darin enthaltenen, simplen Indierocksongs erinnerten an den mit dem Erstling „Whatever People Say I Am…“ gelandeten Coup und begleiteten die zufriedenen Festivalbesucher während dem Abstieg vom good, old Gurten.
Bild: www.konzertbilder.ch / Thomas Reufer & Christian Herzig
6 Reaktionen
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18:02 Uhr, 18.7.2011, Link
The National waren berauschend! Mein Konzert des Jahres.
18:15 Uhr, 18.7.2011, Link
Absolut top was The National boten! war fast zu vorderst und die songs haben mich voll reingezogen, was nicht zuletzt auch wegen diesem genial passenden hudelwetter war! liam war boring und die monkeys konnten keine richtige Stimmung generieren, da die Pausen zwischen den Songs länger waren als die Songs selber.. Ein Act, der aber hier noch nicht erwähnt wurde war der Aloe Blacc – der war ja auch sensationell!! Genialer Sänger, Rapper und Tänzer in einem und der hat die Menge mitgerissen wie sonst kaum jemand (ausser R.Randolph) auf der Zeltbühne -> Black Music 4tw!
21:07 Uhr, 18.7.2011, Link
The National hatten wetterbedingt unglaubliches Glück. Um 2 Uhr Nachmittags bei strahlender Sonne hätten die niemals diese Stimmung heraufbeschwören können. der Musik-Wettergott zeigte Herz. Vom Kalten Wind und Regen umpeitscht hatten THE NATIONAL die perfekte Untermalung zu ihrer Musik. Bester Auftritt des Festivals!
08:17 Uhr, 19.7.2011, Link
wie war gustav zum frühstück?
09:48 Uhr, 21.7.2011, Link
Und Katzenjammer? Schade, dass die alljährlich fantastischen letzten Konzerte auf der Zeltbühne selten beachtet werden. Dieses Jahr war es auf alle Fälle eines der stärksten Konzerte des Festivals.
10:50 Uhr, 14.10.2011, Link
„Spielfreude und Dynamik von der Blaskapelle an Grossmutters Beerdigung“ :-)
Im „Bund“ stand gestern zum 20 Minuten-Konzert von Beady Eye in ZH: „Beady Eye sind wie der zeternde Trinker an der Bar, der seine Misere mit Wut verwechselt“