Kristof Schreuf und die Freude am Zitat
Von Nina Wyss | 4. Mai 2010 | 0 Kommentare
Zitieren, Covern oder Samplen ist momentan ja total angesagt. Und so kommt es, dass Kristof Schreuf, Gründungsvater der Hamburger Schule, mit seinem Solo-Debüt einmal mehr den Nerv der Zeit trifft.
Ende der Achtziger legt Kristof Schreuf mit der Band Kolossale Jugend den Grundstein dafür, was später zur Hamburger Schule werden sollte. Als Frontmann der Band Brüllen bringt er 1997 auf dem Album „Schatzitude“ seine Befindlichkeiten zu Protokoll, woraufhin er in einem Blumfeld-Song Erwähnung findet. Mit der Strophe „Anders als glücklich / hat Kristof Schreuf gesagt“ wird er zitiert und Blumfeld bleibt nicht die einzige Band der Szene, die in ihrem Songwriting eine Vorliebe fürs referentielle Name-Dropping hegt. Das Zitat gehört – nicht nur in Hamburg – zum guten Ton. Und das soll sich auch mit Schreufs erstem Solo-Album nicht ändern.
Lange Zeit ist es ruhig gewesen um Kristof Schreuf. Brüllen haben die Klappe gehalten, die angekündigte Veröffentlichung eines Romandebüts lässt (nach wie vor) auf sich warten. „In den letzten 13 Jahren habe ich bewiesen, dass ich einiges nicht kann„, meint der Hamburger und lässt ein neues Album als Entschuldigung gelten. Mitte April veröffentlicht er sein Solo-Debüt und der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können.
„Bourgeois With Guitar“ ist auf Buback Tonträger erschienen und hebt die grassierende „Freude am Zitat“ musikalisch auf eine neue Stufe: Das Album basiert mehrheitlich auf Fremdkompositionen, doch gibt sich Schreuf mit dem blossen Covern einzelner Songs nicht zufrieden. Der 47-Jährige entkleidet Klassiker aus Rock und Disco, zieht ihnen die Texte über die Ohren und strippt sie runter bis auf die Melodie. Den nackten Tonfolgen zwingt er fremde Texte auf und verhilft ihnen in neuem Gewand zu neuer Bedeutung.
So verleiht die Melodie von „Scarbourough Fair“ den aufwieglerischen Lyrics von The Who’s „My Generation“ eine fast schon resignative Haltung, „Why don’t you all fade away“ – einst rotziger Ausruf – wird aus dem Munde Schreufs zur eindringlichen Bitte. Im neu arrangierten „Search & Destroy“ musste das Punkrock-Riff einem flüchtigen Gitarrenlauf von The Doors‘ „The End“ weichen und Schreufs Interpretation lässt keine Zweifel offen, dass es Iggy Pop in seinem Song schon immer allein um die Liebe, ihr Entstehen und ihre zerstörerischen Konsequenzen ging.
Mit ruhiger Hand de- und rekonstruiert Schreuf auf seinem Debüt Songs wie „Highway To Hell“, „I Feel Love“ oder „Last Night A DJ Saved My Life“. Das Titelstück der Platte, „Bourgeois With Guitar“, stammt aus Schreufs eigener Feder und lässt vermuten, dass er nach wie vor auch mit eigenen Kompositionen von sich hören lassen wird.
Kristof Schreuf – Bourgeois With Guitar
[audio:http://shop.hanseplatte.com/downloads/KristofSchreuf-BourgeoisWithGuitar.mp3]Kolossale Jugend – Kinderlied
[audio:http://www.kolossalejugend.com/kinderlied.mp3]78s wird seit Juni 2015 nicht mehr redaktionell betreut. Die Kommentarfunktion ist deswegen deaktiviert.