Wer braucht schon einen roten Faden?
Von Ralph Hofbauer | 25. Mai 2008 | 2 Kommentare
Plattenkritiken ziehen gerne das Fazit „viele tolle Ideen, doch der rote Faden fehlt“. Warum eigentlich? Schliesslich ist nichts schöner, als mit Islands den Faden immer und immer wieder zu verlieren.
„Creeper“ und „The Arm“ haben es angekündigt: Islands haben nach wie vor mehr Ideen, als einem Song eigentlich zuträglich wären. Wie schon das Debut ist auch das zweite Album des Sextetts aus Montreal prallvoll mit schrägen Einfällen, die auf allen möglichen und unmöglichen Instrumenten umgesetzt werden. Beim Schnabulieren im Klangschlaraffenland von „Arm’s Way“ fragt man sich einige Male, ob das noch der gleiche Song ist wie eben noch oder schon ein neuer.
Da man Islands mit rationalen Denkmustern kaum beikommen kann, ist es schwierig zu sagen, ob „Arm’s Way“ nun besser oder schlechter als das einhellig gepriesene ’06er-Debut ist. Pitchfork hatte „Return To The Sea“ mit 8.4 von 10 Punkten abgefeiert und gibt „Arm’s Way“ nun gerade mal 6.2 Punkte. Aber eben: Ein Tor, wer die zügellose Kreativität von Islands auf einer Richterskala einfangen will.
Ich sehe jedenfalls wenig Anlass, den Zweitling von Islands weniger zu mögen als ihr wunderbares Debut. Islands machen nach wie vor sprichwörtlich fantastische Musik, die in keine Schublade passt. Obwohl die elektropoppige Vorab-Single „Creeper“ eine Hinwendung zu durchschaubareren Strukturen anzudeuten schien, überlässt auch „Arm’s Way“ alle Macht der Fantasie. Die Songs scheren immer wieder aus, verkleiden sich im Sambakostüm, und finden auf wundersame doch immer wieder zu sich selbst zurück.
Zwar werden die Texte diesmal von dunklen Themen beherrscht, doch der Sound von Islands ist so sonnig und quirlig wie eh und je. Gut, vielleicht gibt es nicht mehr ganz so viele tropische Rhythmen wie auf dem Debut, aber die Spielfreude der Kanadier ist nach wie vor ungetrübt. Deshalb wirken die komplexen Songs von Islands niemals angestrengt arty oder bemüht intellektuell. Sie bleiben immer zugänglich, denn Islands machen gewissermassen Easy Listening auf höchstem Niveau.
„Arms Way“ bietet 12 unglaubliche Songs einer unglaublichen Band. Wer braucht da noch einen roten Faden?
2 Reaktionen
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23:06 Uhr, 25.5.2008, Link
Alleine der irrsinnige Witz fehlt, leider. Trotzdem eine Freude und: Zu Gast im Freiburger Hinterland, am 26. Juli am Stonehill Festival zu Alterswil.