Illegale Samplekunst: Den Sorte Skole
Von Ralph Hofbauer | 27. März 2014 | 1 Kommentar
Den Sorte Skole überfordern mit ihrem Samplewahnsinn die Urheberrechtsverwalter. „Lektion #3“ wäre ein Meisterwerk, wenn es denn offiziell hätte erscheinen dürfen.
Stell dir vor, jemand baut das grösste Kunstwerk der Samplegeschichte und niemand nimmt davon Notiz. Dieses Schicksal ereilte das dänische DJ- und Produzenten-Duo Den Sorte Skole. Deren aussergewöhnliches Werk “Lektion #3″ fand weder in den englischen noch in den deutschen Musikmedien grosse Beachtung. Kein Wunder, denn das Album, das 2013 hätte erscheinen sollen, ist offiziell gar nie veröffentlicht worden.
Der Veröffentlichung im Wege standen die Copyrights der unzähligen Samples, aus denen sich „Lektion #3“ zusammensetzt. Die zweijährigen Verhandlungen von Simon Dokkedal und Martin Fernando Jakobsen mit der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) blieben erfolglos, da sich die IFPI ausserstande sah, eine Lösung für die Lizenzierung der Urheberrechte zu finden. „Lektion #3“ ist deshalb weder auf itunes noch auf Spotify zu finden. Stattdessen ist das Album gegen eine freiwillige Spende auf der Website von Den Sorte Skole als Download erhältlich und wird im Eigenvertrieb als Tripel-LP verkauft.
So gewinnt der Name des Duos, der auf Deutsch „schwarze Schule“ bedeutet, eine zweite Bedeutung: Den Sorte Skole müssen ihre Leidenschaft für schwarze Scheiben auf dem Schwarzmarkt feilbieten. Zumindest in Skandinavien tut dies ihrer Popularität keinen Abbruch. Sie haben am Roskilde Festival dessen 40-jährige Geschichte im Schnelldurchlauf Revue passieren lassen, waren mit Trentemøller auf Tour und kooperieren demnächst unter der Leitung des Komponisten Karsten Fundahl mit dem Danish National Chamber Orchestra.
Waren die ersten beiden Lektionen des Duos noch Mixtapes im weitesten Sinne, ist die dritte ein regelrechtes Sample-Epos: Über 250 Platten haben Dokkedal und Jakobsen in minutiöser Kleinstarbeit dekonstruiert und die Samples zu einer eineinhalbstündigen Reise verwoben, die durch 51 Länder führt. Die Bandbreite der Klangquellen reicht von indonesischem und indischem Pop über türkischen und walisischen Folk bis hin zur französischen und deutschen Avantgarde.
Die 25 Songs, die sich jeweils aus bis zu 20 Samples zusammensetzen, vereinen Gegensätze: Der raue Gesang von Screaming Jay Hawkins trifft auf die feine Geige aus Karen Dalton’s Interpretation des Traditionals „Katie Cruel“. Eden Ahbez, der Robinson Crusoe des Exotica-Pop, jammt mit den Krautrockern von Faust. Die Industrial-Pioniere Throbbing Gristle geben der pakistanischen Sängerin Nahid Akhtar das Mikrofon in die Hand. Und der Synth-Minimialist Conrad Schnitzler kollaboriert mit dem irakischen Oud-Virtuosen Munir Bashir.
So kommt in dieser geisterhaften Jam-Session die ganze Welt zusammen. Das Resultat klingt den heterogenen Quellen zum Trotz erstaunlich homogen. Aus Altem wird Neues und eigenständige Songs entstehen. Gespielt von Supergroups, die sich erst im Vinylhimmel gefunden haben.
Eine Reaktion
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14:07 Uhr, 23.4.2015, Link
Sehr schön zusammengefasst, wirklich schade, dass dieses Meisterwerk nicht veröffentlicht werden kann und ein Insider bleibt. Ich liebe es und höre es immernoch, wieder und wieder. Die Jungs sind mir ganz besondere Helden. Besten Dank an die beiden. Donations sind längst getan :)
Der Link hier im Artikel geht ins Leere … hier nocheinmal für alle, die diesem großen Werk ihr Gehör schenken wollen:
https://soundcloud.com/densorteskole/den-sorte-skole-lektion-iii