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Jedes Stück ein Zündhölzli

Von    |   25. März 2014   |   0 Kommentare

Hydras Dream und das Zündholz-Meitli: Die Adaption eines 170jährigen Märchens als Liebeserklärung an Imagination und Poesie.

HydrasDream_by_ThomasHack

Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte bereits; es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßem Kopfe und nackten Füßen.

Hinter Hydras Dream steckt eine schwedische Impro-Kollaboration mit poetischem Konzept: Anna von Hausswolff und Matti Bye reinterpretieren Geschichten, Filme und Mythen und übersetzen diese in die universale Sprache der Musik. Ihr erstes Werk widmen sie „The Little Match Girl“ (VÖ 28.3./Denovali).

„Es ist ihr tragisches Vertrauen in die winterliche Kälte, das uns inspirierte. Das kleine Mädchen friert in Todeskälte, sie ist vollkommen allein, träumt von einem wärmeren Platz. Als der Tod sie ereilt, ist sie erfüllt von magischen Illusionen und Träumen. Es mutet sonderbar an, dass gerade Unterkühlung und Tod die einzigen Komfortzonen sind, die wir in der Geschichte erfahren. Tragik und Schönheit liegen selten enger beieinander.“

Man muss Märchenonkel Andersens rührende Kurzgeschichte vom Kleinen Mädchen mit den Schwefelhölzern nicht kennen und kriegt doch die passenden Bilder vorgesetzt: Wie ein kleines Mädchen schlendern die Stücke heran, stolzieren vorbei, trippeln herum – es scheint als tanzten sie, doch es ist ein Zittern vor Kälte. Umgarnt vom Tod und doch leichtfüssigen Gemüts – ertragbare Aussichtslosigkeit dank rettender Imagination. Die Handvoll Streichhölzer nützt nichts, aber die Kraft des Lichtscheins in der Nacht. Er allein zündet wärmende Visionen: vom wohligen Ofen, einem prächtigen Braten, einem herrlichen Weihnachtsbaum oder der verstorbenen Grossmutter, dem einzig guten Menschen im Leben.

„Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher, und sie sah jetzt erst, daß es die hellen Sterne waren. Einer von ihnen fiel herab und zog einen langen Feuerstreifen über den Himmel. »Jetzt stirbt jemand!« sagte die Kleine, denn die alte Großmutter, die sie allein freundlich behandelt hatte, jetzt aber längst tot war, hatte gesagt: »Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott empor!« Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer; es warf einen weiten Lichtschein ringsumher, und im Glanze desselben stand die alte Großmutter hell beleuchtet mild und freundlich da.“

„Wir möchten Intuition und Spontaneität als zwei Kernelemente in unseren Komposition nutzen und nichts vorab aufnehmen. Wir spielen allein das, was sich aus dem Moment schöpft und sich mit dem Thema zu verbinden scheint“ – feinfühlige Liebeserklärungen an die Poesie und darüber hinaus: ein jedes Licht, jeder Gedanke, jedes Stück ein Ofen in der Kälte, wenn man nur dran glaubt.

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