Kurz, kürzer, Soulwax
Von Mathias Möller | 20. August 2010 | 29 Kommentare
Die belgischen Chief Rocker Soulwax gaben sich die Ehre in Basel – und liessen ihr Publikum weitgehend ratlos zurück.
Bevor am Ende Beschwerden kommen, hier ein kurzer Disclaimer: Ich habe 2007 mit Soulwax eines der besten Konzerte meines Lebens gesehen und ich schätze eigentlich die gesamte Schaffensperiode der Flying Dewaele-Brothers, von den gitarrenlastigen Anfängen bis zum Mashup-Wahnsinn, der da 2ManyDJs heisst.
Aber was sie da am Mittwochabend in der Basler Kaserne darboten, war höchstens ein lauer Furz. Das Publikum hat es erstmal wenig gestört, klar, Soulwax sind mittlerweile so etwas wie eine self-fulfilling prophecy: Sie stehen auf dem Plakat, also muss es ein geiles Konzert werden, also gehen die Leute ab und es wird ein geiles Konzert. Wie und was da auf der Bühne geboten wird, rückt dabei vielleicht sogar in den Hintergrund.
Die Belgier jedenfalls machen im Rossstall der Kaserne kein Federlesen, sondern geben von Anfang an gehörig auf die Zwölf. Technoid, wie man es in den letzten Jahren von ihnen gewöhnt ist, nahe am Stumpfsinn. Eingesprenkelt der ein oder andere Acid-House-Spritzer, für die Klassiker aus den Indierocktagen bleibt da kein Platz. So weit, so gut: Schliesslich lässt es sich zu Nummern wie „E-Talking“ ganz hervorragend das Tanzbein schwingen.
Euphorie kommt jedoch nur diesseits der Demarkationslinie zwischen Publikum und Band auf: Soulwax rocken hart, aber eine Kommunikation mit den Konzertgängern findet nur indirekt statt. Die lassen sich davon nicht weiter stören, tanzen sich gegenseitig auf die Füsse und schütteln, was sie haben. Jeder macht sich die Party so, wie er sie braucht. Zur Not auch ohne Soulwax. Remember? Self-fulfilling prophecy!
Und dann, nach einer geschätzten (aber von einigen Seiten verifizierten) Dreiviertelstunde, heisst es: Wir waren Soulwax, danke, gute Nacht. Zum Abschluss gibt es, oh Ironie, „NY Excuse“, das die Textstelle beinhaltet: „This is the excuse that we’re making, is it good enough for what you’re paying?“
Ursprünglich als süffisantes Fuck you an die Plattenfirma gedacht, als einer der beiden DeWaele-Brüder mal seine Freundin auf Label-Kosten mit nach New York genommen hatte, unter dem Vorwand, er würde dort mit ihr aufnehmen (sie singt dann auch besagte Zeilen), klingt die Passage jetzt wie ein höhnischer Tiefschlag ins Gemächt der schwofenden Menge.
Das war dann auch das letzte, was man von Soulwax gehört hat. Runter von der Bühne, Licht an, Konservenmusik an. Zugabe? Nö. Das Publikum steht noch minutenlang im Raum, nicht wissend, wohin als nächstes. Es ist ja erst halb elf. Und schliesslich hat Stephen Dewaele im Film „Part of the Weekend never dies“ selbst zu Protokoll gegeben, wie langweilig es wäre, wenn Konzerte schon um elf Uhr zu Ende seien.
Fotos von Jan Krattiger und Christine Godet.
29 Reaktionen
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11:08 Uhr, 20.8.2010, Link
Sehr schön ge- und beschrieben, Herr Möller!
11:10 Uhr, 20.8.2010, Link
gell, die jungs werden halt auch nicht mehr jünger und müssen halt früh ins bett ;-) unvergessen und grandios bleibt für mich das projekt „2ManyDJs“.
11:36 Uhr, 20.8.2010, Link
schöner text. aber 45 minuten ist wirklich harsch. wieviel musste man denn dafür berappen?
11:53 Uhr, 20.8.2010, Link
45 minuten (gefühlte 20…) für 36.—
12:16 Uhr, 20.8.2010, Link
Laut eigener Rechnung warens knappe 40 Minuten. Ich liebe Soulwax, aber der Abend war schon sehr bitter. Einen Franken pro Minute Soulwax ist mir dann doch eine Spur zu teuer.
12:23 Uhr, 20.8.2010, Link
Musikalisch wussten Soulwax wie immer zu überzeugen, die kurze Spielzeit liess aber auch mich ratlos und enttäuscht zurück. Schade. Vor allem um Nouvelle Vague.
21:25 Uhr, 20.8.2010, Link
@Flo: Ja, Nouvelle Vague wären auf jeden Fall günstiger gewesen! ;)
@Johannes: Warst du auch da gewesen?
Detail am Rande: Soulwax waren jetzt noch zwei Tage in Basel und haben das neue Live-Set geübt. Vielleicht mussten sie auch deswegen früh in die Heia.
22:15 Uhr, 20.8.2010, Link
Leider muss ich an dieser Stelle mehr oder weniger zustimmen. Aber kann es natürlich nicht lassen einige Sachen zu ergänzen.
Das Konzert war für Soulwax eine klassische warm up show. Am Mittwoch haben Soulwax von ca. 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr das neue Set einstudiert und das äusserst akribisch (dasselbe geschah übrigens auch den ganzen nächsten Tag im Rossstall). Nach dem Konzert wurde mit dem Videomitschnitt analysiert, zerissen, diskutiert, ergänzt und verbessert, bis hin zum Licht.
Vor der Show waren sie noch überzeugt, dass 50 Minuten zu spielen ok sei. We don’t have more songs. Nach dem Konzert klang es ein bisschen anders. Sie seien sich nicht bewusst gewesen, dass es eine club show war. Sie befänden sich in festival mode und da spiele man nur 45-50 min spielen. Fazit: We should have had more songs, encores and stuff.
Ich weiss, das hilft niemandem der das Konzert zu kurz, bzw. zu teuer fand, aber sie waren auch nicht vollends zufrieden. Vielleicht hätte der Veranstalter hier ein bisschen mehr tun können (als warm up show deklarieren, vielleicht noch irgend einen DJ nachher oder vielleicht wäre bei den Preisen noch ein bisschen Luft gegen unten gewesen).
Es lässt sich hoffen, dass sie mit Soulwaxmas im November in die Schweiz kommen und dann ready sind.
Früh in die Heia ist in nicht wirklich jemand. Cafe del mar lässt grüssen
00:33 Uhr, 21.8.2010, Link
Schöner Text wenngleich der nackte Frust eines Konzertgängers nicht genug zum Tragen kam. Die heutige Zeit lebt davon, Andere zu betrügen und dann danach alles schön zu reden. Das war pure Abzockerei. Man sollte dazu stehen und dann versuchen, dem Publikum etwas zurückzugeben. Das wäre Kundenberantwortung.
10:34 Uhr, 21.8.2010, Link
Danke Godess für deine ausführlichen Erklärungen. Leider tilgen sie meine Enttäuschung nicht. Auf einige Dinge will ich hiermit noch eingehen: 1. «We don’t have more songs.» Ja klar. Soulwax haben einiges an Songmaterial im Rucksack. Sie touren nun seit gefühlten 5 Jahren praktisch ununterbrochen mit dem «Nite Versions»-Programm. Die können mir nicht erzählen, dass sie diese Songs nicht noch als Zugabe hätten aus ihren Ärmen schütteln können. 2. «Sie seien sich nicht bewusst gewesen, dass es eine Club-Show war.» Genau. Was denn sonst? Ein Openair Festival? Ich denke es ist offensichtlich, dass an dem Abend einiges schief gelaufen ist. Wessen Schuld es war, will ich nicht beurteilen. Aber nur schon, dass Soulwax die Location gleich noch für weitere «Proben» benutzen durften, deutet für mich auf eine Abzocke / ein Versagen des Veranstalters hin. Klingt so, als hätte der für sich ’nen recht guten Deal an Land gezogen.
10:49 Uhr, 21.8.2010, Link
Ich vermute eher, dass die Kaserne sich für das Privileg, „exclusive CH-show“ auf das Plakat schreiben zu können, da ziemlich happige Konditionen hat diktieren lassen. Aber bevor wir hier weiter Vermutungen anstellen, fragen wir besser mal bei den Verantwortlichen der Kaserne nach. Ich hoffe, wir können euch bald ein offizielles Statement nachliefern.
Wenn Soulwax den Basel-Aufenthalt tatsächlich als zweitägige Intensivprobe mit angehängtem Minigig geplant haben, wäre es eigentlich nur fair gewesen, wenn der Gig gratis gewesen wäre. Das wäre für alle Beteiligten ein Gewinn gewesen. Die Kaserne bekommt einen prestigeträchtigen Gig, stellt dafür Soulwax seine Lokalitäten zum Proben zur Verfügung und die Musikfans bekommen ein Ohr voll Soulwax, ohne dass sie einen 90-Minuten-Gig erwarten. Aus diesem möglichen Win-Win-Win ist nun vermutlich ein Dreifach-Win für Soulwax geworden (abzüglich Imageschaden).
12:21 Uhr, 21.8.2010, Link
@David: Stell dir vor, die Kaserne hätte zu einem Gratisgig von Soulwax geladen. Das kann sie sich auch nach Aufstockung der Subventionen nicht leisten; schon nur politisch gesehen nicht. Ausserdem verursachen Probetage und Gig auch Kosten, wenn die Gage mit Nutzung von Infrastruktur gegengerechnet würde.
Deine Idee von Fairness ist hier etwas blumig, meiner Meinung nach. Hingegen stimme ich dir zu: Einen Probegig als exklusive CH-Show zu verkaufen, ist falsch.
Die Kommunikation der Kaserne kritisiere ich schon seit 100 Jahren.
15:37 Uhr, 21.8.2010, Link
Abzocke. Ohne wenn und aber. Ausreden (und das sind es schlussendlich) können weder von Künstler- noch Veranstalterseite akzeptiert werden, denn: bezahlt ist bezahlt.
16:21 Uhr, 21.8.2010, Link
@Johannes
Die verbleibenden Kosten wären als Investment in einen guten Ruf als Konzertlocation zu betrachten. Besser als die Negativwerbung, die sie jetzt tatsächlich für sich gemacht haben.
Was die politische Wirkung eines Gratisgigs betrifft, magst du recht haben. Ich kann diese Diskussion nicht mehr hören. Diese ganze Situation ist doch seit Jahren himmeltraurig.
19:40 Uhr, 21.8.2010, Link
Es geht ja m.E. auch gar nicht darum, ob ein Konzert billig sein muss oder nicht. Klar wäre es cool, wenn es nur Tickets gäbe, die in bester Punkrockmanier zu Selbstausbeuterpreisen über den Ladentisch gingen. Aber das ist natürlich unrealistisch und ich bin als Musikfreund natürlich bereit, für ein gutes Konzert gutes Geld zu zahlen. Wenn The Cure ins Hallenstadion nach Züri kommen, zahl ich ja auch 100 Stutz. Aber ich will dann auch halt was geboten bekommen (ich muss als Disclaimer sagen, dass Jan und ich an besagtem Abend presseakkreditiert waren). Dementsprechend verstehe ich das Ärgernis. Inwiefern jetzt die Kaserne da miskommuniziert hat, vermag ich noch nicht zu beurteilen. Anfrage an die Veranstalter geht jetzt demnächst raus.
@Godess: Wo hast du denn deine Infos her?
19:08 Uhr, 22.8.2010, Link
Meinst du eine spezifische Info oder generell? Eigentlich alles aus erster Hand.
Also ganz gratis ist ja sicherlich nicht möglich (vor allem wenn 16 Leute inkl. Band die Crew ausmachen).
PS: Wenn das ganze Zeug so elektronisch ist wie bei Soulwax, dann kann man schwerlich einfach noch einen Song dranhängen, wenn man nicht darauf vorbereitet ist.
10:10 Uhr, 24.8.2010, Link
16 Leute inkl. Band? Okay, schauen wir mal (sehr grosszügig gerechnet): 4 Bandmitglieder, 1 Mann Sound, 1 Mann Licht, 1 Tourmanager, 2 Roadies/Stagehands, 1 Fahrer, 1 Mercher. Ich komme auf elf, für alles weitere fehlt mir meine ansonsten recht ausufernde Fantasie. 16 Leute, spinnen die?
Dein PS lasse ich nicht gelten. Die spielen ja nur zum Teil vom Laptop, eigentlich für einen Elektro-Act ja sogar noch recht organisch, da lässt sich sicher etwas dranhängen. Falls es wirklich so sein sollte, dass sie gedacht haben, sie spielen auf einem Festival und haben nur 45 Minuten Zeit, dann hat der Tourmanager versagt, und zwar auf ganzer Linie.
12:04 Uhr, 24.8.2010, Link
1 Tourmanager
1 Assistentin des Tourmanagers und Garderobendame
1 Lichttyp
1 Programmiererfür die Screens (ist danach aber wieder abgeflogen)
1 Soundtyp
1 Productionmanager
2 Fahrer für Truck (nötig für lange Strecken)
2 Fahrer Bus (ebenfalls)
2 Stagehands
4 Band
1 Techniker? (glaubs für Aufbau Überachung Screens)
Summa summarum sogar 17 Nasen. Werden aber sicherlich nicht alle die ganze Tour dabei sein.
Sie haben schon nicht gedacht, dass sie ein Festival spielen. Blöd sind sie ja nicht. Sie spielen einfach sonst die ganze Tour praktisch nur Festivals und das Set war dem halt angepasst.
Wenn du die Proben gesehen hättest, dann wüsstest du, wie lange es dauert um die Samples bei vier Takten auf genau der richtigen Frequenz, bzw. Höhe einzustellen. Übrigens kommt mehr von dem Computer als du meinst. Der Bassist, der Sänger und der Ex-Gitarrist spielen grösstenteils über Samples die vom Computer kommen.
08:45 Uhr, 25.8.2010, Link
Dann war es ein Versagen des Tourmanagers. Der muss auf jeden Fall wissen, wo und auf was für einer Veranstaltung seine Band spielt. Und die entsprechend darauf eichen, dass sie ihr Set entsprechend anpassen.
Oder aber, wenn es von vorneherein als ein „Warmspielen“ für kürzere Shows gedacht war, muss die Kaserne sagen: Hey, passt auf, das ist eine Spezialshow, hier gehts heute nicht so lange. Die Leute wären trotzdem gekommen (s. self-fulfilling prophecy) und wären hinterher nicht so enttäuscht gewesen.
08:56 Uhr, 25.8.2010, Link
Word.
11:25 Uhr, 26.8.2010, Link
wie stehts um die satements von seiten kaserne? zwei tage nach dem gig war in der BAZ eine etwas zu diplomatische konzertreview mit ein/zwei halbzitaten vom musikbüro lesen.
23:24 Uhr, 6.9.2010, Link
?
21:27 Uhr, 23.9.2010, Link
Am 26. November 2010 können wir prüfen, ob ihr Set nun länger dauert als 48 Minuten.
17:06 Uhr, 29.9.2010, Link
Von wegen CH-exclusive Show: Siehe website. Soulwax tritt im Nov. in Zürich auf…Frage: Wurde das exclusive vertraglich zugesichert?
Immerhin sollens dann in ZH 6 Std. sein mit 2manyDJS / Soulwax /very spec.guests, das ist doch etwas länger wie die 38,5 Minuten in Basel, oder wieviel es auch immer waren…
http://www.starticket.ch/0Numberoftix.asp?ShowID=37553&CategoryID=61785&ZoneID=&ShowDetails=1
17:50 Uhr, 4.10.2010, Link
Hot. Mit Goose/In Flagranti/Paul Chambers/Mixhell.
Brav wie ich bin gehe ich wieder hin.
16:40 Uhr, 8.10.2010, Link
hoppla, dem blogschreiber scheint eine laus über die leber gekrochen zu sein und er kennt die band offensichtlich nicht so gut. so zu jammern wie ein kleines kind ist ja fast schon peinlich.
a) klar, die show war kurz, aber sie war 50 minuten lang (ich hab alleine videos von 42 minuten aufgenommen und war nicht die ganze zeit am filmen).
b) soulwax haben seit nite versions nie mehr als eine stunde gespielt (ich war dann doch schon an rund 8 konzerten von ihnen, auch im ausland)
c) wenn dir technoid als stumpfsinn erscheint, dann hör nicht hin. geschmäcker sind halt verschieden und sie spielen halt nicht mehr als indie-band à la any minute now oder den vorgänger-alben.
d) soulwax hat noch nie gross mit dem publikum interagiert. sie haben auch an einem any minute now konzert in zürich im jahr 2004 keine zugabe gegeben.
e) der veranstalter bestimmt die preise und regelt auch das mit dem pre- oder after-dj-programm. dort ist also der fehler zu suchen.
so zu zerreissen und falsche kausale schlüsse zu ziehen ist dann doch etwas diffamierend. ich fand es auch nicht das beste konzert, was ich gesehen habe, es war aber immer noch gut.
19:57 Uhr, 8.10.2010, Link
@Martin:
Aber das Argument „Das war schon immer so“ ist auch etwas muff, eine Band, die weniger als eine Stunde spielt – das geht gar nicht bei einer solchen Band.
16:10 Uhr, 12.10.2010, Link
@Martin
Das ist jetzt aber auch ein bisschen einfach. Die Schuld will niemand hier einfach der Band in die Schuhe schieben. Aber „Buh“-Rufe nach dem Konzert sprechen schon eine ziemlich klare Sprache. Da war nicht nur der Autor dieses Artikels unzufrieden.