78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

twentythirteen: Beste Reissues 2013

Von    |   20. Dezember 2013   |   0 Kommentare

78s packt das Jahr 2013 in Listen. Heute: 13 Neuentdeckungen aus der Vergangenheit.

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Seit Bahnbrechendes nicht mehr möglich scheint, ist die Popmusik besessen von in ihrer eigenen Vergangenheit. Der britische Musikjournalist Simon Reynolds hat es mit Retromania, seiner treffenden Analyse des musikalischen Zeitgeists, auf den Punkt gebracht. Dass es immer mehr Labels gibt, die sich auf Vinyl-Reissues spezialisiert haben, spricht für diese Rückwärtsgewandtheit der kontemporären Musiklandschaft. Dennoch klingen viele dieser Re-Releases kein bisschen altbacken, sondern so frisch als wären sie eben erst erst erscheinen.

1. Seefeel – Quique (2LP, Medical Records)

Seefeel sind der Missing Link zwischen Sonic Boom und Boards of Canada. Die Briten, die 1993 beim Kleinstlabel Too Pure ihr Debüt „Quique“ veröffentlicht haben, fanden zwischen Shoegaze und Ambient ihre eigene Nische. Eigentlich logisch, dass die Band mit ihrem zweiten Album bei der IDM-Institution Warp Records unterkam. Liquide Sphären und dubbige Tiefen für einen einstündigen Tauchgang im Ocean Of Sound.


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2. Craig Leon – Nommos (LP, Superior Viaduct)

Als Produzent hat Craig Leon unter anderem mit den Talking Heads, Blondie und Suicide gearbeitet. Als Komponist schwebte ihm eine ganz andere Art von Musik vor. Sein 1981 veröffentlichtes Debüt „Nommos“ ist ein Beat-Ballet mit Synth-Automatismen, die hypnotische Metamorphosen durchlaufen. Das Album gilt in Cosmic-Disco-Kreisen längst als Klassiker und ein erstes Vinyl-Reissue war überfällig. Ein visionäres Werk, von dem man nicht so recht weiss, ob es die Kunde einer fernen Zukunft oder das Relikt einer frühen Hochkultur ist.


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3. Rodion G.A. – The Lost Tapes (LP/CD/MP3, Strut Records)

Die Aufnahmen von Rodion G.A. sind eine Flaschenpost aus dem Rumänien Ceausescus. Auf dem Staats-Label Electrocord sind in den frühen 80ern nur zwei Songs der Band um den Komponisten Rodion Rosca erschienen. Nun hat Strut Records in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Label Future Nuggets weitere Aufnahmen ausgegraben. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – diese Stücke hinter dem Eisernen Vorhang entstanden ist, klingt „The Lost Tapes“ erstaunlich innovativ. Reel-to-Reel-Krautrock für einen Science Fiction, der erst noch gedreht werden muss.


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4. William Onyeabor – Who Is William Onyeabor? (LP/CD/MP3, Luka Bop)

Die Frage „Who Is William Onyeabor?“ ist nicht leicht zu beantworten. Der Sänger und Keyboarder aus Nigeria ist ein Mythos, um den sich viele Gerüchte ranken. Manche behaupten, er habe sein Leben von heute auf morgen dem Christentum verschrieben, andere, er sei in die Mehlproduktion eingestiegen. Fest steht, dass Onyeabor seine Musikerkarriere Mitte der 80er an den Nagel hängte und partout nichts mehr mit den acht Alben zu tun haben wollte, die er in den Jahren zuvor eingespielt hatte. Um die titelgebende Frage soweit wie möglich zu beantworten, hat Luka Bop ein Best-of-Album zusammengetragen.


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5. Médico Doktor Vibes – Liter Thru Dorker Vibes (LP, Campanion Records)

„Diska Limba Man“ ist ein eigenartiger Song. Er klingt als hätten Chris & Cosey in der Karibik Urlaub gemacht und in der Hotelbar mit einem Alleinunterhalter gejammt. Der ghanaisch-amerikanische Musiker Bill Russell hat 1979 unter dem Pseudonym Médico Doktor Vibes sein einziges Album als Privatpressung in einer Auflage von 100 Stück veröffentlicht. Niemand hätte von „Liter Thru Dorker Vibes“ Notiz genommen, wäre die LP nicht an einem Flohmarkt in die Hände eines Diggers gefallen. Die auf 500 Stück limitierte Erstpressung des Vinyl-Reissues ist bereits ausverkauft, doch die zweite Auflage kommt demnächst aus dem Presswerk.


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6. Human Expression – Love At A Psychedelic Velocity (LP, Moi J’Connais)

Das Westschweizer Label Moi J’Connais, an dem das famose Duo Mama Rosin mitwirkt, macht in Zusammenarbeit mit dem US-Label Mississippi Records aus Portland, Oregon, eines der letzten unbeackerten Felder des Garage Rock fruchtbar. Die zwischen 1966 und 1968 erschienen Singles der Westcoast-Band Human Expression waren bisher nur auf einschlägigen Compilations verstreut zu finden. „Love At A Psychedelic Velocity“ fasst sämtliche Aufnahmen der talentierten Teenager zu jenem Album zusammen, zu dem es nie gekommen ist.


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7. Lee Hazlewood – Trouble Is A Lonesome Town (2LP/2CD/MP3, Light In The Attic)

Wie klang Lee Hazlewood bevor er sich einen Schnäuzer wachsen liess? Light In The Attic, seit geraumer Zeit die erste Adresse für Reissues des legendären Baritons, beantwortet diese Frage mit einem Extended-Reissue von „Trouble Is A Lonesome Town“. Dieses bietet neben dem 1963 erschienenen Debütalbum eine Autobiografie in Form von sechs Songs, drei Outtakes sowie Hazlewoods erste beiden, noch stark im Rock’n’Roll verwurzelten Singles, die unter dem Pseudonym Mark Robinson erschienen sind. Ein verlockendes Bonuspaket – als wäre dieses Album über eine fiktive Stadt für sich allein nicht schon gut genug.


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8. Townes Van Zandt – High, Low And In Between / The Late Great Townes Van Zandt / Sunshine Boy: The Unheard Studio Sessions & Demos (LP/CD, Omnivore Recordings)

Townes Van Zandt war ein typischer Musician’s Musician. Obwohl viele Country-Grössen seine Songs gecovert haben, war sein Erfolg zu Lebzeiten bescheiden. Heute geniesst der 1997 verstorbene Songwriter einen Kultstatus, der bereits von verschiedensten posthumen Releases untermauert wird. Omnivore Recordings machte 2013 mit „High, Low And In Between“ und „The Late Great Townes Van Zandt“ das fünfte und sechste Studioalbum erstmals wieder auf Vinyl erhältlich und lieferte mit „Sunshine Boy: The Unheard Studio Sessions & Demos“ zudem eine willkommene Ergänzung zu einer beeindruckenden Diskografie.


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9. Lansing-Dreiden – A Sectioned Beam (LP, CD, MP3, Mexican Summer)

Auch die 00er-Jahre sind vor Reissues nicht mehr gefeit. Mexican Summer rückt mit dem Re-Release der ersten drei Alben von Lansing-Dreiden ein Kollektiv aus Brooklyn in den Mittelpunkt, dessen Alben vor zehn Jahren kaum Beachtung gefunden haben. 2003 trat die Band mit ihrem Debüt so unauffällig in Erscheinung, wie sie drei Jahre später wieder von der Bildfläche verschwand. Ariel Pink und Chris Taylor von Grizzly Bear bürgen mit Testimonials für das nicht nur musikalisch, sondern auch visuell ambitionierte Schaffen von Lansing-Dreiden.


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10. Günter Schickert – Kinder in der Wildnis (LP, CD, MP3, Bureau B)

Mit uns hat auch das Berliner Label Bureau B Günter Schickert wiederentdeckt. Nach dem Reissue von „Überfällig“ folgte kürzlich der erstmalige Vinyl-Release des 1983 nur auf Kassette veröffentlichten Albums „Kinder in der Wildnis“. Der vielleicht innovativste Gitarrist aus dem Dunstkreis des Krautrock dreht seine Loops auf seinem dritten Album in etwas rockigeren und kompakteren Kreisen als auf den beiden Vorgängeralben. Die altvertraute Sogwirkung entfaltet sich nichtsdestotrotz.


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11. Polyphonic Size – Earlier/Later (LP, Minimal Wave)

Das New Yorker Label Minimal Wave hat sich auf die düstere Seite der 80er spezialisiert. Eines der Highlights unter der diesjährigen Releases ist „Earlier/Later“, eine Retrospektive des Schaffens der Belgier Polyphonic Size. Die A-Seite der LP versammelt die noisigen, teilweise an Suicide erinnendernden DIY-Aufnahmen der Anfangsjahre, die B-Seite professionellere Studioaufnahmen, darunter ein Cover von „Mother’s Little Helper“. Analog-Electro-Pop mit Benelux-Charme.


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12. Arawak – Accadde A… (LP, Golden Pavilion Records)

„Accadde A…“ ist ein Sample-Paradies, in dem sich auch schon Madlib bedient hat. Das Library-Album, das der italienische Film- und TV-Komponist Luciano Simoncini unter dem Namen Arawak veröffentlicht hat, vereint entspannte Drum-Breaks, trippige Flöten, perlende Gitarren und ja, einen Dudelsack. Im Original unerschwinglich, ist das 1970 veröffentlichte Album, das in seiner unschuldigen Eleganz an Piero Umilianis „Paesaggi“ erinnert, nun erstmals wieder auf LP erhältlich.


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13. One Of You – One Of You (LP, Little Axe Records)

Hätte Nico einen tschechischen Akzent, würde sie wie One Of You klingen. Den Aufnahmen der anonymen Tschechin, die nach ihrer Immigration nach Kanada in den frühen 80ern eine Handvoll Songs eingespielt hat, glaubt man das Heimweh anzuhören. Dieser traurige Orgel-Folk, der in brüchigem Englisch seine Seele offenbart, lässt selbst einen hoffnungsvollen Titel wie „When The Sun Comes Up“ wie ein Regentag klingen. Die B-Seite der LP enthält bisher unveröffentlichte Demoaufnahmen, obwohl eigentlich auch die A-Seite wie ein Demo klingt.


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