What’s this thing called Drag?
Von Nina Wyss | 8. Juni 2010 | 0 Kommentare
Drag, Witch House, Screwgaze oder Electro Goth – man mag es nennen wie man will. In schleppendem Tempo beschleicht ein neues Genre die Musiklandschaft und zieht den Hörer mit übernatürlicher Kraft in seinen Bann.
Anfang der Neunziger macht in der Hip-Hop-Szene Houstons eine Remixing-Technik Furore, die sich „Chopped and screwed“ nennt. Da werden Sampleschnitzel in- und aneinandergefügt, Sounds im Tempo auf Zeitlupe runtergedrosselt. Gedämpft, leicht verschroben und unaufgeregt – Screw Music entspricht genau dem Lebensgefühl der von codeinhaltigem Hustensirup zugedröhnten Community.
Ende 2007 taucht eine Band aus Chicago/Michigan auf, die ihren LoFi Noise kräftig durch die Screw-Mangel dreht. Salem schrauben schläfrige Bässe auf die schleppende Houstoner Gangart runter und erschaffen Sound-Höhlen, in deren Innerem nebelhafte Synthie-Texturen im Kerzenlicht gespenstische Schatten tanzen lassen. Durch Schichten verwehter Loops dringen wie von Geisterhand manipulierte Wortfetzen an die Oberfläche und entfalten eine geradezu hypnotische Anziehungskraft. Ob Screwgaze, Crimsonwave oder Witch House, Salem wurden viele Stempel aufgedrückt. Das Trio selbst bezeichnet seine Musik als Drag.
In letzter Zeit finden sich immer mehr Bands, die mit ähnlichem musikalischen Gespür wie Salem an ihrem Sound basteln und sich derselben Muster und Techniken bedienen. oOoOO aus San Francisco, Balam Acab aus New York, Silent Diane aus Texas oder Cosmetics aus Vancouver: Unabhängig voneinander haben sich geographisch verstreut neue Acts herausgebildet, deren Musik man als Drag bezeichnen könnte. Bands, die an einem schleppenden, beat- und basslastigen Sound feilen, der durch Manipulation und Verfremdung eine seltsame Unkörperlichkeit erlangt und je nach künstlerischer Präferenz mehr in Richtung Gothic, Dub, Ambient oder Pop abdriftet.
Neben dem musikalischen Output zeigen sich oftmals auch im ästhetischen Auftritt der Drag-Bands geteilte Vorlieben. In der mal satanisch, mal esoterisch anmutenden Bildsprache vieler Plattencover lässt sich ein deutlicher Hang zum Okkulten ausmachen und die wahre Identität vieler Musiker des Genres – sei es aus Introvertiertheit oder als Zeichen der Abgrenzung vom Startum – bleibt bestens gehütet.
Abgesehen von einigen EPs haben viele der genannten Bands noch keine offiziellen Releases vorzuzeigen. Zwei Labels, die in Houston angesiedelten Disaro und das neu gegründete Kompakt-Sublabel Tri Angle, schicken sich an, das zu ändern. Bis Veröffentlichungen physische Gestalt annehmen, müssen wir vorlieb nehmen mit flüchtigen mp3-Dateien, die im Netz rumgeistern:
[audio:http://stereogum.com/play/?key=2527e&file=91231::5917c::Salem%20-%20Frost.mp3] [audio:http://downloads.pitchforkmedia.com.s3.amazonaws.com/oOoOO%20-%20Seaww.mp3] [audio:http://downloads.pitchforkmedia.com/White%20Ring%20-%20IxC999.mp3]Cosmetics – Black Leather Gloves (via)
[audio:http://livingears.com/music/LivingEarsRadio/052210/BLACK%20LEATHER%20GLOVES.mp3] [audio:http://downloads.pitchforkmedia.com/Balam%20Acab%20-%20See%20Birds.mp3]Creep – Jessica
[audio:http://downloads.pitchforkmedia.com.s3.amazonaws.com/Silent%20Diane%20-%20Harmonikai.mp3] [audio:http://downloads.pitchforkmedia.com.s3.amazonaws.com/Fostercare%20-%20Heat%20High.mp3] [audio:http://www.transparentblog.com/file_download/348/PRELUDE.mp3] [audio:http://downloads.pitchforkmedia.com.s3.amazonaws.com/xix%20-%20DEEP%20VOID.mp3]78s wird seit Juni 2015 nicht mehr redaktionell betreut. Die Kommentarfunktion ist deswegen deaktiviert.