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Jackos letzter Auftritt

Von    |   9. Juli 2009   |   3 Kommentare

Der Tod eines Künstlers schürt das Geschäft, wie Michael Jacksons Abgang einmal mehr in bizarrem Ausmass zeigt. Lebendig Schulden in Millionenhöhe, wird er tot nochmals zum weltweiten Hitparadenstürmer. Ein Phänomen, das zu pietätlosen Spekulationen verleitet.

MJEs ist angerichtet. Tausende Menschen in der Halle, eine Milliarde vor dem Bildschirm. Der King of Pop, der alle Superstars überragende Megastar, mit dessen Musik Generationen aufwuchsen, ist tot. Im goldenen Sarg wird er vor die Bühne und ein letztes Mal ins Scheinwerferlicht getragen. Lieder werden gesungen und ergreifende Lobreden geschwungen.

Plötzlich erlöschen die Lichter. Eine Melodie schwebt leise über den Köpfen, wird lauter. Nur ein Spot, als käme er vom Himmel, beleuchtet den Sarg. Langsam hebt sich dieser in den Stand. Eine überraschende Fanfare, der Deckel springt auf, Leute kreischen. Der im schicken Glitzeranzug steckende Körper von Michael Jackson, regungslos. Ein massiver Beat setzt ein. Dann die Bewegung, ein gezielter Schritt vor und zur Pose erstarrt.

Fassungslose Gesichter. Beat und Melodie verschmelzen, wiegeln sich gegenseitig auf. Im Anzug mit Sonnenbrille beziehen sämtliche Geschwister, Usher und JT auf der nun bunt beleuchteten Bühne Position. Der Bass wummert, die Luft vibriert. Jackos Körper zuckt rhythmisch, geschmeidig verrenken sich die Glieder. Griff in den Schritt. In den vorderen Reihen Weinkrämpfe, Einzelne brechen zusammen.

Der Sarg verschwindet im Boden, dann der Moonwalk auf die Bühne. Einstimmung in die komplexe Choreographie. Die für immer verstummt geglaubte Kastratenstimme erklingt in alter Stärke und übertönt die letzten Zweifel der schockierten Trauergemeinde. Ein nie gehörter Refrain hallt durchs Stadion, mit nie gesehenen Moves wirbelt der auferstandene Messias über die Bretter und in der ersten Reihe wedelt Vater Joe mit einer neuen Platte – „This Is It“.

Aber nein, das war’s tatsächlich. Bis zur Abdankung hat man noch zu hoffen und spekulieren gewagt, doch es scheint endgültig. Mit dem Tod ist nicht mehr zu spassen, vor ihm kapituliert selbst der Meister der Selbstinszenierung. Ein eigentlich armer Kerl, aber musikalisch ganzganz Grosser ist abgetreten. Als Kind vom Vater auf die Weltbühne geprügelt, während vier Jahrzehnten von Fans und Medien zur übermenschlichen Kunstfigur hochstilisiert und schliesslich zum drogenabhängigen Häufchen Elend zermürbt.

Das erfolgreichste und skurrilste Musical der Moderne hat seinen Hauptdarsteller verloren, die Tragikomödie findet ein abruptes Ende. Schicksalsschwer die Regie-Anweisung nach der allerletzten Probe auf den Brettern, die für Jacko die Welt bedeuteten: „Hold for applause, hold for applause… fade out.“ Die Scheinwerfer sind aus, der letzte Vorhang ist gefallen.

Bald wird auch der Applaus verebbt sein. Aber wie sagt man so schön: In den Herzen wird er weitertänzeln und seine Musik auf ewig nachklingen. Einer (letzten) Hommage an den vermeintlich grössten Entertainer aller Zeiten kann jedenfalls nur er selber gerecht werden, z.B. mit „Billie Jean“, dem vielleicht perfekten Popsong.


3 Reaktionen

  1. #1 danII

    10:05 Uhr, 9.7.2009, Link

    dazu passend:

    http://www.wision.ch/08/media/blogs/wision/michael_jackson_vermaechtnis.png

  2. #2 cerco

    10:35 Uhr, 9.7.2009, Link

    schön geschrieben. danke!

  3. #3 Domi

    23:30 Uhr, 9.7.2009, Link

    Super artikel!!

    „und in der ersten Reihe wedelt Vater Joe mit einer neuen Platte – „This Is It“.

    HAHAHAH

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