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Vance Joy – oder Julian C. ist tot und es ist gut so

Von    |   1. April 2013   |   2 Kommentare

Das mit dem Frühling scheint soweit nicht allzu gut zu klappen und das neue Strokes-Album war ein Requiem. Da kommt Vance Joy gerade gelegen.

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Hätte jemand Mitte Nullerjahre nach dem Indie-Prototyp schlechthin gefragt, hätte der blogbewanderte und musikangefressene Internautiker (na gut – die Schreibende) erst einmal über die unwillkommene Genrenomenklatur die Nase gerümpft («down with the Schubladisierung!») und dann wäre bald die Referenz «The Strokes» gefallen. Scheppernde Gitarren, Rock’n’Roll-Attitüde und Julian fucking Casablancas.

Wäre die Schreibende zehn Jahre davor musikalisch sozialisiert worden, wäre ihr Prototyp Pulp gewesen, Pavement, eine andere Teufelei, you name it. Aber der Zeitgeist sprach, und so sollten es eben die reichen Rotznasen aus New York sein.

Die Jahre vergingen und eine Lawine aus Disco-Rock-Pop-Punk-Electro-Soul schwemmte die Idealvorstellung von Nachhaltig- und Beständigkeit der Gitarrenmusik in eine von Hype-Organismen bewohnte Gosse. Die Schreibende stillte ihren Musikhunger mit einer kalten Platte aus dem reichhaltigen Buffet, mit dem Garage-Rotz ihrer nostalgischen Idolatrie immerzu im Hinterohr.

Soweit so gut. Doch zwölf Jahre nach «Is This It» veröffentlichten The Strokes dieser Tage «Comedown Machine». Das fünfte Album der New Yorker ist vergleichbar mit den Todesanzeigen in einer Lokalzeitung: Eigentlich würde man gerne die ganze Doppelseite überspringen, aber man könnte ja den einen oder anderen Verstorbenen kennen – und guckt sich deshalb das ganze Ding in unbezwingbarer Beharrlichkeit an.

Die Hörende kann sich nicht entscheiden: Geben sich die erfolgsverwahrlosten Herren um Julian Casablancas 2013 zu viel, oder überhaupt gar keine Mühe? So oder so. Mit bitterem Nachgeschmack wird Comedown Machine mitsamt befremdenden Falsetti («Tap Out») und inspirationsfreien Riffs («50/50») vom Plattenteller entfernt und der Todeszeitpunkt bestimmt. Die Strokes sind tot.

Als hätte er gewusst, dass bei der Schreibenden eine Stelle in Sachen Gitarrenmusik-Ideal frei geworden war, tauchte Vance Joy im Gewirre des Netzes auf. Ob es die Sehnsucht nach wärmeren Tagen war, welche dem Australier und seiner lichtdurchfluteten EP «God Loves You When You’re Dancing» die nötige Aufmerksamkeit beimass? Oder, viel mehr, so etwas wie eine neue Strömung, die Acts wie Blaudzun, Local Natives und weitere Nu-Folk-Perlen an die Oberfläche trieb? Eigentlich völlig egal. «Riptide» ist und bleibt eine wunderbare Ode an das Leben. Und wenn nicht für immer, dann für jetzt. Oder bis das nächste grosse Ding die Karten neu mischt.

Man soll lernen, loszulassen – so propagieren zumindest die Macher von Glückskeksen und Zuckertütchen. Indie ist jetzt Folk, nicht mehr Garage; Indie ist jetzt Ukulele, nicht mehr Verzerrer; Indie ist jetzt auch Tränendrüse, nicht mehr nur Schweisstropfen. Und, mitunter dank Vance Joy, ist das auch gut so.

2 Reaktionen

  1. #1 indie

    11:37 Uhr, 3.4.2013, Link

    Indie ist…wenn man trotzdem lacht.

  2. #2 Strokes-Fanboy

    23:37 Uhr, 3.4.2013, Link

    Bei The Strokes muss man ein wenig warten. Beim ersten Mal anhören hab ich ziemlich genau gleich reagiert wie die Schreibende. Aber die Platte wächst, und jetzt gefällt sie mir richtig gut. Sogar das anfangs abartig nervende „Chances“.

    Und die ewig gleiche Masche zu spielen, überlassen die Strokes eben lieber Typen wie Vance Joy…:)

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