78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Der fade Beigeschmack der Swiss Musick Awards

Von    |   4. März 2013   |   7 Kommentare

Die Swiss Music Awards mögen künstlerisch einen fragwürdigen Ruf geniessen, haben sich aber als Medienereignis sozial etabliert. Wenngleich mit fadem Beigeschmack.

musick1Für die Künstler – oder sagen wir mal ‚Gäste‘ – sind Veranstaltungen wie die Swiss Music Awards eine feine Sache: Etwas im Rampenlicht stehen, gratis saufen und alte Branchenkollegen treffen. Ebenso tun’s die Medien. Ausgelassen feiert man sich gegenseitig – auf Kosten des Konsumenten. Der darf dafür vor der Kiste mitgähnen.

Das zum Glamourevent hochstilisierte Stelldichein mehr oder weniger bekannter Gesichter und Geld-Sacchis verkommt zum jährlichen Spektakel des fragwürdigen Geschmacks. Aber der im Mainstream treibende Konsument investiert gern in den Rummel und die Fummel. Huldigt unterwürfig den medialen Kunstfiguren, wobei der künstlerische Anspruch sich auf Aussehen, Crazyness und Status beschränkt.

Als willkommener Füllstoff gegen die kollektive geistige Langeweile wird der skurrile Auflauf vor allem für die Medien zum Ereignis, wobei sich die Journalisten herausgeputzt von der erbärmlichsten Seite zeigen. Stehen sich gegenseitig die Füsse platt, um sich parasitär an fremde Fersen zu heften, um dieselben Bilder und einfältigen Antworten zu ergattern wie alle – und die schon letztes Jahr niemand haben wollte.

Wie wir aber dank dem 78s-Live-Ticker seit Anbeginn der „Swiss Media Awkwards“ wissen, spielen sich interessante Szenen, wenn überhaupt, hinter den Kameras ab. Mittlerweile hat sich eigendynamisch und abseits vom roten Teppich eine lebhafte, multimedial interagierende Berichterstattung etabliert, der man doch einen gewissen Unterhaltungswert abgewinnen kann. Letztlich aber ist auch die durch alle Kommunikationskanäle gespülte Kommentarflut kaum mehr als ein Rinnsal multiplizierter Belanglosigkeit – ein internationales Award-Phänomen.

Zu berichten gab’s einmal mehr nicht viel: Beschämend die Gastgeberin im Tütü, die das lasche Publikum unbeholfen zu übertriebenen Beifallsstürmen aufmunterte… Befremdend das von exzessiver Gestik begleitete Comeback von Baschi („Chum bliib dii-hei“)… Kurios die Auszeichnung des gecasteten Karaoke-Lehrlings, der die Texte der eigenen Nummer 1-Hits nicht versteht… Bizarr die Anerkennung gegenüber einem eigens eingeflogenen Rapper-Leichtgewicht mit Tiermaskenfetisch. Für kurzes Schmunzeln sorgte der Galgenhumor von Florian Ast, der gegenüber Pop-Asylant Müslüm mit der Nominierung für das beste SMS prahlte. Trotz der rührsehligen Darbietung von Tingel-Tangel-Marc und Blues-Philipp zu Ehren von Claude Nobs führt sich die inszenierte Bedeutung der Veranstaltung für die Musikszene Schweiz von Neuem ad absurdum.

Denn ansonsten die sich jährlich wiederholende Repetition: immer dieselben Gesichter und gleichen drei Songs. (Qualitätsunabhängige) Symptome für Kurzsichtigkeit und Geschmacksblockade, akzentuiert durch die Nomination gleich dreier deutscher Combos in der Kategorie „Best Album Urban International“. Und unter peinlich berührtem Gelächter entlarvt von Hecht, die sich in ihrer Dankesrede überrascht zeigten, nach 15 Jahren Bandbestehen als „Best Talent National“ ausgezeichnet zu werden.

Man muss kein Verächter leichter Kost sein, um trotz Aftershow-Kater ernüchtert zurückzubleiben angesichts des engen Horizonts von Veranstalter und Konsumenten, der die hiesige Musiklandschaft noch kleiner aussehen lässt als sie ist. Unterhaltungsindustrie und Boulevardkultur scheinen kaum über den Hitparadenrand hinauszusehen und nur wenig von der Szenenvielfalt mitzubekommen. Zu beschäftigt, sich gegenseitig in den Hintern zu kriechen und Banknoten ins Dekolleté zu stecken – anstelle gescheiter Musiknoten. Trotz feiner Häppchen behält das Familienfest im Namen der Kunst und Künstlichkeit einen faden Beigeschmack.

Aber jänu, zum Glück spielt die gute Musik auch abseits von Aperol Spritz und Steinklotz weiter.

7 Reaktionen

  1. #1 Dominik

    14:59 Uhr, 4.3.2013, Link

    dazu gibt es nichts mehr zusagen. Genau so muss man diesen traurigen Anlass in Worte fassen.

  2. #2 PLUTO

    17:06 Uhr, 4.3.2013, Link

    Dankeschön! Genau das meinte ich mit „Biss“!

  3. #3 the aeschli

    19:32 Uhr, 4.3.2013, Link

    ich finde ja amüsant, dass sich die medien einen abgeifern, wenns um diesen SMA geht, sie seitenweise mit gugus füllen mögen mit flachen storys darüber, bei den comments kommt aber mehrheitlich nur kritik und abneigung, welche grandios ignoriert wird. zudem, auf jener schweizer musikwebseite, wo eigentlich das zielpublikum der SMA verkehren würde, ist der SMA nur eine banalität. was es noch absurder macht: der betreiber jener seite ja noch in der jury der SMA sitzt und nirgends irgendwo werbung davon zu finden ist, nicht mal die nominierten wurden gelistet. es ist ein geldausgeben von und für einen kleinen kreis, bezahlen tun es ja andere…

  4. #4 Dave

    22:31 Uhr, 4.3.2013, Link

    Sehr schön geschrieben, besser kann man es gar nicht schreiben!!

  5. #5 Tschino

    15:58 Uhr, 11.3.2013, Link

    http://www.handelszeitung.ch/politik/gesetz-sturmreif-rocken-millionen-abkassieren

  6. #6 kebmo

    13:56 Uhr, 17.3.2013, Link

    Ich finde ja auch, dass dieser SMA nicht von Bedeutung ist für die Musikszene Schweiz und es sowieso ein abgekartetes Spiel ist. Aber dass sich jährlich alle Journalisten aus der Anti-Mainstream-Ecke, auch du Marco, über diesen Anlass aufregen müssen, verstehe ich nicht. Irgendwie geht ihr ja trotzdem alle Jahre wieder gerne hin und seid gerne Teil des Kuchens, wenn ihr ganz ehrlich seid….

  7. #7 Wieland

    14:12 Uhr, 17.3.2013, Link

    Das ist in Deutschland aber auch nicht viel anders. Den „wichtigsten“ deutschen Musikpreis nimmt kaum noch einer ernst und braucht dann sowas wie ein Skandal (Freiwild und so weiter).

78s wird seit Juni 2015 nicht mehr redaktionell betreut. Die Kommentarfunktion ist deswegen deaktiviert.