Altes Eisen trifft auf junges Blut
Von Ralph Hofbauer | 13. April 2012 | 0 Kommentare
Dr. John läuft mit „Locked Down“ im hohen Alter zur Höchstform auf. Produziert wurde das Album von Dan Auerbach, der als Frontmann von The Black Keys bald prominenter ist als der Meister selbst.
Eigentlich lag die Kollaboration der beiden längst auf der Hand: „Dr. John ist auf ‚Tribal‘ gar nicht so weit vom Sound der neuen Black Keys entfernt“, war an dieser Stelle anlässlich des letzten Albums des Altmeisters zu lesen. Der Nachfolger „Locked Down“ wurde nun tatsächlich von Dan Auerbach produziert. Wohl nicht zuletzt dank dessen Mithilfe verbuchte Dr. John mit Platz 33 den höchsten Billboard-Charts-Einstieg in seiner bald 50-jährigen Karriere.
Obwohl Dr. John mit Stars wie Frank Zappa, den Rolling Stones und Aretha Franklin zusammengearbeitet hat, blieb dem extravanten Kauz der ganz grosse Erfolg verwehrt. Die Strahlkraft des 71-jährigen Musikers aus New Orleans, dessen Künstlername auf einen Voodoo-Priester aus dem frühen 19. Jahrhundert zurückgeht, reicht dennoch über die Südstaaten hinaus. Im letzten Jahr wurde er immerhin in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.
Dan Auerbach macht seinen Job ähnlich gut wie Rick Rubin bei den „American Recordings“ von Johnny Cash. „Locked Down“ begegnet der Retro-Ästhetik der Gegenwart mit Zeitlosigkeit. Vom New Orleans-Funk des einleitenden Titelstücks bis hin zum abschliessenden Gospel „God’s Sure Good“ glänzt das Album mit einem Sound, der gut abgehangen, aber nicht altbacken klingt. Die Produktion ist rauh und doch detailverliebt, fast wie auf Dr. John’s unvergleichlichem Debüt „Gris Gris“ von 1968.
Wie sein ganzes Werk lebt auch „Locked Down“ von der Vielseitigkeit des Songwriters und Pianisten. Eine tighte Band und ein Chor decken Dr. John den Rücken, während dieser über den Tellerrand seines Gumbo Richtung Afrika schaut: „Ice Age“ liebäugelt mit Afro-Beat und „Revolution“ hinterfragt zu einem äthiopischen Groove die Weltordnung. Das rootsige Rückgrat bilden Rhythm & Blues („Big Shot“), Soul („Kingdom Of Izziness“), Funk („Eleggua“) und Jazz („Get Away“). Ein stilles Highlight ist die psychedelische Ballade „My Children, My Angels“.
„Locked Down“ klingt stellenweise ein wenig wie ein Album von Tom Waits, auf dem dieser die Stimme ausnahmsweise mal nicht verstellt. Dennoch braut Dr. John, der Waits seinerseits insbesondere bei „Blue Valentine“ beeinflusst hat, sein ureigenes Süppchen. Es schmeckt ausgezeichnet. Guten Appetit!
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