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Julia Holter: Es werde Joy! Ekstasis!

Von    |   19. März 2012   |   2 Kommentare

Im zarten Alter von 27 Jahren präsentiert Julia Holter das Album „Ekstasis“, das aus unzähligen Klangpartikeln ein überwältigendes, grosses Ganzes destilliert.

Wenige Monate nach Erscheinen ihres Debütalbums reicht Julia Holter einen Zweitling nach. Ihre Sporen hat sich die in Los Angeles wohnhafte Musikerin zuvor beim Label Human Ear abverdient, studiert wurde am California Institute of Arts – ein nachweislich fruchtbarer Boden, wenn es um das Ausbrüten intellektueller Musikgespinste geht (man denke an John Maus). Nur logisch also, dass sich nach „Tragedy“ nun auch „Ekstasis“ durch eine schier unverschämte Freude am Experiment auszeichnet.

Dabei ist experimentelle Musik meistens so richtig anstrengend. Da drängen reihum vorlaute Instrumente in den Vordergrund, dem Hörer werden brüske Rhythmuswechsel aufgezwungen und das Sprunghafte in der Komposition hinterlässt unweigerlich ein Übersättigungsgefühl, das man sonst nur vom All-You-Can-Eat-Restaurant kennt. Nicht so „Ekstasis“. Zwar flirtet das Album schwer mit der Avantgarde, bekennt sich letzten Endes aber freiheraus zum Pop.

In Eigenregie zuhause aufgenommen schäumt „Ekstasis“ über vor Ideen. Zwischen den Klammern eines Songs reichen sich immer neue Einfälle die Hand, reihen sich nahtlos aneinander, ohne je den Sinn für das Grosse und das Ganze zu verlieren. Davon kann der Album-Opener „Marienbad“ ein Liedchen singen. In barokem Gewand walzert er zu synthetischen Cembalo-Klängen durch marmorne Hotelkorridore, stolpert über gezupfte Streicher, gibt sich dem Anflug eines Four-on-the-floor-Beats hin und ist dennoch eingängig, wie aus einem Guss.

„Ekstasis“ wirkt ätherisch, flüchtig, scheinbar zufällig. Quasi intuitiv überlagern sich hier die Ebenen zu abstrakten Klangbildern und doch ist alles mit Sorgfalt austariert. Die Musikerin schöpft aus Literatur und Mythologie, verbindet Vergangenes mit Elektronik aus Vocoder und Drum Machine, hier treffen Orient auf Mittelalter, geistliche Klänge auf Free Jazz. Und wenn man sich die Aufzeichnung von Holters allererstem Auftritt in New York ansieht, mit eigenen Ohren hört, wie die unzähligen Fragmente plötzlich in einem grossen Gesamtkunstwerk aufgehen, dann kann man sicher sein, dass sie sich eben da vor einem manifestiert, die grosse Alchimistin des Pop. Um es in den Worten der Musikerin zu sagen: Joy! Ekstasis!

Julia Holter live from NYC’s Le Poisson Rouge (via NPR)

Julia Holter – In The Same Room

Julia Holter – Marienbad

Julia Holter – Für Felix


> „Ekstasis“ ist am 8. März auf RVNG Intl. erschienen.

2 Reaktionen

  1. Group Rhoda lehrt Maschinen fühlen - 78s – bessere Musik!
  1. #1 nico

    10:11 Uhr, 19.3.2012, Link

    ich spür‘ das. definitiv. frau holter versprüht sich in alle vier himmelsrichtungen – und bleibt trotzdem auf platz.

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