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Kammerflimmern im Teufelskamin

Von    |   4. November 2011   |   1 Kommentar

Es raschelt im Unterholz. Das Kammerflimmer Kollektief meldet sich mit dem wunderbaren Album „Teufelskamin“ zurück.

Seit mehr als einer Dekade hat es sich das Kammerflimmer Kollektief zwischen Stuhl und Bank gemütlich gemacht. Das progressive Trio aus Karlsruhe mag Jazz, verzichtet jedoch auf Virtuosentum, ist bei einem Electronica-Label unter Vertrag, musiziert aber vorwiegend mit organischen Mitteln. Mit Jam-Gebeten werden die Geister von Krautrock und Minimal Music beschworen. In Höhlen versammelt man sich zur meditativen Séance und liest schwarze Messen im Schwarzwald.

Auf „Teufelskamin“, der mittlerweile sechsten Platte für Staubgold, bleibt grundsätzlich alles beim Alten. Es raschelt, knarzt und hallt im Gehölz, Atmosphäre wird erneut gross geschrieben. Heike Aumüller singt in Zungen, Johannes Frisch sorgt für unkonventionelle Rhythmen und Thomas Weber kümmert sich um verhuschte Elektronik und erdige Gitarren. Letztere klingen auf dem neuen Album mehr denn je nach dem amerikanischen Süden.

„Corocidin Boogie“ verleiht dem Blues zum Auftakt eine Schwerelosigkeit, die man dem alten Recken nicht zugetraut hätte. „Never Collapse, Always Dazzle!“ startet mit dubbigem Delay, doch auch hier lässt letztlich eine Slidegitarre die Kompassnadel nach Westen zeigen. Dennoch gelingt dem Kollektief das Kunststück die Americana-Stilmittel durch den Einsatz von Harmonium, Maultrommel, Fender Rhodes und Kontrabass frei von Klischees zu halten. Nach John Wayne hält man in dieser Prärie vergeblich Ausschau. Stattdessen stapft ein Waldgeist durch den Schnee.

Der Albumtitel liefert eine Metapher für die geheimnisvolle Kraft, die sich hinter dieser Musik verbirgt. Teufelskamin bezeichnet jenes geologische Phänomen, bei dem durch Gesteinsschächte Wasserfontänen aus dem Meer in die Höhe schiessen. Tatsächlich unterbrechen gelegentliche Lärmeruptionen das dunkle Brodeln dieses bedächtigen Albums. „Teufelskamin“ verbreitet eine unheimliche Gemütlichkeit mit diabolischen Untertönen. Skizzenhafte Improvisation dominiert, lediglich „A Different Carmic Thermal“ trägt poppige Züge, der Rest bleibt Andeutung. Dass das Album mit einem nicht ausgeführten Saxophonsolo abrupt endet, ist bezeichnend für dieses subtile Werk.

> Albumstream „Teufelskamin“

Eine Reaktion

  1. #1 Filipo

    20:18 Uhr, 4.11.2011, Link

    Das klingt jetzt aber nicht nach Franz Ferdinand!

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