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Arcade Fire in Montreux: eine Kritik

Von    |   11. Juli 2011   |   5 Kommentare

Arcade Fire boten in Montreux grosses Kino. Leider.

Bild: Lionel Flusin

Beginnen wir mit der Feststellung, dass Arcade Fire ein grossartiges Konzert abgeliefert haben am Sonntagabend in Montreux. Dicht, wuchtig, hymnisch, verspielt und unheimlich physisch zugleich.

Es gibt derzeit wohl kaum eine andere Band, die ein derart raumfüllendes Konzerterlebnis auf diesem musikalischen Niveau bietet. Das Auditorium Stravinski in Montreux jedenfalls war innert Augenblicken eingenommen von den geballten kanadischen Schallwellen.

Das Problem ist: Arcade Fire wollen mehr. Mehr laut, mehr Spektakel und vor allem: mehr Kino. Gleich mit dem Intro wird das Publikum in den Kino-Modus versetzt und aus diesem Würgegriff nie mehr richtig losgelassen. Die Grossleinwand hinter der Band mit kunstvollen Einspielern überfrachtet die Sinne, die mit der Musik alleine gerade richtig stimuliert werden. Live-Bilder in artsy Sepia, geschenkt. Wenn aber bei Month of May zusätzlich zum klanglichen Gewitter Visuals mit gefühlten 24 Schnitten pro Sekunde auf das Publikum losgelassen werden, dann ist der Bogen überspannt.

Die optische Überfrachtung ist der augenscheinlichste Ausdruck dessen, was sich bisweilen auch im Spiel selber niederschlägt: das Pendel schwingt zwischen ganz gross und riesengross hin und her. Das Gespür für die Zwischentöne geht Arcade Fire neben dem audiovisuellen Bombast verloren. Kaum wird einer der ruhigeren Songs angespielt (die im auf Festivals ausgerichteten Set ohnehin rar sind), sackt das Energielevel ab, die Emotionen verfliegen. Gerade solche Songs aber und der gekonnte Wechsel zu den grossformatigen Hymnen könnten eine Band wie Arcade Fire in ihrer vollen Grösse zeigen.

Vielleicht ist es der Fluch jeder grossen Band, dass ihr die Musik alleine irgendwann nicht mehr reicht. Wenn wir Glück haben, ist es bei Arcade Fire das Entwicklungsfieber hin zur noch besseren Liveband. Ihren Sound auf Stadiongrösse ausgedehnt haben Arcade Fire erfolgreich und scheinbar mühelos. Die nächste Herausforderung besteht nun darin, auch in diesem Format Momente der Intimität herstellen zu können.

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5 Reaktionen

  1. Ausflug ins NZZ-Feuilleton: Arcade Fire in Montreux | @ThomNagy
  1. #1 David

    14:45 Uhr, 12.7.2011, Link

    Stimme der Kritik zu. Ein grossartiges Konzert. Aber bei den ruhigeren Songs Haiti oder Speaking in Tongues konnte das Tempo nicht mehr ganz gehalten werden. Grössenwahnsinnig fand ich das Spektakel nicht. Einfach Episch! Aber das war der Sound von Arcade Fire schon immer.

  2. #2 thom

    19:41 Uhr, 13.7.2011, Link

    herr butler war ganz offensichtlich angepisst von der schweizerischen reserviertheit des publikums und hat das mehrmals nonverbal und verbal („this may be the last time we ever play in switzerland“) zum ausdruck gebracht. ist ja auch schon so, das publikum war reserviert. aber hey. mich hat das ein wenig genervt muss ich sagen. ging das anderen auch so?

  3. #3 Lukas

    20:13 Uhr, 13.7.2011, Link

    Der gute Herr hat leider die Ausstrahlung einer Konservendose. Ich hab in der Schweiz schon super Konzerte erlebt, das muss also nicht unbedingt nur am Publikum liegen…Klar, ihre Musik ist super, das Konzert war wirklich auf hohem Niveau, aber der Funke ist definitiv nicht auf das Publikum übergesprungen. Vielleicht hat man bei 98.- auch nicht gerade ein typisches Arcade Fire Publikum? Ich fand ihre Show einfach auch irgendwie zu kopflastig, überfrachtet mit Bedeutung.
    Hat mir trotzdem gefallen, geht halt nicht in die Top 5 ein…so rein vom Live-Feeling her…

  4. #4 montreux?

    23:56 Uhr, 13.7.2011, Link

    Ich war am gleichen Weekend im Dachstock in Bern, dort spielten „Secret Chefs 3“, dass war ja wohl das Konzert des Jahres!!! Und das für 26.- Stutz!!! Montreux ist mir (leider) seit Jahren definitiv zu „GROSS“.
    Tip: webseite anklicken.

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