Obskuradio: Josh White – Strange Fruit
Von Ralph Hofbauer | 10. November 2010 | 1 Kommentar
„Strange Fruit“ ist ein Song, der die Welt verändert hat. Billie Holiday hat die populärste Version eingespielt, Josh White eine ebenso hörenswerte Fassung.
Southern trees bear a strange fruit,
Blood on the leaves and blood at the root,
Black body swinging in the Southern breeze,
Strange fruit hanging from the poplar trees.
Pastoral scene of the gallant South,
The bulging eyes and the twisted mouth,
Scent of magnolia sweet and fresh,
And the sudden smell of burning flesh.
Here is a fruit for the crows to pluck,
For the rain to gather, for the wind to suck,
For the sun to rot, for a tree to drop,
Here is a strange and bitter crop.
Thomas Shipp und Abram Smith wurden am 7. August 1930 in Marion, Indiana, von einem aufgebrachten Mob erhängt, weil die beiden jungen Afro-Amerikaner angeblich einen weissen Fabrikarbeiter umgebracht hatten. Der Fotograf Lawrence Beitler hielt den brutalen Lynchmord mit einem Foto fest, das zu einem ikonischen Bilddokument der damals in den Südstaaten weit verbreiteten Lynchjustiz werden sollte. Über 3’000 Schwarze waren bis dato erhängt worden, oftmals ohne handfeste Beweise.
Das eindrückliche Foto des Lynchmords in Marion wollte dem russisch-jüdischen Lehrer Abel Meeropol nicht mehr aus dem Kopf. Der überzeugte Kommunist und Gewerkschafter verfasste das Gedicht „Bitter Fruit“ und veröffentlichte es 1937 unter dem Pseudonym Lewis Allan in einer Zeitschrift der New Yorker Lehrergewerkschaft. Vom Text des Gedichts ausgehend komponierte Meeropol den Song „Strange Fruit“, der von seiner Frau bei einer Gewerkschaftsversammlung uraufgeführt wurde.
„Strange Fruit“ gewann in linken Kreisen eine gewisse Popularität und fand schliesslich Eingang ins Repertoire von Billie Holiday, die das Stück 1939 erstmals einspielte. Ihre Plattenfirma weigerte sich anfangs den Song zu veröffentlichen, doch „Strange Fruit“ wurde zum traditionellen Abschluss ihrer Auftritte im Café Society, dem einzigen New Yorker Club ausserhalb Harlems, der auch Schwarzen offen stand. So machte Billie Holiday das Stück zu ihrem Markenzeichen und behauptete in ihrer Autobiografie gar, sie hätte es selbst geschrieben.
Josh White trat ebenfalls regelmässig im Café Society auf, das nebenstehende Foto zeigt ihn bei einem Auftritt von 1946. Auch er sang den Song, der in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung eine tragende Rolle spielte und mitunter als schwarze Marseillaise bezeichnet wurde. „Strange Fruit“ verbreitete sich wie ein Lauffeuer, obwohl das Stück lange Zeit von den Radiostationen boykottiert wurde. Das Time Magazine bezeichnete das Lied bei Erscheinen als musikalische Propaganda, kürte es jedoch 60 Jahre später zum Song des 20. Jahrhunderts.
Josh White machte bereits im Alter von sieben Jahren eine traumatische Erfahrung mit dem Rassismus. Sein Vater wurde von weissen Beamten zu Tode geprügelt, weil er eine Rechnung nicht bezahlt hatte, ein Schicksalsschlag, der in seiner Version von „Strange Fruit“ nur allzu deutlich zum Ausdruck kommt. Die Aufnahme von 1942 klingt so intim als würde man zu später Stunde im Café Society sitzen. Die Band hat die Bühne verlassen, nur der Sänger bleibt alleine mit seiner Gitarre zurück und singt das traurige Memento Mori.
Josh White – Strange Fruit
[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2010/11/Strange-Fruit.mp3]Eine Reaktion
78s wird seit Juni 2015 nicht mehr redaktionell betreut. Die Kommentarfunktion ist deswegen deaktiviert.
13:48 Uhr, 13.11.2010, Link
vielen dank für diesen beitrag. sehr gute arbeit!!!