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Ein Mann auf einem Hocker: Neil Young lässt es krachen

Von    |   30. September 2010   |   0 Kommentare

Vor einigen Tagen hat Neil Young sein Solo-Album „Le Noise“ veröffentlicht. Das radikale Werk des nimmermüden Altmeisters haut zünftig auf die Pauke.

Eben noch hat uns Dr. Pop über die Bedeutung von Produzenten aufgeklärt, die als Schattenmänner oder Rampensäue im Studio um die gute Seele des Sounds besorgt sind. Schon finden wieder zwei zusammen: Anfang Woche hat Neil Young seine neue Platte „Le Noise“ veröffentlicht, die im Haus des Grammy-prämierten Produzenten Daniel Lanois aufgenommen wurde. Moment mal. Le Noise? Lanois? Hat hier etwa einer sein Solo-Album nach seinem Produzenten benannt?

Tatsächlich lässt auch die Vorabpresse zum Album Schlimmes befürchten: Young, der in seiner Karriere nur ganz selten die ganz Grossen hinter die Regler gelassen hat, kommt hier kaum zu Wort. Anders Lanois, der über die Zusammenarbeit frisch von der Leber weg Dinge wie „I wanted [Neil Young] to understand that I’ve spent years dedicated to the sonics in my home and that I wanted to give him something he’d never heard before“ oder “just a man on a stool and me doing a nice job on the recording” zu vermelden weiss.

Mit dem Plattenrelease kommt das grosse Aufatmen: Young bleibt am Drücker. Auf seinen Wunsch hin wurde das Album bei Vollmond eingespielt, da er dann gemäss eigener Einschätzung die besten Lieder schreibt. Innerhalb von vier „Full Moons“ ist die Sache im Kasten und die Songs danken es mit der Unmittelbarkeit und rohen Energie einer Live-Performance. Die ausgefledderten Fuzz-Kracher präsentieren sich unfertig und improvisiert, verstehen es dennoch spielend, sich des Produzenten „Sonics“ – die zuvor schon Bob Dylan, U2 oder Peter Gabriel eingelullt haben – zunutze zu machen, ohne von diesen übertölpelt zu werden.

Auf „La Noise“ ist das grosse Schaulaufen der Gitarren angesagt. Einerseits feilscht da Lanois‘ akustische Wundergitarre mit ihren Basssaiten und elektronischen Spielereien um die Gunst des Publikums. Dann darf nach Jahren der Untätigkeit endlich mal wieder Young’s Gretsch White Falcon ran, der er einige seiner bekanntesten Songs zu verdanken hat. Parallel durch zwei Amps gejagt, einmal clean und einmal mit einem Mordstremolo drauf, scheint sie sich bei jedem Akkord unter einem kräftigen Rückstoss aufzubäumen. „Folk-Metal“ nennt Young das – und es rockt wie Hölle.

Klar, dass seine Fieselstimme auch hier wieder den Kürzeren zieht. Doch der Meister weiss ihr trotz aller Verletzlichkeit eine unheimliche Durchschlagskraft zu verleihen. So bringen im Song „Love And War“ die Lyrics „I sang for justice and I hit a bad chord / but I still try to sing about love and war“ Young’s schöpferischen Antrieb ohne Umschweife auf den Punkt und ebnen den Weg für das autobiographische Schlüsselwerk der Platte.

In „Hitchhiker“ blickt der Musiker auf 64 Lebensjahre zurück, die ihn vom jungen Kerl zum Mann haben reifen lassen, ohne ihm je den Willen zur Rebellion zu nehmen. In diesem einen Lied gibt Young mehr über sich preis als man ihm über die Jahre in unzähligen Interviews hat abknöpfen können. Und wenn mit der letzten Strophe des Songs das Schwarz-Weiss des Videos in Farbe übergeht, dann kann jeder sehen, dass für Young eben gerade ein Bubentraum in Erfüllung gegangen ist.

> „Le Noise“ ist am 28. September auf Reprise Records erschienen und kann in voller Länge gestreamt werden.

„Walk With Me“:


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„Hitchhiker“:


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„Love And War“:


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„A conversation with Daniel Lanois – The Making of „Le Noise““:


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