Schund O Schund
Von Mathias Möller | 16. Juni 2010 | 18 Kommentare
Niemand macht sich zu Fussball-WMs musikalisch so schön zum Löffel wie die Deutschen. Auch 2010 ist auf sie Verlass.
Schaut man in die Popgeschichte zurück, gleichen die deutschen Musikbeiträge zu den jeweiligen Fussballweltmeisterschaften, egal ob offiziell oder inoffiziell, einem Horrorkabinett. Ob „Comedian“ Oliver Pocher, auch sonst so lustig wie welke Kartoffelschalen oder Revolverheld, eine drittklassige Rockband, oder die von Jahr zu Jahr unsäglicher werdenden Sportfreunde Stiller: Nichts ist dem gemeinen Kartoffeldeutschen zu peinlich, um seine in regelmässigen Abständen auftretende schwarz-rot-goldene Feierlaune in Tongewand zu kleiden.
2010 schiesst den Vogel ein Haufen Studenten aus dem westfälischen Münster ab: Sie nennen sich Uwu Lena und haben Lena Meyer-Landruts (LML) Eurovision-Titel „Satellite“ in „Schland O Schland“ gewandelt. Die junge Berlinerin Hannoveranerin musste sich ja erst vor einigen Wochen vor den nationalen Karren spannen lassen, als sie für den Laien völlig unerwartet den europäischen Schlagerwettbewerb gewann.
Nun lenats also wieder vor dem Kasten, und Uwu Lena verwandelt die Steilvorlage sicher. „Schland O Schland“ reiht sich in die deutsche Tradition musikalischer Kapitalverbrechen ein. Ein bärtiger Sänger im Lena-Kleid singt die nationale Amateur-Jubelarie zu den abgeguckten, spackigen Bewegungen von LML (hui, wie innovativ!) und mimt zwischendurch sogar den falschen Cockney-Akzent des Jungstars (uuuh, quasi ein Meta-Faux). Dazu tanzen im Hintergrund die schwarz-rot-geilen Kommilitonen.
1968 randalierten deutsche Studenten gegen die Nazivergangenheit ihrer Eltern, gut vierzig Jahre später vollführen angehende Akademiker den postideologischen Veitstanz. Stefan Raab, geschmacksbefreiter Volksentertainer und mit „Böörti, Böörti Vogts“ bereits mit WM-Lorbeeren ausgestattet (machen wir uns nichts vor, es ist eine der lustigeren Peinlichkeiten), hat sogar Interesse bekundet, Uwu Lena zu produzieren.
Auch 2010 ist auf die Deutschen also Verlass. Und unwillkürlich muss ich beim Anblick der Uwu-Lena-Spassvögel an die englischen Komiker Baddiel und Skinner denken. Sie haben die Deutschen im Video zu „Three Lions“ noch am treffendsten dargestellt: Mit VokuHila, Schnauzer und der Briten liebstem Schimpfwort auf dem Trikot: Kuntz!