Platte der Woche: JJ – n°3
Von Ralph Hofbauer | 16. März 2010 | 2 Kommentare
Das Warten auf den Sommer hat ein Ende. JJ besorgen mit n°3 das Warm-up.
Eigentlich ist es nicht fair, dass JJ bei der aktuellen US-Tour von The XX als Vorband hinhalten müssen. Waren es doch die Schweden, die den Initialenbandnamen erfunden haben. Das mysteriöse Duo aus Göteborg war mit seinem Debütalbum im letzten Jahr einige Monate früher dran als das erfolgsverwöhnte Trio aus London.
Wie The XX stehen auch JJ stellvertretend für die sich anbahnende Entschleunigung des Pop in den frühen 10er-Jahren. Auch die Göteborger spielen eine entspannte, entschlackte Musik, allerdings gehen sie dabei deutlich warmblütiger zu Werke als ihre Tourgefährten: JJ vermengen Baleraric-Disco, New Age, und Trip-Hop zu einem Fruchtcocktail, mit dem man es sich im Schlafzimmer genau so gemütlich machen kann wie im Club oder am Strand.
Nach ihrer ersten 7-Inch-Single n°1 und dem Debütalbum n°2 veröffentlichen Joakim Benon und Elin Kastlander mit n°3 ihre dritte Platte, die sie wie gewohnt in ein minimalistisches, mit Blutspuren beflecktes Artwork gepackt haben. Während das Album in Übersee bei Secretly Canadian (Yeasayer, Antony) erscheint, ist das Duo in seiner Heimat nach wie vor bei Sincerely Yours zu Hause, einem Label, das keine Gesichter kennt. Das Göteborger Kollektiv veröffentlicht keine Pressefotos. JJ haben nicht mal eine Website. Alles, was wir von den Schweden kennen, ist ihre Musik.
JJ schrammen mit ihren süsslichen Synthie-Streichern und Keyboard-Flöten bisweilen so haarscharf am New Age-Kitsch vorbei, als wollten sie den esoterischen Sound von Enya, Enigma und Konsorten rehabilitieren. Doch wie die Blutflecken auf dem Cover andeuten, steckt unter der glatten Oberfläche viel Herzblut. Keine Band versteht es besser, Sommerferienerinnerungen mittels Popsongs aufleben zu lassen. Die sonnengereiften Melodien glitzern auf den Wellen, der Gesang umspielt die Songs so sanft wie eine Meeresbrise und die maritimen Sounds lassen den Hörer barfuss im Sand spazieren gehen.
Zugegeben, die Platten von JJ sind fast schon unverschämt kurz. Mit einer Spielzeit von 28 Minuten ist n°3 nur unwesentlich länger als n°2. Das Duo fackelt offenbar nicht lange mit der Veröffentlichung von neuem Material. Obwohl seit dem Vorgänger gerade mal 10 Monate vergangen sind, wirken diese 9 Dreiminutensongs keineswegs zusammengeschustert. Vielleicht hatte n°2 mit „From Africa To Malaga“ den clubtauglicheren Hit zu bieten, doch als Ganzes wirkt der Nachfolger ausgereifter und formvollendeter.
Bei Obscure Sound ist n°3 zwar schlecht weggekommen, doch ich mag diese Platte nur schon deshalb, weil JJ mit „Golden Virginia“ eine Hymne an meine Tabakmarke geschrieben haben. Dass in „Into The Light“ ein italienischer Fussballmoderator zu hören ist, macht meine Verblendung umso grösser, fühle ich mich dank n°3 doch ein bisschen wie damals mit 14, als ich auf einer italienischen Hotelanlage dem dramatischen WM-Finale beiwohnte, bei dem Brasilien Italien im Penaltyschiessen bezwang – oder die Italiener vielmehr sich selber. JJ hingegen haben mit n°3 soeben das 2:1 gegen The XX geschossen.
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2 Reaktionen
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16:33 Uhr, 22.3.2010, Link
mir gefällt dieses album bei weitem nicht so gut wie no.2… aber das ist halt geschmackssache
02:14 Uhr, 1.10.2010, Link
so schön und fruchtbar