78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

My Heart Belongs to Cecilia Winter: „Temporär Beste Band der Welt®“

Von    |   22. Februar 2010   |   19 Kommentare

„Unschweizerisch“ ist das vielleicht am meisten gehörte Adjektiv, wenn es um die Beschreibung der Musik von My Heart Belongs to Cecilia Winter geht. Die Auszeichnung „Temporär Beste Band der Welt®“ ist eigentlich nur noch Formsache.

My Heart Belongs To Cecilia Winter haben es einfach und schwer zugleich. Sie haben gerade ihr Debüt-Album „Our Love Will Cut Through Everything“ veröffentlicht und kriegen Media-Love von Mainstream-Presse und Blogs im In- wie auch Ausland. Sie schaffen es also fast mit Leichtigkeit die Vorschusslorbeeren, die sie sich mit überzeugenden Live-Gigs und einer ziemlich wunderbaren EP erarbeitet haben mit einem, na ja, Hammeralbum zu übertreffen.

Für die Indie-Hipster dieses Landes ist die Zürcher Band aber irgendwie doch zu wenig hip. Ihr Sound erinnere zu stark an Arcade Fire und die seien ja so dermassen Nullerjahre, der Mief aus dem Altersheim sei erfrischender. Und schnell kommt das Pauschalurteil: Schweizer Bands sind mit ihrem musikalischen Output halt nie wirklich trendig und am Puls der Zeit, der da eher auf Namen wie Synthie-Pop und Chillwave hört. Zuguterletzt setzt auch noch der Indie-Reflex ein: Alles was sich an der Schwelle zum Erfolg bewegt, wird sogleich als uncool und passé abqualifiziert. Keine einfach Ausgangslage also für das Trio aus Zürich und Bern.

Mit etwas Nüchternheit kann die gerade beschriebene Grosswetterlage als irrelevant abgetan werden. „Our Love Will Cut Through Everything“ ist ein Album, wie es eine Schweizer Band wohl nur alle paar Jahre veröffentlicht. Es ist auf dermassem hohem Niveau, dass das Adjektiv „unschweizerisch“ unweigerlich kommen muss, ohne damit jetzt zu viel Öl in diese Diskussion giessen zu wollen. Unschweizerisch bedeutet in diesem Kontext, dass solch grosse Platten von Nicht-Schweizern circa ein halbes Dutzend Mal pro Jahr das Licht der Welt erblicken, während aus dem hiesigen Land dies nur alle sechs Jahre der Fall ist.

Die Band zieht alle Register angesagter Musikkompositionen: Bittersüsse Harmonien verwandeln sich in breitwandige Gitarren-Attacken und zurück. Im Zentrum des Geschehens der sich stets an der Schwelle zur Dissonanz befindende Gesang von Thom Lutz, der sich mit Betty Fischers Post-Punk-Organ abwechselt. Mittels Einsatz von State-of-the-Art-Instrumentierung wie Akkordeon, Auto-Harp, Xylophon, Streichern oder Ukulelen rufen sie Vergleiche zu Grizzly Bear oder Arcade Fire hervor, an deren Berechtigung eigentlich niemand zweifelt – weder Nils Althaus noch Rufus Wainwright, die beide angeblich bekennende Fans der Band sind.

Das Grundrauschen und die diversen Ausschläge vereinen dermassen viele Stilelemente auf sich, dass man unweigerlich alle angesagten Musik-Genres und damit Register ziehen könnte, um jede abwertende Äusserung über die Relevanz der Band mit einem verbalen Zweihänder niederzuschmettern. Es gibt keinen Zweifel: My Heart Belongs to Cecilia Winter sind derzeit die „Temporär Beste Band der Welt®“. Und jetzt soll mir niemand mit Synthie-Pop oder Chillwave kommen. Damit gibt’s eigentlich nur noch eine Frage: Wer ist Cecilia Winter?

> Nächste Live-Gigs: 4.3. Grabenhalle St. Gallen, 5.3. Merkker Baden, 9.3. Exil Zürich

> Zur Hall of Fame „Temporär Beste Band der Welt®“

My Heart Belongs to Cecilia Winter – My Heart My Heart
[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2010/02/02-My-Heart-My-Heart.mp3]

My Heart Belongs to Cecilia Winter – Never Ever Mountain
[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2010/02/04-Never-Ever-Mountain.mp3]

My Heart Belongs to Cecilia Winter – Lover
[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2010/02/11-Lover1.mp3]

My Heart Belongs to Cecilia Winter – Eighteen
[audio:http://www.78s.ch/wp-content/uploads/2010/02/01-Eighteen.mp3]

19 Reaktionen

  1. #1 Johannes

    14:17 Uhr, 22.2.2010, Link

    Ich bin dafür, dass sich bei 78s jemand ernsthaft mit der «Erörterung von Internationalität Schweizerischer Musik» auseinandersetzt. Damit liessen sich allenfalls Kurzschlüsse wie obiger vermeiden.

    Ansonsten gehe ich mit Ihnen absolut einig, Herr Menzl.

  2. #2 David Bauer

    14:36 Uhr, 22.2.2010, Link

    Wir haben unsere Dissertation alle schon geschrieben. Wir müssen also leider passen.

  3. #3 pianodunst

    14:49 Uhr, 22.2.2010, Link

    ja erstaunlich, wie die band plötzlich in schon fast aller Munde ist.
    obwohl ja für einmal hier nicht bernhard willhelm oder alexander mac queen am werk war, sondern schöne kleider aus dem Opernhaus! sehr sehr schön!

  4. #4 peedy

    16:54 Uhr, 22.2.2010, Link

    ich finds cool tönen die etwas nach arcade fire. da ist nichts dran auszusetzen. jeder tönt nach irgendwas, nur scheint uns das bei heimeischen bands amigs immer besonders aufzufallen und zu stören.
    finde das album wirklich spannend und gut gemacht. einzige (gutgemeinte) kritik ist, dass das ganze live für mich nicht so spannend wie die cd rüberkommt. ist wohl aber auch schwierig mit nur 3 leuten.

  5. #5 Johannes

    23:36 Uhr, 22.2.2010, Link

    @David: «Erörterung von Internationalität Schweizerischer Musik» bietet maximal Stoff als für eine kleine Hausarbeit. Für eine Dissertation würde sich eher «Qualität, Erfolg und Markt – die drei Unbekannten in der Indie-Gleichung» anbieten. Aber ich schweig ja schon.

  6. #6 rockyeah

    00:57 Uhr, 23.2.2010, Link

    Dieses Album ist einfach ein sehr schönes, gelungenes Stück Musik. Es erfreut mein Herz und ich höre es gerne. Was das jetzt mit Chill Wave, Synthie-Pop und State of the Art-Instrumentierung zu tun hat, erschliesst sich mir nicht. Warum muss eine Band unbedingt „temporär Beste Band der Welt“ sein? Warum fängt der Text mit „Unschweizerisch“ an? Warum begibt sich der Autor freiwillig in die Falle dieses Schweizer-Musik Diskurs? Warum baut der Autor selber eine Abgrenzung von Schweizer Musik zu „Ausländischer Musik“ ein? Warum dieser Bezug auf das, was andere sagen? Warum wird nur in einem Absatz und auch da nur annähernd auf die Musik eingegangen? Geht es in dieser Rezension um die Band, die Platte, den Autoren oder den Blog? Ich möchte gerne etwas über die Musik wissen, die diese Band macht, etwas, das mich überzeugt, mir diese Platte anzuhören, etwas über die Haltung, die Texte, von mir aus die Einordnug in einen musikhistorischen Kontext, etwas über alles was bei einer Band wichtig ist. Und das ist nunmal zuletzt die Meinung und die Verbindlichkeiten des Autors. Es sei denn er heisst Lester Bangs oder John Peel. Wie schon x mal erwähnt: Eine ehrliche Kritik bringt alle weiter. Auch an diesem Album ist nicht alles Golden. Ist das so schwierig? Musik hört man übrigens auch mit dem Herzen.

  7. #7 Mathias Menzl

    09:05 Uhr, 23.2.2010, Link

    warum, wieso, weshalb? warum schreibst du einen kommentar in einem musikblog?

  8. #8 pierre

    13:49 Uhr, 23.2.2010, Link

    @ menzl: ??????????????
    @ rockyeah: hast ganz recht!!!

  9. #9 Nina

    15:01 Uhr, 23.2.2010, Link

    Schon noch gut haben sie 5 CDs in Zürich „versteckt“. Mein Portmonnaie und mein Herz hats gefreut. Und gefreut und gefreut und gefreut und gefreut und gefreut. Danke Cecilia!

  10. #10 Mathias Menzl

    15:04 Uhr, 23.2.2010, Link

    @pierre und @rockyeah: Ich lasse die Kritik gelten und ich verstehe sie auch. Allerdings erachte ich es durchaus auch als mein Recht, eine Review so zu schreiben, wie ich es will/kann auf Grund der Rahmenbedingungen. Bei der aktuellen Platte von MHBTCW habe ich es aus einem Impuls heraus so gemacht, dass ich die Platte und die Band in einen Kontext gestellt habe, der sie in punkto Trendyness und Hipster-Akzeptanz verortet. Darum geht es übrigens auch in dieser Rubrik „Temporär Beste Band der Welt“. Die Rubrik ist ja, falls das euch entgangen sein sollte, durchaus mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Dass dadurch der musikhistorische oder narrative Kontext zu Kurz kommt, das stimmmt. Ihr könnt das aber gerne für mich übernehmen, denn wie ihr wahrscheinlich selber wisst, ist eine solche Review durchaus mehr Büez als das was hier oben steht. Und da wären wir wieder bei den Rahmenbedingungen. Vielleicht lest ihr ja in der Spex oder im Rolling Stone eine „hochwertigere“ Kritik, die euch glücklich macht.

  11. #11 Johannes

    12:51 Uhr, 24.2.2010, Link

    @rockyeah: Menzl ist ein Musikpolemiker und zwar ein guter. Plattenkritiken mit dem Fazit «Dieses Album ist einfach ein sehr schönes, gelungenes Stück Musik», interessiert nun wirklich keiner. Ts.

  12. #12 rockyeah

    15:18 Uhr, 24.2.2010, Link

    @johannes: klar interessiert mein fazit niemanden. war ja auch nicht die idee, die steht dann weiter unten. und dass der herr menzl ein polemiker ist, weiss ich auch, hab ich auch schon sehr geschätzt und mit einem grinsen quittiert. nur, wenn dann die polemik zum selbstzweck verkommt, resp halt nur noch polemisch berichtet wird, hab ich etwas mühe. (sehr) überspitzt gesagt, gehts in diesem text gar nie um mhbtcw. sie werden bloss als aufhänger benutzt um die verlinkte ’schweizer musik‘-diskussion wieder anzuheizen. auch ok, nur werden genau diese klischees (unschweizerisch, schweizer bands machen nur alle x jahre gute alben und hinken immer dem trend hintennach plus indies finden alles scheisse was erfolg hat) bemüht, von der sich in der langen diskussion so ziemlich alle distanziert haben. irgendwie beschleicht mich da das gefühl von nichts gelernt und sich im kreis drehen. oder halt schlechter polemik der polemik willen. dabei wäre es doch ein leichtes gewesen, genau bei dieser band ein zeichen zu setzen und eben nicht das ’schweizer band-sein‘ sondern das „hammeralbum“ als aufhänger zu benutzen.
    @mathias: klar ist es dein gutes recht eine review so zu schreiben, wie du das für richtig hälst. ist ja auch dein blog und ich muss es ja nicht lesen. klar, kann ich dann auch die spex oder pitchfork lesen oder es selber besser machen. das führt uns aber nirgendwo hin. ich schätze 78s.ch eben gerade darum, weil ihr mit viel herzblut auch über die bands berichtet, die nicht in obengennaten vorkommen. und das meistens auf hohem niveau. was mich einfach etwas stört (und die augenzwinkernde rubrik ist ja auch aus einer solchen kritik enstanden) ist dieser einordnungs- und abgrenzungswahn und dieser wettbewerbsgedanke. musik funktioniert anders als sport. es geht nicht darum zu gewinnen oder der beste zu sein, mehr lego zu haben als der andere. hype ist gut, hype kann förderlich sein, ich sehe die gute absicht dahinter, nur, wenn mir dann sachen ums verrecken als hype aufgedrückt werden, kann ich auch den pressewisch des labels lesen. eine ehrliche, persönliche kritik empfinde ich da als viel förderlicher und wird auch der band gerechter.
    kurz: ich hätte an dieser stelle gerne eine ihnaltliche kritik gelesen, gerne deine meinung gehört. diese band bietet (wie ich aus persönlicher erfahrung weiss) genügend inhaltlichen sprengstoff um eine gute diskussion anzuregen. stattdessen diskutieren wir hier wieder über 78s und den schweizer komplex (klar bin ich da nicht unschuldig dran…). schade.

  13. #13 David Bauer

    16:05 Uhr, 24.2.2010, Link

    @rockyeah
    Ich teile deine Ansicht nicht. Es ist nicht nur unsere Aufgabe (oder unser Anspruch), über die Musik von einzelnen Bands zu schreiben, sondern diese eben auch einzubetten in einen grösseren Kontext. Das macht Mathias in seinem Text sehr gut, finde ich. Ausserdem ist es ja nicht so, dass wir hier zum ersten Mal über Cecilia Winter schreiben – in diesem Falle wäre es tatsächlich etwas komisch, so wenig Worte über die Musik zu verlieren. Schau doch mal an, was wir bisher schon über CW geschrieben haben. Da steht auch einiges zur Musik. http://www.78s.ch/tag/my-heart-belongs-to-cecilia-winter/

  14. #14 rockyeah

    16:24 Uhr, 24.2.2010, Link

    @david: klar soll die band in einen kontext eingebettet werden, etwas anderes wollte ich nie sagen (kontext hat aber auch eine zeitlich rückwärtsgewandte seite). es ging mir mehr um den wettbewerbsgedanken und dieses unbedingte schubladisieren, ist jetzt aber nicht nur auf diessen text bezogen.
    dass dies nicht der erste text zu mhbtcw winter ist, dessen bin ich mir bewusst. ich zähle 3 appetit-anreger und eine promo aktion in denen nicht wirklich mehr steht, als dass jetzt dann eine grosse platte erscheint. der appetit auf die ‚grosse‘ rezension wurde angeregt und dann leider nicht gestillt. vllt ist aber halt auch meine erwartungshaltung falsch oder altmodisch.

  15. #15 Ryan

    18:27 Uhr, 24.2.2010, Link

    Gebe rockyeah recht. Für ein gelungenes CH-Produkt wäre es eigentlich die grössere Anerkennung, einfach nur über die Qualitäten zu schreiben, über den Inhalt, statt jedes Mal, auch wenn teilweise ironisch gemeint (Titel) nach dem Vergleich zum Ausland zu suchen. Da scheint unterschwellig wieder der zwanghafte CH-Selbstbehauptungs-Reflex/Komplex durch, dem man sonst schon tagtäglich in allen Medien begegnet.

  16. #16 Mathias Menzl

    20:02 Uhr, 24.2.2010, Link

    @rockyeah: wenn du den text genau liest, dann sollte eigentlich ankommen, dass die hype-maschinerie ja ziemlich doof ist und wenn dann noch der indie-reflex dazukommt, das ganze lächerlich wird. es ging um die einordnung von mybtcw in diesen hype-kontext, weil sie eben nicht dem aktuellsten trend entsprechen, sondern etwas hinterherhinken. Fazit: dies sollte eigentlich niemanden interessieren, weil es ein hammeralbum ist. klar, die review bewegt sich sehr krass an der oberfläche und es ist in der tat so, wie ich oben auch in meinem vorhergehenden kommentar geschrieben habe, dass es auch durchaus eine tiefergehende betrachtung der musik hätte geben können. Jedoch: auch die einbettung in einen kontext kann gluschtig machen auf ein album. es muss nicht immer eine umständlich und vor adjektiven triefende sezierung des musikalischen outputs sein.

  17. #17 David Bauer

    20:07 Uhr, 24.2.2010, Link

    C’mon, jetzt seid nicht päpstlicher als der Musikpapst. Wenn ihr euch die Hall of Fame der vergangenen Temporär Besten Bands der Welt anschaut, dann werdet ihr merken, dass wir diesen Titel zwar mit einem Augenzwinkern, aber durchaus ernst gemeint vergeben. Wir halten CW für eine grossartige Band die eben ein grossartiges Album veröffentlicht hat.

    Wenn der Appetit auf eine grosse Rezension angeregt wurde, war das wohl ein Missverständnis. Wir wollten Appetit anregen auf ein grosses Album. Denn hier geht es nicht um uns, sondern um My Heart Belongs To Cecilia Winter.

  18. #18 Jimmy

    12:11 Uhr, 20.7.2010, Link

    Das Lustige an 78s ist, dass sich die Autoren anscheinend bereits beim Schreiben der Beiträge potentielle Kritikerstimmen vorstellen und dann ihre vorgegriffene Selbstverteidigung in ihre Meinungsformulierung einbauen bevor der gemeine Kritikerchor überhaupt eine Chance hatte loszubrechen. Um dann nach der Veröffentlichung des Beitrages in den Kommentarbereich zu wechseln und mit der Verteidigung weiterzumachen.

  19. #19 Mathias Menzl

    22:22 Uhr, 20.7.2010, Link

    so kann man den vorteil einer kommentarfunktion auch umschreiben…lustige theorie.

78s wird seit Juni 2015 nicht mehr redaktionell betreut. Die Kommentarfunktion ist deswegen deaktiviert.