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Dr. Pop, von wem stammt das Zitat “Writing about music is like dancing about architecture“?

Von    |   7. Januar 2010   |   2 Kommentare

Wer hat’s erfunden? Manche behaupten Frank Zappa hätte das populärste Bonmot des Musikjournalismus geprägt, andere Elvis Costello, wieder andere Thelonious Monk. Vermutlich war es keiner der drei.

“Writing about music is like dancing about architecture – it’s a really stupid thing to want to do”, soll Elvis Costello 1983 in einem Interview gesagt haben. Costello stritt später jedoch ab, die Wendung erfunden zu haben und behauptete, das Bonmot wäre auf dem Mist des Komikers Martin Mull gewachsen. Andere Quellen besagen wiederum, dessen Berufskollege Steve Martin habe den wohl meist zitierten Aphorismus der Popkultur geprägt. So hat sich das Zitat Mitte der 80er verselbständigt und wurde verschiedensten Zeitgenossen zugeschrieben, unter anderem auch Laurie Anderson. Wie sich herausstellte, kannte Anderson die Wendung jedoch von Steve Martin. Wobei dieser den Spruch ja wiederum auch bei Martin Mull geklaut haben könnte…

Allerdings könnte der zum geflügelten Wort gewordene Satz ebenso gut schon lange vor den 80ern erstmals gefallen sein. Gerne wird das Zitat nämlich auch mit Jazz-Musikern wie Thelonious Monk, Charles Mingus und Miles Davis in Verbindung gebracht, was sich jedoch nicht mit Quellen belegen lässt. Frank Zappa wird ebenfalls oft als möglicher Urheber genannt, allerdings dürfte es sich hierbei um ein Missverständnis handeln, weil Zappa das grundsätzliche Problem des Musikjournalismus mit weitaus sarkastischeren Worten umrissen hat: „Rock journalism is people who can’t write interviewing people who can’t talk in order to provide articles for people who can’t read.“

Die Frage nach dem Ursprung des Zitats bleibt eines der letzten grossen ungelösten Rätsel der Popgeschichte. Weder Poplexika noch Google können weiterhelfen. Der amerikanische Hobby-Pophistoriker Allan P. Scott hat selbst nach jahrelangen Nachforschungen, die er auf seiner Website ausführlich dokumentiert hat, nicht herausfinden können, wem das Zitat zuzuschreiben ist. Sein Spitzenkandidat ist Martin Mull, was er mit verschiedensten Interviewzitaten zu belegen versucht. Jedoch hat auch der webweit kompetenteste Experte für die Writing-about-Frage keinen eindeutigen Beweis dafür.

Der Diskurs um das Zitat ist so uferlos, dass es sogar Stimmen gibt, die behaupten, es habe ursprünglich nicht „Writing about music…“ sondern „Talking about music…“ geheissen. Die älteste potenzielle Urheberin ist rund ein Jahrhundert älter als der Musikjournalismus: Die deutsche Pianistin und Komponistin Clara Schumann soll sich die Analogie zwischen der Schwierigkeit Musik mit Worten zu beschreiben und der Unmöglichkeit des Tanzens zu Architektur angeblich bereits im 19. Jahrhundert erdacht haben. Selbst Schriftstellergrössen wie Gertrude Stein und William S. Burroughs werden bisweilen mit dem Zitat in Verbindung gebracht.

Vielleicht war der Urheber am Ende ja auch ein selbstironischer Musikjournalist. Der legendäre Gonzo-Journalist Lester Bangs gilt ebenfalls als valabler Kandidat, obwohl Bangs ja hinlänglich bewiesen hat, das man sehr wohl zu Architektur tanzen kann. How about a square dance? *

*) den habe ich nun wiederum Laurie Anderson geklaut

> Leserfragen an: dr.pop(ät)78s.ch

2 Reaktionen

  1. “Writing about music…” | Kochplattenteller
  1. #1 simon

    13:22 Uhr, 8.1.2010, Link

    der spruch mit talking hängt bei mir als schöne spex-bildercollage an der wand. kannte den bisher auch nur so.
    das mit writing kann sich ja nur ein musikjournalist ausgedacht haben!
    selbstreferentielles pack!

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