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Platte der Woche: Get Well Soon – Vexations

Von    |   5. Januar 2010   |   9 Kommentare

Das neue Jahr ist kaum eine Woche alt und bereits haben wir ein potentielles Album des Jahres. „Vexations“, das Zweitwerk von Get Well Soon, ist ein musikalisches, lyrisches und philosphisches Meisterwerk.

Konstantin Gropper alias Get Well Soon ist eigentlich ziemlich unfair. Unfair darum, weil er mit „Vexations“ die Hürde für alle nachkommenden Veröffentlichungen in diesem Jahr derart hoch ansetzt, dass es fast ein Ding der Unmöglichkeit sein wird, ein derart komplettes Werk noch zu überbieten. Die zweite Platte des Wahlberliners, der in der Nähe von Konstanz aufgewachsen ist, zeigt sich als opulentes Meisterwerk und keineswegs als Ärgernis, wie es der Titel der Platte evoziert.

Der Titel „Vexations“, auf Deutsch übersetzt „Ärgernis“, geht zurück auf ein Piano-Stück des Franzosen Erik Satie, ein schillernder Avantgardist im Paris der Zwanzigerjahre. Saties „Vexations“ wurde erst nach seinem Tod gefunden und 1963 von John Cale (Velvet Underground) uraufgeführt. Da die dreizeilige Komposition gemäss Saties Anleitung 840 Mal repetiert werden muss, dauerte das Konzert über 18 Stunden. Damit ist auch klar, wie die Komposition zu ihrem Namen kam.

Ärgernisse sind aber nicht das alleinige Leitmotiv der Platte von Get Well Soon, vielmehr sind es die Gründe und Folgen davon. So öffnen sich die Songs anderen Themen wie Liebe, Tod und der Besessenheit. Eine der Hauptinspirationen der Platte und Namensgeber für den Opener „Nausea“ war Sartres „Der Ekel“, in dem es um existenzielle Fragen des eigenen Daseins geht. Für Gropper geht es dabei um die Loslösung von gelernten Strukturen und Abläufen, ums Erwachsenwerden und um die totale Hingabe an das Kunstschaffen. Ähnlich wie bei Sartres Roman „Der Ekel“, in dem der Protagonist angewidert ist von der Sinnlosigkeit und Zufälligkeit seiner Existenz, und neue Wege gehen muss, um eine Rechtfertigung für sein Leben zu finden, sucht Gropper mit totaler Hingabe nach dem perfekten Arrangement. Die totale Hingabe ans eigene Schaffen kommt im Song „Werner Herzog Gets Shot“ zum Ausdruck. Der Song wurde inspiriert von einem Youtube-Video, in dem der Filmemacher Werner Herzog von der BBC interviewt und dabei erschossen angeschossen wird. Das Werk wird damit höher gewertet als das eigene Leben.

Und so hat jeder Song auf „Vexations“ seine eigene Geschichte. Die Arbeit, welche der Deutsche in die Lyrics investiert hat, gleicht der eines Wissenschaftlers. Gropper singt nicht irgendwelche Belanglosigkeiten vor sich hin, sondern hat auf „Vexations“ jede einzelne Strophe aus literarischen Werken zusammengesucht und sich damit die lyrische Basis für sein eigenes Meisterwerk geschaffen. Das Album sei ein Flickwerk sagt Gropper. „Als ich das Hauptthema der Platte bestimmt hatte, habe ich darüber recherchiert, Zitate aufgeschrieben, und so meine Songtexte zusammengestellt“, sagt Gropper. So ist eine Art Album-Bibliographie entstanden, die dem physischen Produkt der Platte beigelegt sein wird.

Ein Ärgernis bleibt Groppers „Vexations“ bloss dem Namen nach. Die Songs bewegen sich nicht nur lyrisch, sondern auch musikalisch auf einer derart ausgereiften Ebene, dass das Zuhören fast orgastische Ausmasse annimmt. Das Album ist opulent instrumentiert, wie man sich das auch schon vom Debüt-Album gewohnt ist. Streicher, Bläser, Tasteninstrumente gesellen sich zum gewohnten Rockband-Outfit. Musikalische Referenzen wie Conor Oberst oder Zach Condon können mit diesem Album als Kompliment für Letztere abgetan werden. Gropper spielt fast schon in einer eigenen Liga. Deutschland hat sein eigenes musikalisches Wunderkind.

> Get Well Soon „Vexations“ erscheint am 8. Januar.

> Get Well Soon spielen am 24. Januar im Zürcher Mascotte, 19. Februar in der Luzerner Schüür und am 29. März im Aarauer Kiff.

Get Well Soon – 5 Steps 7 Swords
[audio:http://www.cityslang.com/files/5Steps_7Swords.mp3]

9 Reaktionen

  1. #1 liz

    16:30 Uhr, 9.1.2010, Link

    da kann ich nur sagen: word!! unheimlich brilliante platte!!!

  2. #2 Hurkunde

    12:57 Uhr, 22.1.2010, Link

    Ich bin auch absolut begeistert und kann nicht genug betonen, dass es bisher das beste Album des Jahres 2010 ist. ^^

  3. #3 seb

    13:35 Uhr, 22.1.2010, Link

    ich würds so gern hören, aber obwohl es gestern versendet wurde ist es heute nicht da…dafür kommt dann gleich die doppel CD und die spannung steigt!

  4. #4 alex

    17:14 Uhr, 30.1.2010, Link

    das album ist großartig, keine frage. nur eine kleine anmerkung zum text. werner herzog wurde während des interviews nicht erschossen, sondern mit einem luftgewehr angeschossen. das ist schon ein kleiner unterschied, denn dieser besteht zwischen leben und tod. soetwas sollte man also nicht unhinterfragt einfach veröffentlichen und vor allem aber nicht auch noch irgendwelche dramatischen rückschlüsse daraus ziehen! Alex

  5. #5 Mathias Menzl

    18:48 Uhr, 30.1.2010, Link

    @alex: das solltest du vielleicht dem Konstantin und seinem Label „City Slang“ mitteilen: Ich zitiere aus dem Label-Sheet: „After the We Are Still… interlude – “a time to reflect on what has happened” – comes Werner Herzog Gets Shot. “There’s a youtube video which has that title,” Konstantin explains. “He got shot during an interview with the BBC, and it’s an example of how he makes art. In all his films he risks his life, he says, your own life is not important when you want to do art, there is no excuse, you are not as important as the art you create.“

  6. #6 andre

    11:53 Uhr, 1.2.2010, Link

    Ja da ist die Übersetzung leider ungenau. Fakt ist, dass er während des Interviews angeschossen wurde. Was hier so beindruckend war, dass er sich auf das wesentliche – sein Interview – konzentriet hat. Er begutachtet kurz die Wunde und macht dann einfach weiter. Konsequent! Darum ging es Konstantin hier glaube ich.

  7. #7 Mathias Menzl

    09:50 Uhr, 2.2.2010, Link

    @andre: Danke für die Präzisierung.

  8. #8 Dominique Marcel Iten

    22:12 Uhr, 2.2.2010, Link

    Geniales Album eines grossartigen Live Performers. Live eine ganz andere Geschichte als auf Platte. Werde mir das Konzert in der Schüür oder dem Kiff garantiert anschauen.

  9. #9 not importants

    03:34 Uhr, 29.8.2011, Link

    sometimes that is not important and we ignore will become very important and meaningful.

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