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Die persischen Katzen: Die Indie-Musikszene in Teheran

Von    |   21. Dezember 2009   |   2 Kommentare

45 Millionen Iraner oder 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Da fragt man sich natürlich, wie es mit der populären Musikszene im islamischen Gottesstaat so aussieht. Der Film „No One Knows About Persian Cats“ gibt Antworten.

Wer mal etwas anderes vom Iran sehen möchte als Satellitenaufnahmen von Uran-Aufbereitungsanlagen, Präsident Ahmadinedschad oder politische Kundgebungen, der hat schon bald die Möglichkeit dazu. Der Film „No One Knows About Persian Cats“ von Regisseur Bahman Ghobadi erzählt die Geschichte eines anderen Irans, eine Geschichte, die publizistisch leider viel zu selten zum Zug kommt.

„No One Knows About Persian Cats“ thematisiert die Underground-Musik-Szene in Teheran. Im Mittelpunkt stehen die fiktiven aber an reale Personen angelehnten Charaktere Negar (Shaghaghi) und Ashkan (Koshanejad). Beide haben gerade eine Haftstrafe verbüsst wegen „Spielen von westlicher Musik“. Im Plot versuchen die Hauptdarsteller erneut eine Rock-Band zusammenzustellen und mit der Hilfe ihres Managers Visa zu organisieren, um damit in ein Land mit liberaleren Gesetzen reisen zu können.

Der in 17 Tagen ohne Genehmigung gedrehte Streifen beleuchtet dabei nicht nur die Indie-Rock-Szene mit The Strokes-T-Shirts tragenden Teheran-Hipsters, sondern auch Jazz-, Metal- und Hiphop-Gruppen. Die Musik und das, was Musik alles auslösen kann, steht im Mittelpunkt. Es wird gezeigt, dass junge Menschen im Iran eigentlich genau gleich sind wie die jungen Menschen im Kreis Vier. Mit dem kleinen aber folgenschweren Unterschied, dass die Gesetzgebung im Iran das Spielen westlicher Musik verbietet. Die musikalische Affiche „Underground“ erhält im iranischen Zusammenhang eine ziemlich reale und fassbare Bedeutung, die sich jenseits von Genre-Bezeichnungen bewegt.

Auch Regisseur Ghobadi hat den Gang in den „Untergrund“ nicht freiwillig angetreten. Drei Jahre lang hat er versucht, von der Regierung eine Drehlizenz zu bekommen für seinen Film „60 Seconds About Us“. Nach drei Jahren Frustration und Depressionen hat er sich entschieden, einen Guerilla-Film zu drehen und ist dabei mehr zufällig denn zielstrebig auf das Thema gestossen.

Dass es trotz der Misere im Iran Jugendliche gibt, die sich durch die restriktiven Umstände nicht unterkriegen lassen, ist irgendwie einfach nur wunderschön. „No One Knows About Persian Cats“ macht zugleich Hoffnung und Eindruck, weil er Menschen portraitiert, die für ihre Überzeugung und für ihr Jungsein kämpfen und einstehen, trotz der drohenden Gefahren. Und es beweist wieder einmal wie bedeutsam Musik wirklich sein kann, jenseits von Hypes, Mode und Hipstertum. Und was ebenfalls nicht vergessen werden darf: Der Film zeigt Bilder, die wichtig sind. Denn unser Bild vom Iran ist durch emotionslosen, fakten-orientierten News- und Politik-Journalismus geprägt und dadurch auch gleichzeitig verzerrt. Menschen, Träume und Gefühle gehen dabei zu oft vergessen.

> Trivia:

>Der Filmtitel – „Persische Katzen“ – verweist angeblich auf ein iranisches Gesetz, das Hunden und Katzen den Aufenthalt ausser Haus verbietet.

> „No One Knows About Persian Cats“ feierte im vergangen Herbst Premiere in London, New York und Cannes und kommt dieser Tage in Frankreich in die Kinos. Am 25. Feburar ist Premiere in der Schweiz.

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2 Reaktionen

  1. #1 jürg

    18:34 Uhr, 23.12.2009, Link

    Tönt sehr interessant!

  2. #2 Thomas Kniep

    22:02 Uhr, 10.4.2010, Link

    Hallo,
    habe den Film um die Jahreswende in Staßburg gesehen. Hat mir sehr gefallen! Besonders im Zusmmenhang mit der augenblicklichen politischen Situation im Iran. Ein wahres Kunsstück war es, diesen Film in dieser (repressiven) Situation im Jahr 2009 und danach zu drehen.
    Wann läuft er in Deutschland an?
    Gruß
    Thomas

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