La Carta De Barcelona N°12: Primavera Club 2009
Von Xaver Zimmermann | 13. Dezember 2009 | 4 Kommentare
Das beste Festival der Welt ist eben auch das beste Festival der Welt, weil es zweimal im Jahr stattfindet. Die Winterausgabe des Primavera Sound steigerte die Vorfreude auf das grosse Festival im Mai enorm.
Zu Beginn des Primavera Club Festivals gleich ein leise Enttäuschung: Auf keine andere Band hatte ich mich mehr gefreut als auf die schottischen C-86-Helden The Pastels. Leider agierten die sechs Damen und Herren äusserst zaghaft und sparten mit krachenden Hits aus den Achtzigerjahren.
Ebenfalls ruhig, aber mit höchster Intensität der Auftritt der Black Heart Procession. Die Band habe ich irgendwann nach Album 2 aus den Ohren verloren und musste mir während dem Konzert die Frage stellen: Wieso eigentlich? Erstklassige Totengräbermusik.
Zum Schluss des ersten Tages dann die erste Herausforderung für’s Trommelfell. Die Casio-Noise-Rocker von HEALTH nahmen den Club auf brachialste Art auseinander. Zwischendurch leicht nervig aber mehrheitlich sehr aufregend mit dem unbestrittenen Höhepunkt Die Slow – ein wahnsinnig gutes Stück Musik.
Der zweite Tag begann wie der erste aufgehört hatte: laut und lärmig. Furguson aus Barcelona spülten mit ihrem noisigen Postpunk schon mal die Gehörgänge für weiteres frei.
Danach wurde es ein bisschen entspannter. Beach House, deren Platten mich bisher immer langweilten, konnten live hundertprozentig überzeugen. Sie spielten hauptsächlich Stücke von der neuen Platte, die im Januar erscheinen und mit allergrösster Wahrscheinlichkeit sehr, sehr gut wird und auch letzte Zweifler wie mich überzeugen könnte.
Anschliessend Kurt Vile & The Violators aus Philadelphia. Das Nebenprojekt des War On Drugs-Gitarristen erinnerte in den besten Momenten an Television und Iggy Pop in schlechteren konnte man sich nicht ganz sicher sein, ob die Band noch ihre Instrumente stimmte oder schon mitten in einem Song steckte.
Wir warfen noch einen Blick auf The Soundtrack Of Our Lives, der der Meinige nicht ist, setzten unsere Ohren noch mal kurz dem HEALTHschen Getöse aus und liessen den Abend mit Kid Congo & The Pink Monkey Birds ausklingen. Letztere animierten mit ihrem Rockabilly-Garage-Punk gerade mal zum mitwippen. Zum Ausflippen bevorzuge ich in diesem Genre Grösseres.
Tag Nr. 3 gingen wir muy relajado an. Little Joy, die Band mit dem Strokes-Mann Fabrizio Moretti, machen Musik, die man am besten im Liegestuhl mit einem farbigen Drink in der Hand geniesst. Klingt wie eine entspanntere Version der Strokes mit gelegentlichen Bossa Nova-Einsprengseln. Im Gegensatz zu ihrer Platte gab es bei ihrem Konzert keine Hänger, einer der Höhepunkte des Festivals.
Es ging aber noch besser! The Ladybug Transistor ist eine Band die ich mal mehr zufällig im Basler Hirscheneck entdeckte und seither einen grossen Platz in meinem Herz einnimmt. Die New Yorker, unterstützt vom Gitarristen der Lucksmiths, spielten ein grossartiges Set quer durch ihre Diskografie und als einzige Band eine Zugabe. Tweepop der besten Sorte.
Jeffrey Lewis gehörte zur New Yorker Anti-Folk-Szene um die Moldy Peaches. Seine Songs illustriert er mit Comic-Strips. Besonders lustig die Bildergeschichte zu einem angeblichen Nirvana-Song.
Den Schluss- und Tiefpunkt dieses Tages setzten School of Seven Bells. Ich fand diesen esoterischen Shoegaze-Versuch so grauenvoll, dass ich gar keine weiteren Worte darüber verlieren will. Ich habe gehört, es gäbe einen neuen Stilbegriff namens Shitgaze – exakter kann man’s nicht beschreiben.
Am letzten Tag machten wir uns zuerst auf zu Scout Niblett und Cymbals Eat Guitars, fanden aber bei beiden Konzerten nur eine Tür mit einem „Todo Completo“-Schild vor. Gute Gelegenheit also, mal etwas völlig Unbekanntes anzuschauen.
Zum Beispiel Sr. Chinarro aus Málaga, die ich als „spanische Arab Strap“ ziemlich treffend beschrieben finde. Die, in tiefem Bariton vorgetragenen, Texte scheinen sehr witzig zu sein, da mein Spanisch aber auch nach neun Monaten noch ausbaufähig ist, kann ich drüber nur mutmassen.
Dann mitreissender Punkrock von Ted Leo & The Pharmacists. Es ist mir rätselhaft, warum sich diese Band in Indie-Kreisen so grosser Beliebtheit erfreut, während andere, die das selbe Feld beackern, ignoriert oder gar belächelt werden. Offenbar reichen Karohemden, Bärte und enge Röhrenjeans um den gemeinen Indie-Fan zu überzeugen.
Neon Indian aus Brooklyn ermüdeten über weite Strecken mit psychedelischem Synth-Geschwurbel, entschlossen sich aber dann doch, zwischendurch mal einen „Song“ zu spielen, was dann richtig begeisternd war.
Zum Schluss noch ein echtes Highlight: Die grossartigen Wave Machines aus Liverpool. Ihrem, im Juni veröffentlichten, famosen Debütalbum „Wave If You’re Really There“ wurde zu Unrecht viel zu wenig Beachtung geschenkt. Eine äusserst vielseitige Platte zwischen Indierock und Synthiepop voller kleiner, versteckter Spielereien und erstaunlicher Hitdichte. Anhören und bei Gelegenheit unbedingt live sehen!
Nächsten Mai feiert Primavera Sound sein zehnjähriges Jubiläum, das Line-Up ist schon jetzt umwerfend. The Pixies, Pavement, The Fall, Superchunk, The xx, New Pornographers, Orbital und mucho mehr haben bereits ihren Auftritt bestätigt. Das Festival findet vom 27. – 29. Mai statt. Nur noch 171 Mal schlafen!
4 Reaktionen
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19:38 Uhr, 13.12.2009, Link
New Pornographers?! Ich glaub, ich buch mal ein fin de semana en Barcelona…
23:25 Uhr, 13.12.2009, Link
me gusta!
00:21 Uhr, 14.12.2009, Link
Shitgaze ist dann im Fall was anderes.
00:38 Uhr, 14.12.2009, Link
Ach so… ;-)