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Eine Auszeit mit Ludovico Einaudi

Von    |   24. November 2009   |   0 Kommentare

Ludovico Einaudi macht Klassik für Klassikmuffel. Auf seinem aktuellen Album „Nightbook“ setzt der italienische Pianist durch sanftes Anschlagen der weissen und schwarzen Tasten das Kopfkino in Gang.

Ludovico Einaudi - NightbookLudovico Einaudi stammt aus einer der einflussreichsten Familien Italiens. Sein Grossvater Luigi war der erste italienische Präsident der Nachkriegszeit und sein Vater Giulio hat den Verlag Einaudi gegründet, der mittlerweile zum Berlusconi-Imperium gehört. Ludovico Einaudi hat sich für eine Karriere als Pianist und Komponist entschieden und ist dabei nicht minder erfolgreich als seine Vorfahren in Politik und Wirtschaft.

Seit ihm mit „Ondes“ 1996 der Durchbruch gelungen ist, ist Einaudi ein stiller Star der klassischen Musik, der gelegentlich auch in den Popcharts auftaucht. Erfolg hat der 54-jährige Italiener insbesondere mit Soundtracks. Im letzten Jahr hat sein Klavierspiel die Verfilmung von „Der Vorleser“ untermalt. Filmreif klingt auch sein neues Werk. „Nightbook“ lässt vor dem inneren Auge melancholische Zeitlupenbilder entstehen. Gebannt versinkt man im wundersamen Schattentheater, das dieses Album wie ein still flackerndes Cheminée an die Wand wirft.

Dass Ludovico Einaudi keine Berührungsängste gegenüber elektronischem Ambient hat, hat er mit dem Projekt Whitetree unter Beweis gestellt, bei dem er mit den Gebrüdern Lippok kollaboriert hat. Robert Lippok ist auch auf „Nightbook“ zu Gast und untermalt Einaudis traumwandlerisches Klavierspiel mit dezenten elektronischen Akzenten. Hinzu kommen Streicher, die der Musik bisweilen eine dramatische Note verleihen. In einigen Stücken versetzen perkussive Elemente die Melodien in Schwingung, doch über weite Strecken ist das minimalistische Klangbild auf Einaudis einsames Piano reduziert, das so sanft in die Gehörgänge rieselt wie fallender Schnee. „Nightbook“ bietet Wellness für die gestresste Seele. Mit jedem Stück senkt sich der Herzschlag um einige BPM.

Auch wenn böse Zungen behaupten könnten, dass „Nightbook“ mitunter wie eine Chillout-Session mit Eric Satie klingt, hat Ludovico Einaudi mehr zu bieten als Klassik im Easy-Listening-Gewand. Vom ersten bis zum letzten Ton geht von diesem Album eine stille Anmut aus, die den Vergleich mit den Werken von Ryuichi Sakomoto oder Philip Glass nicht zu scheuen braucht. „Nightbook“ garantiert eine besinnliche Adventszeit.

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