Der luftübertragene toxische Vorfall
Von Andreas Oppliger | 10. Juli 2009 | 1 Kommentar
Innerhalb einer Woche stellt sich Mikel Jollets Leben auf den Kopf und der Arzt rät ihm dringend zu einem gesunden Lebensstil. Jollet entschliesst sich deshalb, eine Rockband zu gründen: The Airborne Toxic Event.
Bis anhin schrieb er Texte für den amerikanischen Verlag McSweeney’s und war auf bestem Weg, Schriftsteller zu werden. Doch im März 2006 wird innerhalb einer Woche bei seiner Mutter Krebs diagnostiziert und bei ihm werden zwei Autoimmunerkrankungen festgestellt. Zu allem Übel verabschiedet sich gleich auch noch seine langjährige Freundin von ihm. Jollet fällt in eine Depression, schreibt Songtexte und schlägt den Rat seines Arztes, wegen seiner Krankheit einen gesunderen Lebensstil zu führen, in den Wind indem er eine Rockband gründet. Was soll man denn sonst machen mit 100 Songtexten und keiner Band?
Im kalifornischen Los Angeles werden The Airborne Toxic Event – benannt nach dem zweiten Kapitel in Don DeLillos Roman „White Noise“ – schnell zum Geheimtipp und Anfang August 2008 erscheint ihr selbstbetiteltes Debüt in den USA bei Majordomo. Am Freitag, fast ein Jahr später, ist die Platte endlich auch hierzulande erschienen. Und sie hat nichts von ihrem Charme eingebüsst.
The Airborne Toxic Event erfinden das Rad aber nicht neu, müssen sie schliesslich auch nicht. So klingen die zehn Songs ihres Debüts nach einer Mischung aus dem Temperament von Modest Mouse, einem Wechselbad zwischen Euphorie und Melancholie à la Arcade Fire und der 80er-Jahre-Coolness von Interpol. Dazu kommen eine lyrische Finesse, die man nur noch selten antrifft, und eine elektrisierende Tanzbodenkompatibilität wie man sie von den Uptempo-Helden Franz Ferdinand kennt und liebt.
Das klingt nach reichlich PR-Warmluft aus der Musikindustrie, wie man sie in den letzten Jahren nur zu oft gehört hat. Doch für einmal trifft dies vollumfänglich zu. Keiner der zehn Songs auf der Platte fällt ab und jeder wirkt auch knapp ein Jahr nach seiner ersten Veröffentlichung noch immer so wie beim ersten Durchhören, nämlich verdammt gut.
Gleichzeitig ist die (noch) etwas mangelnde Eigenständigkeit aber auch der einzige Kritikpunkt, den man bei The Airborne Toxic Event anbringen kann. Angesichts der Qualität dieses soliden Debüts kann man aber getrost darüber hinwegschauen – und hoffen, dass sich dies mit der nächsten Platte des famosen Quintetts von selber ergibt.
The Airborne Toxic Event spielen am 14. August am Openair Gampel.
Und hier noch zwei Videos aus der Acoustic Session,
die alle zehn Songs des Debüts umfasst:
Alle offiziellen Videos gibts hier.
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