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Dr. Pop, gibt es so etwas wie einen Bassistenkomplex?

Von    |   29. April 2009   |   22 Kommentare

Bassisten haben es nicht leicht. Sie sind austauschbar, dürfen keine Solos spielen und kriegen die hässlichsten Groupies ab. Leiden Bassisten deshalb zwangsläufig unter Minderwertigkeitskomplexen?

Dass Jason Newsted Metallica 2001 verlassen hat, war für die Fans der Band kein Weltuntergang. Man stelle sich vor, Hetfield oder Hammett wären gegangen. Metallica wären nicht mehr das gewesen, was sie mal waren. Newsted hingegen war für Metallica seit jeher nur ein Tieftonsklave. Zwar gab er als Grund für seinen Ausstieg Nackenprobleme wegen jahrelangem Headbangen an, später kam jedoch ans Licht, dass ihm von seiner Band jegliche kreative Entfaltung verwehrt wurde. Nicht mal mit einem Soloprojekt durfte Newsted sich austoben. Anfang April wurden Metallica in die Rock&Roll-Hall-of-Fame aufgenommen und haben sich für diesen Anlass mit ihrem ehemaligen Bassisten wiedervereint. Newsted musste die Schmach über sich ergehen lassen, gemeinsam mit seinem Nachfolger Robert Trujillo aufzutreten.

Das Schicksal von Jason Newsted steht exemplarisch für das Schicksal vieler Bassisten. Zwar ist der Bassistenkomplex bislang wissenschaftlich nicht erwiesen, doch an seiner Existenz dürfte kaum jemand zweifeln. Bassisten werden in vielen Bands unterdrückt, gehänselt und gedemütigt. Selbst wenn sie in den Kreativprozess eingebunden werden, kriegen sie keine Songwriting-Credits. Von den Fans werden sie missachtet, weil sie sich musikalisch im Hintergrund halten und mit ihren spastischen Bewegungen wenig attraktiv wirken. So entwickeln Bassisten über die Jahre Minderwertigkeitskomplexe, werden zu Eigenbrötlern, erscheinen nicht mehr zu den Proben und werden schliesslich gefeuert. Beim Casting des neuen Bassisten stellt die Band dann charakterliche Anforderungen über musikalisches Talent. Unterwürfige Persönlichkeiten haben Vorrang, auch wenn ihr Timing vielleicht nicht ganz so präzis ist, wie das des ehemaligen Bassisten. Lektionen in Demut folgen.

Der Bassist verbringt sein Bühnenleben im Halbdunkel und wird auch bei Promofotosessions gerne als Schattenmann inszeniert. So kann sich die Band, sollte der Bassist aussteigen, neue Pressebilder sparen. Doch aller Bassistenwitze zum Trotz hat es auch durchaus seine Vorteile, Bassist zu sein: Man läuft aufgrund des kleinen Bewegungsradius kaum Gefahr, sich im Kabelsalat zu verwickeln, muss keine Interviews geben, weniger Saiten wechseln und kaum je üben. Doch ist der Bass wirklich einfacher zu beherrschen als die Gitarre, nur weil er zwei Saiten weniger hat? Ist ein guter Bassist nicht eben doch mehr als nur das fünfte Rad am Wagen?

Bestimmt. Denn der Bass ist das Fundament jeder Band. Ohne ihn sackt die Musik in sich zusammen wie ein Körper ohne Rückgrat. Ohne Bass geht nichts, denn den Melodien fehlt der Nährboden, den Riffs die Wucht und dem Beat der Groove. So ist der Bassist keineswegs das fünfte Rad am Wagen, sondern vielmehr der Motor der Band, der letztendlich die Hüften zum Schwingen bringt. Und Sid Vicious hat es schliesslich bewiesen: Bassisten können sexy sein.

> Leserfragen an Dr. Pop bitte an: dr.pop(ät)78s.ch

22 Reaktionen

  1. Der Bassist - das arme Wesen | myoon
  2. » Wochenrückklick | 78s - Das Magazin für bessere Musik
  1. #1 Pwei

    14:49 Uhr, 29.4.2009, Link

    Na ja, es gibt doch ein paar Bassisten, die durchaus mehr als das fünfte Rad am Wagen sind bzw. waren. Ich sage nur Gene Simmons, Cliff Burton, Lemmy, Nikki Sixx, Roger Waters, Phil Lynott, Tom Araya, Geezer Butler, Nick Oliveri und Flea.

  2. #2 TrailerGirl

    15:13 Uhr, 29.4.2009, Link

    Dr. Pop, warum bloss sind Bassistinnen immer so unglaublich attraktiv?

  3. #3 schnaebi

    15:14 Uhr, 29.4.2009, Link

    Sind nicht eigentlich die Drummer die wahren Bassisten?

  4. #4 Andreas

    17:34 Uhr, 29.4.2009, Link

    @schnaebi – Hab ich bisher auch immer gedacht. Ein Beispiel: Was sind die letzten Worte des Schlagzeugers vor dem Rausschmiss aus der Band? – Ich habe einen Song geschrieben. :-/

  5. #5 Uas

    18:47 Uhr, 29.4.2009, Link

    Sting ist Bassist.

  6. #6 Reto

    19:18 Uhr, 29.4.2009, Link

    ein lustiges bild bot jeweils queen: mercury, may und taylor rockten wie blöd und deacon stand daneben wie ein schüchterner schuljunge. als ich das zum ersten mal auf video gesehen habe, tat er mir richtig leid.
    aber pwei hat recht: es gibt auch viele bassisten, die gross rausgekommen sind. roger waters‘ werdegang könnte unter dem bassistenkomplex neu interpretiert werden: zunächst durch barrett unterdrückt, entwickelte er sich danach zum bandleader und wurde schliesslich unausstehlich, so dass die band sich von ihm trennte. allerdings ein album zu spät: nach the wall bot waters nicht mehr annähernd gleichwertiges und the final cut wurde zum mit abstand schlechtesten album von pink floyd.

  7. #7 Dominique Marcel Iten

    19:40 Uhr, 29.4.2009, Link

    Es gibt Bands, wie wären ohne Ihren Bassisten nicht dieselbe Band.
    Man denke nur einmal an Tool.
    Bei Dredg ist nebenbei der Bassist der kreativste und versierteste Musiker =)
    Musikerwitze gibt es über jedes Instrument. Wisst ihr, über wen man die meisten findet? Sänger…=)
    Aber es ist schon so…viele Bassisten gehen in vielen Bands schlichtweg unter…aber stellt Euch eine Rockband ohne Bass vor. Wo blieben da die Eier?

  8. #8 summ summ

    19:55 Uhr, 29.4.2009, Link

    Kleine Anekdote zu diesem Themenkomplex:
    Nach einem Konzert hat mal der Bassist der band, die vor uns gespielt hatte, neidvoll zu unserem Bassisten gemeint: „Du darfsch jo extrem viu…“ Kein Wunder. Denn unser Bassist ist nicht nur gut am Bass sondern auch songwritingmässig zentral in unserer Band. Er spielt allerdings nebenbei auch solid Gitarre und Klavier… und wenn er die einfacheren Parts auf seinem Instrument mal nicht so sehr üben muss, hat er noch mehr Zeit zum tüfteln an den Songs … ist doch wunderbar. Darum: Ein Hoch auf die Bassisten (oder jedenfalls den unseren)!

  9. #9 Michael

    22:22 Uhr, 29.4.2009, Link

    Tja, der Bassist ist quasi der Systemadministrator der Band. Man beachtet ihn kaum und weiss erst was man an ihm hat, wenn er weg ist. Ist gerade brandaktuell, weil unser Bassist wegen einer schweren Krankheit in der Familie schon länger nicht mehr proben konnte.

  10. #10 testonym

    00:40 Uhr, 30.4.2009, Link

    der bassist ist einfach unterbewertet und der schlagzeuger ist der eigentliche bassist im sinne dieses posts. (ich bin nicht bassist) ;-)

  11. #11 Dave

    07:50 Uhr, 30.4.2009, Link

    Und ich dachte immer wir Drummer seien die Sonderbaren? Wobei ich sagen muss, ich bin glücklich über jene Bassisten mit welchen ich zusammenspielen konnte. Die Chemie muss natürlich stimmen zwischen Drummer & Bassist, wenn das nicht klappt, bringt es erst gar nichts. ;-)!

  12. #12 Dr. Pop

    12:02 Uhr, 30.4.2009, Link

    „Der Bassist ist quasi der Systemadministrator der Band. Man beachtet ihn kaum und weiss erst was man an ihm hat, wenn er weg ist.“ schön gesagt, michael.

    @ trailer girl: weil sie während dem soundcheck zeit haben, um sich hübsch zu machen ;)
    @ pwei/d.m.i.: natürlich steht man als songschreibender & singender bassist mehr im vordergrund und kann es so auch zum aushängeschild der band bringen. aber als nur-bassist bleibt man halt eben zwangsläufig im hintergrund.
    @ andreas: den selben witz gibts auch über bassisten
    @ schnaebi: vielleicht müsste man vom rhythm-section-komplex sprechen…

  13. #13 Dominique Marcel Iten

    13:31 Uhr, 30.4.2009, Link

    Hm…ich bin da jetzt quasi in einem kleinen Konflikt. Ich schätze, da hab ich als Schlagzeuger UND Bassist in einem ziemlich verloren =)
    Glücklicherweise spiele ich noch Klavier…
    Sehen wir der Tatsache doch einfach ins Auge: Es gibt keinen Rythm-Section Komplex.
    Gitarristen nehmen sich einfach zu wichtig, so ist das =)

  14. #14 Dr. Pop

    14:53 Uhr, 30.4.2009, Link

    da könntest du auch wieder recht haben…

  15. #15 Prof. Dr Knik

    16:37 Uhr, 30.4.2009, Link

    Es gibt nur einen wahren Bassisten:
    N.D. Bell aus Basel

  16. #16 Bronchio

    22:42 Uhr, 30.4.2009, Link

    John Entwistle war auch nicht grad schlecht…

  17. #17 carsten raddaqii

    13:00 Uhr, 2.5.2009, Link

    Schöner Beitrag. Ist zum Schmunzeln gemeint, und wer im vorletzten Absatz aufhört zu lesen dem ist nicht zu helfen.

    Bassisten können auch der Kitt sein ohne den nichts geht – die Norweger von Drunk hatten live immer gar kein richtiges „zwischen“ den Songs. Da war kein Loch, kein mit Worten allein eingeleiteten Song, sondern die Bassline des kommenden. Der Basser hat mit dem Schluss des letzten Liedes bruchlos den nächsten vor-eingeleitet, so dass man schön warm weitergetragen wurde, und der Applaus und alles bereits die Begleitung für den den Bass waren. So was wünschte ich mir schon immer, dann wird dem Konzert der „Nummernrevue“-Charakter vollständig genommen, und man wähnt sich wie bei Roger Waters in einem (und das ist lobend gemeint) fließenden Konzeptalbum. So soll es sein.

    Das gilt auch außerhalb des Rock’n’Roll – es gibt das eine oder andere Streichquartett wo statt Cello ein Kontrabass dabei ist. Historisch ist das Schmu, aber für die Laienhörer stimmt der Sound plötzlich. :]

    @Trailer Girl, weil sie, wenn mit „More Bass! Louder!“ schmeichelt so schön erröten können. Kerle können das nicht!

  18. #18 Tom

    23:45 Uhr, 3.5.2009, Link

    Selbst die Doors hatten in der Orgel einen Bassisten ^^

  19. #19 Bassist

    22:15 Uhr, 5.3.2010, Link

    Sehr gute Artikel! Einiges davon kann ich bestätigen, obwohl das mit den Presse-Fotos… naja… ;-)

    Wie wärs mit einem Sternzeichen Bassist?

    http://www.groovemonster.de/content/bassnews/news46.shtml

    Gruß,
    grooveMONSTER

  20. #20 Marcel

    16:31 Uhr, 29.6.2010, Link

    Wie nennt man die Leute neben den Musikern?
    = Bassisten

    (… ich spiele auch Bass ;D)

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