Andrew Bird: Der Primus des Pop
Von Ralph Hofbauer | 15. Januar 2009 | 3 Kommentare
Andrew Bird schreibt die vielleicht intelligentesten Popsongs der Gegenwart. Sein neues Album hat höchstens einen Makel: Es ist beinahe zu perfekt.
Andrew Bird macht mit „Noble Beast“ dort weiter, wo er mit „Armchair Apocrypha“ aufgehört hat. Vom ersten Pfeiffen an ist da wieder diese leichtfüssige Sicherheit, mit der sich Bird durch seine Songs bewegt. Er springt über Allgemeinplätze hinweg wie über Pfützen und landet trockenen Fusses im perfekten Popsong. Birds ständige Begleiterin ist seine Geige, die er mal streicht, mal zupft, mal loopt. Sie schluchzt hier eine Zigeunerweise, tänzelt da wie eine gutgelaunte Mandoline und leiert dort wie eine Bluegrass-Fiedel.
Dank seiner klassischen Ausbildung ist Andrew Bird handwerklich jedem Popmusiker überlegen. Auch sein Songwriting lässt die meisten Vertreter der U-Musik wie Dilettanten aussehen. Seit Bird sich 2003 von seiner Band Bowl Of Fire abgenabelt hat, hat er seine singuläre Popformel auf fünf Alben mit wissenschaftlicher Präzision ausformuliert. Interessante Einblicke in seine Arbeitsweise und den Entstehungsprozess von „Noble Beast“ gibt der Songwriter aus Chicago im Made for Measure-Blog der New York Times.
Andrew Bird ist das Gegenteil eines Confessional-Songwriters, der sein Innenleben ungefiltert beichtet. Er ist ein perfektionistischer Verdichter, auch wenn es um seine Texte geht. In seinem ersten Blog-Eintrag schreibt Bird: „Writing lyrics becomes like running multiple code-breaking programs in your head until just the right word with just the right number of syllables, tone of vowel and finally some semblance of meaning all snap into place.“
Das richtige Wort findet er immer, denn Birds Wortschatz sprengt den Rahmen gängiger Pop-Lyrik. Die Texte von „Noble Beast“ sind einmal mehr so ambitioniert, dass selbst Anglistik-Studenten ihre Lexika konsultieren müssen als wäre dies kein Popalbum, sondern ein literarisches Werk. Und dies ist denn auch das Einzige, was man Bird zum Vorwurf machen kann: Dass er sich zu sehr von seinem Intellekt leiten lässt. Alles an „Noble Beast“ ist durchdacht und nichts dem Zufall überlassen. Es ist ein Album von streberhafter Perfektion. Man könnte monieren, dass es zu kalkuliert geraten ist.
Wäre da nicht diese entwaffnende Lässigkeit. Denn Andrew Bird wirkt auch auf „Noble Beast“ zu leger, als dass man ihn als verkopften Intello abtun möchte. Bird ist ein humorvoller Querdenker, der alles ein wenig anders macht. So nimmt er beispielsweise sein Fahrrad mit auf Tour, und „Noble Beast“ klingt denn auch ein wenig wie eine Spazierfahrt durch eine fremde Stadt an einem Sonntagmorgen. Andrew Bird radelt pfeiffend durch die Gassen und fängt die Melodien ein, die ihm zufliegen. Er setzt sich in ein Strassencafé, verfolgt den Lauf der Dinge, beobachtet die Menschen, und wundert sich über dies und das. Und wir uns über ihn. Immer wieder.
> Album-Stream (VÖ 20.1.)
3 Reaktionen
- jo$ C@fé | Spezial / Linktipps für 17.01.08
- » Andrew Bird: Animation weckt Vorfreude | 78s - Das Magazin für bessere Musik
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16:58 Uhr, 15.1.2009, Link
ein unglaublich talentierter mensch… live kommt man aus dem staunen nicht raus. wer das noch nicht erlebt hat, weiss nicht wie anspruchsvoll (und trotzdem absolut hörbar) popmusik sein kann!