Dr. Pop, wie viele Jahre geben Sie der Streetparade noch?
Von Dr. Pop | 8. August 2008 | 5 Kommentare
Die Street Parade hat sich selbst längst ad absurdum geführt. Wie lange kann das noch gutgehen? Dr. Pop prophezeit das Untergangsszenario.
2009: Angesichts der über 500 Sanitätseinsätze im Vorjahr droht Esther Maurer die Street Parade endgültig zu verbieten. Unter der Bedingung, dass am Street-Parade-Wochenende in ganz Zürich kein Alkohol verkauft wird, bewilligt der Stadtrat die Parade doch. Das Motto lautet „Drugs suck“. Elmar Ledergerber tanzt oben ohne und gibt sich in einem Interview mit Tele Züri euphorisch. Die Stadtpolizei ist mit einer Armada von Drogenhunden im Einsatz, 127 Personen werden verhaftet. Polizeisprecher Marco Cortesi spricht von 300000 Besuchern, die Veranstalter beharren auf 800000.
2010: Die Love Parade stellt bei strahlendem Sonnenschein einen erneuten Besucherrekord auf, doch die 19. Street Parade fällt ins Wasser. Bei gerade mal 13°C ist ums Seebecken nur wenig Haut zu sehen. Die meisten tanzen aus Angst um ihre Schminke unter Schirmen und Pellerinen, so auch Elmar Ledergerber, der sein Amt mittlerweile Esther Maurer überlassen musste. Die frischgebackene Stadtpräsidentin verkündet, sie sei stolz auf die Parade und alle, die im strömenden Regen durchgehalten haben. Die Schätzungen der Stadtpolizei und der Veranstalter stimmen erstmals überein. Man schätzt eine halbe Million Besucher, was die Medien jedoch als masslose Übertreibung bezeichnen.
2011: Die Veranstalter stecken in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten, weil die Sponsoren reihenweise abspringen. Die Stadt verabreicht der Street Parade eine Finanzspritze, unter der Bedingung, dass die Lärmemissionen für die Jubiläumsausgabe massiv eingedämmt werden. 90 Dezibel werden als Schallgrenze verorndet. Es sind lediglich 13 Wagen am Start, angeführt wird die Parade vom stadteigenen Lovemobil, auf dem der Slogan „No Violence“ prangt. Die Stimmung ist angespannt, es kommt zu Scharmützeln zwischen der Polizei und aufgebrachten Paradenteilnehmern. Der von Beni Turnheer moderierte Kostüm-Contest, den SF1 als Abendgala live überträgt, gerät zum Debakel. Elmar Ledergerber wagt sich an der Energy auf die DJ Kanzel. Seine Übergänge sind eine Zumutung.
2012: Die Veranstalter werfen das Handtuch, doch die Stadt will den Anlass am Leben erhalten, schliesslich „gehört die Street Parade zu Zürich wie das Sechseläuten“, wie Esther Maurer nach einer Krisensitzung betont. Die Behörden stellen in letzter Minute ein Programm unter dem Motto „Party clean“ auf die Beine. Tatsächlich gibt es wenig Abfall und Drogenopfer, doch dies liegt in erster Linie an den Besucherzahlen, die sich nur noch im fünfstelligen Bereich bewegen. Auf einem der sieben Lovemobiles teilt sich Elmar Ledergerber die Plattenteller mit DJ Tatana. Am Bellevue angekommen, wird ihr Wagen von einer Gruppe Autonomer von der Quaibrücke gestossen. Bundesräte, Cervelatprominenz und Animationstänzerinnen stürzen mit in die Limmat, doch wie durch ein Wunder wird niemand verletzt.
2013: Die Street Parade wird aus den Tourismusprospekten gestrichen und der Stadtrat beschliesst den lästigen Event in die Provinz abzuschieben. Man einigt sich auf Baden, wo sich die Stadtjugend am 10. August erwartungsvoll auf dem Bahnhofsplatz versammelt. Doch weder treffen Extra-Züge ein, noch tauchen die angekündigten DJs auf. In Zürich wird für den selben Samstag eine Demonstration „Für Toleranz, Torheit und Togetherness“ bewilligt. Am Nachmittag rollt ein Wagen mit turmhohen Boxen über die Quaibrücke. Rund 1000 Jugendliche tanzen zu wummernden Bässen als gäbe es kein Morgen. And the beat goes on.
> Leserfragen an Dr. Pop, den Briefkastenonkel von 78s, an: dr.pop(ät)78s.ch
5 Reaktionen
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11:13 Uhr, 8.8.2008, Link
schöön…
12:11 Uhr, 8.8.2008, Link
http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/news/zuerich/865994.html
12:20 Uhr, 8.8.2008, Link
Dr. Pop, Sie haben Baden sehr treffend ausgewählt.
Lassen Sie mich das Szenario etwas weiter zeichnen:
Man einigt sich auf Baden, wo sich die Stadtjugend am 10. August erwartungsvoll auf dem Bahnhofsplatz versammelt. Doch weder treffen Extra-Züge ein, noch tauchen die angekündigten DJs auf. Stattdessen werden die erwartungsvollen Jugendlichen von Rechtsradikalen aus dem Freiamt eingekesselt, angepöbelt und schliesslich verprügelt. Nachdem alle Retro-Raver gefallen sind, beseitigt die zuvor sich zurückhaltende Polizei die Überreste der Schlacht. Der Bahhofsplatz wird mit Flüssigbeton aufgefüllt, bis um einen Meter erhöht und zum Friedhof der Street Parade Jugend erklärt. Weil die Betonlaster schon mal da sind, füllt man auch gleich die Altstadt und die Limmat auf. Der wütende Glatzenmob zieht unterdessen durch die Stadt und zerstört sämtliche Bars, Restaurants und Geschäfte, – unter anderem den Zero Zero, dessen Inhaber endgültig auf die Bahamas verschwinden. Kurz darauf fahren Bagger auf und reissen nieder, was übrig geblieben ist. Es beginnt der Bau der lang erwarteten Mega-Autobahn Zürich – Zürich (für Ausfahrten aufs Land), die über Baden führt. Das einzige Gebäude, das stehen bleibt, ist das Casino Baden.
Der überlebenden Bevölkerung bleibt nichts anderes übrig, als nach Zürich zu flüchten, wo sie mit weissen Socken und Gummibärli jedes Szenelokal innert wenigen Wochen zum Agglo-Ausgehtempel macht und mit ihrem typischen Fahrstil, die Zürcher Verkehrsteilnehmer in die Berge vertreiben.
2020: Der Aargauer Dialekt wird offiziell als das neue Züridüütsch verkündet. Mahara McKay wird Stadtpräsidentin. DJ BoBo Präsident des FCZ. Luzi Stamm erster Aargauer-Zürcher Bundesrat der SSVP Aargau.
2025: Zürich wird in Aargau umbenannt und gerät in Vergessenheit..
und so weiter und so fort. und schuld daran war die Street Parade…
15:13 Uhr, 8.8.2008, Link
Wie Recht du betreffend des Freiamtes hast! Ich bin Kantischüler und kenne trotzdem kaum Personen, die nicht für die SVP sind (und deren Thesen grosszügig erweitern). Und ja, „Gummibärli“ bestellen die auch immer.
01:27 Uhr, 15.8.2008, Link
elmar tritt nächstes jahr endlich ab. somit ist der text falsch. ;)