Italien: Mehr als nur Canzoni
Von Ralph Hofbauer | 2. Juni 2008 | 9 Kommentare
Guter Fussball ist wie gute Musik: leidenschaftlich, druckvoll und treffsicher. 78s präsentiert die Teilnehmerländer der Fussball-Europameisterschaft von ihrer musikalischen Seite. Heute: Italien.
Als Weltmeister müsste man ja eigentlich auch Europameister werden. Doch wenn die italienische Nationalmannschaft als Favorit ins Rennen geht, verschiesst sie die entscheidenden Penaltys meistens. So werden die Italiener an dieser EM vielleicht eher als Schwalbengötter denn als Torschützenkönige glänzen.
Musikalisch zählen die Italiener erst recht nicht zu den Favoriten, meint zumindest Dr. Pop. Allerdings gibt es jenseits der Canzoni-Hölle doch einige Perlen zu entdecken.
Beispielsweise sind die Italiener im Rocken deutlich besser, als ihnen Dr. Pop attestiert hatte: Neben den hierzulande inzwischen doch recht renommierten Hot Gossip, Disco Drive und Giardini Di Mirò hat die werte Leserschaft Dr. Pop und alle anderen Ignoranten auf folgende Bands aufmerksam gemacht:
Verdena bilden die Speerspitze des Italienischen Rock, dicht gefolgt von Seddy Melory und Red Worms Farm. 3x geniale Gitarrenmusik mit voller Kraft voraus. Auch der Drogenrock von F.IU.B klingt sehr vielversprechend. Weniger brachial gehen hingegen Yuppie Flu zu Werke, die mit psychedelischen Singalongsongs aufwarten und ihr neues Album als pay-as-much-as-you-like-Download vertreiben.
Auch Freunde experimenteller Musik kommen in Italien auf ihre Kosten: Der ebenfalls von Leserseite vorgeschlagene „Berserker Jazz“ von Zu ist bestimmt nur etwas für Hartgesottene, sanftmütiger musiziert dagegen der 20-Jahre junge Nicholas Restivo alias [n!] , der sich zwischen Ambient und Songwriting bewegt. Sein Debut wird vom fünf Releases jungen Label Piloft veröffentlicht, beide versprechen grosses für die Zukunft. Schon länger nichts mehr gehört hat man von den italienisch-spanischen Mui, deren 05er-Debut in guter Erinnerung ist.
Die Popsternchen Italiens hat Dr. Pop aber wohl eben doch berechtigterweise schlecht gemacht, Jovanotti mal ausgenommen. Der hat ja soeben ein neues Album draussen und ist mittlerweile zum Songwriter zwischen Pop und Elektro mutiert.
Fazit: Solange sie keine Canzoni singen, machen die Italiener eigentlich ganz gute Musik.
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Die Illustration stammt aus dem Euro 08-Sammelalbum des Tschuttiheftli, dem einzig wahren Fussballbildli-Album: > Mehr Infos.
9 Reaktionen
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09:39 Uhr, 2.6.2008, Link
Ich würde meinen, was die Franzosen mit Ed Banger auf der Tanzfläche an euphorischer Unterhaltung bieten, das tun ihnen die Italiener auf der Spielwiese gekonnt nach. Und so hat jeder sein Spezialgebiet. Ausser den Gastgebern, die weder Musik machen noch Fussball spielen können.
09:41 Uhr, 2.6.2008, Link
Korrigenda: ich meinte mit Ed Banger wohlverstanden Justice, das Flaggschiff des Labels!
10:25 Uhr, 2.6.2008, Link
…falls ihr also musikalische tipps bezüglich der tatsächlich qualifizierten polen braucht…nur fragen, gell ;)
10:33 Uhr, 2.6.2008, Link
Tipps zu Polen gerne an info[ätt]78s.ch. Der Text ist gerade in der Mache.
13:01 Uhr, 2.6.2008, Link
Wow, Verdena ist ja der Hammer! Danke für den Tipp!
18:58 Uhr, 2.6.2008, Link
red worms farm: erneutes beispiel einer üblen kopie trendorientierter musik.
dagegen wirklich erwähnenswert wären ‚Jennifer Gentle‘ – sind bereits mit subpop verheiratet.
nichts für ungut & lotta breeze
23:43 Uhr, 2.6.2008, Link
grad an der bad bonn kilbi gesehen: Ephel Duath. ziemlich vertrackter hardcore zwischen refused und dillinger escape plan.
18:03 Uhr, 3.6.2008, Link
das ist aber starker tubak da. erstens sind canzoni nicht einfach canzoni: sogar die beatles haben ihr yellow submarine von einem alten neapolitanischen volkslied geklaut. da gibt es einiges, was nicht eros ist. zweites habt ihr die nummer eins alternativ-band namens afterhours vergessen, die die italienische rock-szene über jahre geprägt haben. drittens kommt vor redworms farm sicherlich einmal modena city ramblers. noch ein tipp von mir: hört euch (p)itch an, ein blöder bandname aber super indie-perlen mit frauenstimme: http://www.myspace.com/pitchmusic (ich hoffe der link stimmt). apropos popsternchen: zucchero oder ligabue sind alles andere als schlecht. klar ist das mainstream, aber das sind wenigstens Musiker, die songs schreiben können, was mit unseren pop-witzfiguren von dada ante portas bis baschi leider nicht der fall ist. und das mit den schwalbengötter ist ein völlig veraltetes vorurteil.
13:18 Uhr, 10.6.2008, Link
Na und was ist mit Carmen Consoli? Wenn sie nicht gerade auf Weltmusik macht, ist die doch poppig und – um das Songwriter-Argument von Luca weiterzuspinnen – die kanns mit Wörtern und Gitarre.