78s has left the building. ¯\_(ツ)_/¯

Deutschland zwischen „Cool Germania“ und „Aber hier leben nein danke“

Von    |   13. Mai 2008   |   27 Kommentare

Guter Fussball ist wie gute Musik: leidenschaftlich, druckvoll und treffsicher. 78s präsentiert die Teilnehmerländer der Fussball-Europameisterschaft von ihrer musikalischen Seite. Heute: Deutschland.

Die Euro 08 bei 78s: DeutschlandIn diesem Rahmen einen umfassenden Überblick über das Musikland Deutschland abliefern zu wollen, erscheint beinahe unmöglich. Dank Bravo, Spex und MTV weiss manch einer von uns wohl mehr über die deutsche Musikszene als über die heimische. Nicht nur bei uns ist deutsche Musik bekannt und geschätzt, ab und zu schafft sie den Sprung auch ins nichtdeutschsprachige Ausland, ohne sich dabei zwingend als globalisierte, international austauschbare Band anzubiedern, wie das zurzeit Tokio Hotel tun. Nicht zuletzt gerade weil sie „typisch deutsch“ anmuten, schafften es Kraftwerk oder Rammstein zu Weltruhm.

Aber was um Himmels Willen ist denn eigentlich „typisch deutsch“? Und: Was haben Fragen rund um die nationale Identität überhaupt in der Musik verloren? Darf man stolz sein auf Schwarz-Rot-Gold? Wer solche Fragen über unseren nördlichen Nachbar beantworten will, muss sich gefasst machen, damit gleich eine Debatte über Nationalismus, Deutschtümelei und Heimatduseligkeit loszutreten. „Wir sind wir„-Parolen geraten immer wieder in Kritik, und in der Hitze des Gefechts wird schon einmal eine kleine, dumme Popband in die braune Ecke gestellt.

Die Debatte über Nationalismus, Deutschtümelei und Heimatduseligkeit erreichte vor drei Jahren mit der Aktion „I can’t relax in Deutschland“ ihren vorläufigen Höhenpunkt. Sie wurde von einflussreichen Pop-Denkern wie Jochen Distelmeyer (Blumfeld) oder Dirk von Lowtzow (Tocotronic) mitgetragen. Heftig abgelehnt wurde gleichzeitig eine von verschiedenen Seiten geforderte Radioquote für heimische Musik.

Dass einige derselben Bands, die sich explizit gegen Nationalgefühle in der Musik ausgesprochen haben, sich mithilfe des Goethe-Instituts rund um den Globus aktiv bei der Verbreitung deutscher Musik beteiligen (Z.B. Mini-Tour von Tocotronic in Sibirien) steht auf einem anderen Blatt. Mittlerweile hat sich die Diskussion rund um Nationalismus in der deutschen Popmusik wieder etwas abgekühlt, und man kann sich wieder relaxen in Deutschland. Und sich wieder auf die Musik konzentrieren.

Gute deutsche Musik, typisch undeutsch:

Get Well Soon – I sold my Hands for Food so please feed me
[audio:http://www.fileden.com/files/2008/2/12/1755332/08%20-%20I%20Sold%20My%20Hands%20For%20Food%20So%20Please%20Feed%20Me.mp3]

The Notwist – Boneless
[audio:http://www.hotlinkfiles.com/files/1305212_8shiz/09-the_notwist-boneless.mp3]

Isolée – Schrapnell
[audio:http://www.moteldemoka.com/moka/schrapnell.mp3]

Bisher erschienen in der 78s-Euro-08-Serie:
> Schweden
> Holland
> Russland
> Griechenland
> Spanien
> Rumänien
> Türkei
> Österreich
> Portugal

Die Illustration stammt aus dem Euro 08-Sammelalbum des Tschuttiheftli, dem einzig wahren Fussballbildli-Album: > Mehr Infos.

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27 Reaktionen

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  1. #1 flo

    11:01 Uhr, 13.5.2008, Link

    blackmail nicht vergessen!

  2. #2 Tschino

    13:14 Uhr, 13.5.2008, Link

    wenn Tokio Hotel so austauschbar wären wie hier behauptet wird, dann hätten sie kaum solch grossen erfolg im ausland. oder umgekehrt: The Notwist klingen nicht typisch deutsch wie z.b. Rammstein, und haben trotzdem erfolg über die grenzen hinaus. ergo haben sie sich „als globalisierte, international austauschbare Band angebiedert“.

  3. #3 Tschino

    13:14 Uhr, 13.5.2008, Link

    wenn Tokio Hotel so austauschbar wären wie hier behauptet wird, dann hätten sie kaum solch grossen erfolg im ausland. oder umgekehrt: The Notwist klingen nicht typisch deutsch wie z.b. Rammstein, und haben trotzdem erfolg über die grenzen ihrer heimat hinaus. ergo haben sie sich „als globalisierte, international austauschbare Band angebiedert“?

  4. #4 Michael Fässler

    13:21 Uhr, 13.5.2008, Link

    …dann guck dir doch mal den post „Conan O€™Brien, der Barbar“ von gestern an und sag mir, welche komponente bei tokio hotel nicht international austauschbar ist. ausserdem wird behauptet, dass es deutsche bands „ab und zu“ als nicht austauschbare bands ins ausland schaffen, und nicht immer. und dass ich the notwist in keiner weise als „typisch deutsche band“ sehe, steht übrigens in den letzten zeilen des artikels.

  5. #5 Tschino

    13:46 Uhr, 13.5.2008, Link

    die frisur von Bill ist z.b. nicht austauschbar. ;o) es geht dir gar nicht um austauschbarkeit bzw. typisch deutsch/untypisch deutsch.
    es geht (wieder einmal) nur darum: coole/uncoole bzw. „politisch“ korrekte/unkorrekte popmusik. du hättest deinen artikel genauso benutzen können, den grossartigen erfolg von Tokio Hotel zu würdigen. aber weil man ja hier schliesslich die eigenen acts – und seien sie noch so schlecht – hypen möchte, kann man nur neidisch über den rhein nach norden blicken.

  6. #6 David Bauer

    17:47 Uhr, 13.5.2008, Link

    Wenn aber Tokio Hotel austauschbar wären, hätten Sie in Amerika und Frankreich keinen solchen Erfolg. Dann könnten die Amis und Franzosen ihr Tokio Hotel-Klon anjubeln. Die gibt es aber nur bedingt. Oder anders gesagt: Wenn Tokio Hotel so austauschbar wären, könnte auch eine Schweizer Band bei Conan auftreten. Auch das ist nicht der Fall.

    Jenseits von jedem kulturpessimistischem Dünkel muss man glaube ich einfach anerkennen, dass Tokio Hotel ein Phänomen sind und als Band ein gewisses Etwas haben.

  7. #7 David Bauer

    18:02 Uhr, 13.5.2008, Link

    NB: Zeitgleich laufen auf 78s zwei Diskussionen zu Tokio Hotel – durchaus spannend :-) Jetzt bringt uns Google die nächste Lesergeneration…

  8. #8 fischyou

    18:51 Uhr, 13.5.2008, Link

    ich bin für griechenland: this is Joy Divisions'“Decades“ in greek:
    http://www.youtube.com/watch?v=sw6SLWpka3s

  9. #9 Tschino

    18:59 Uhr, 13.5.2008, Link

    @David: „Jenseits von jedem kulturpessimistischem Dünkel muss man glaube ich einfach anerkennen, dass Tokio Hotel ein Phänomen sind und als Band ein gewisses Etwas haben.“ – richtig. und ausserdem sind sie im vergleich zu manchen anderen acts dieser zielgruppe authentisch.

  10. #10 Mark

    19:17 Uhr, 13.5.2008, Link

    Quatsch, Tokio Hotel ist ein Produkt und als solches austauschbar.

  11. #11 David Bauer

    19:19 Uhr, 13.5.2008, Link

    Mark, dann erkläre mir mal, warum es (das Produkt Tokio Hotel) nicht ausgetauscht wird?

  12. #12 kitsun

    19:50 Uhr, 13.5.2008, Link

    der junge mit der gitarre darf hier auch nicht fehlen. sollte der nicht jetzt dann ein reunion album herausgeben?

  13. #13 fischyou

    20:26 Uhr, 13.5.2008, Link

    ich bin für griechenland:
    http://www.youtube.com/watch?v=sw6SLWpka3s

  14. #14 Mark

    22:21 Uhr, 13.5.2008, Link

    @ David: Weil das Verfallsdatum noch nicht erreicht ist. Es ist ja auch noch nicht so alt, dass ein Austausch schon nötig wäre (wobei ich mich eh frage, wie das mit der Kurzlebigkeit der Popsternchen im dimensionslosen Internet weitergeht. Wäre mal ne Frage für Dr. Pop :) ).
    Meiner Meinung nach sind (produzierte) Popstars wie ebendieses Tokio Hotel genauso ersetzbar wie meine Seife und setzen die Illusion der Unersetzbarkeit nur durch, weil sie von einem (zeit-)geistreichen Manager geschickt geformt und verkauft wurden.

    Gruss aus dem kulturpessimistischen Dünkel ;)

  15. #15 Mathias Menzl

    22:34 Uhr, 13.5.2008, Link

    das erstaunlichste am produkt tokyo hotel ist die funktionierende expansions-strategie. unglaublich. ich meine, die schaffen, was robbie williams nie gelungen ist, den amerikanischen markt zu erobern. und sie schaffen mit deutschen texten in frankreich erfolge zu feiern. entgegen aller marktgesetze feiern sie erfolge. ich würde mich aber davor hüten, das mit ihrer musikalischen qualität erklären zu wollen. in den usa haben sie exotenbonus und die amis lieben extrovierte freaks. der sound ist hierbei nebensache. genauso wie bei rammstein. in europa sind sie schlicht ein teeniephänomen, das funktioniert bedingt über die musik, sondern viel eher über geschickte marketingstrategien. letzten endes ein sehr interessantes phänoman, musikalisch aber sehr sehr unwichtig.

  16. #16 David Bauer

    22:46 Uhr, 13.5.2008, Link

    Mark, wenn du Austauschbarkeit so definierst, dann gibt es aber sehr, sehr, sehr wenige Bands, die effektiv auch über längere Frist nicht austauschbar sind. Mathias sagt das richtig, Tokio Hotel sind ein Phänomen, nicht weil sie musikalisch überzeugend wären, sondern weil das Gesamtpaket stimmt. Mangas, die Rockmusik machen. Darauf hat die Welt offenbar gewartet. Alles halb so wild, chacun á son gout.

  17. #17 Tschino

    23:09 Uhr, 13.5.2008, Link

    @Mark: Tokio Hotel wurden ausserdem nicht „zusammengecastet“; die haben bereits vor ihrem plattenvertrag mit universal zusammen gespielt.

  18. #18 Mathias Menzl

    07:54 Uhr, 14.5.2008, Link

    „gespielt“? Mit lego?

  19. #19 Tschino

    10:46 Uhr, 14.5.2008, Link

    ob die band ihre musik zu beginn auf legos gespielt hat, kann ich dir leider nicht sagen.

  20. #20 Mark

    00:29 Uhr, 15.5.2008, Link

    Was meinst du eigentlich mit ,austauschbar‘ ?

  21. #21 Sandro

    10:57 Uhr, 15.5.2008, Link

    sind wir nicht alle austauschbar?
    hier gehts wohl nicht mehr um deutsche musik, sondern nur noch um tokio hotel!? nehmen wir einfach nur die musik (keine frisuren und sonstiges geplänkel) von tokio hotel (wer von euch hat schon mal die ganze platte durchgehört? wer? aber grosse klappe halten könnt ihr!) Nun ja, kaufen würd ichs mir nicht, auch nicht täglich anhören und trotzdem hab ihr mir die kostbare Zeit genommen, die ganze platte in deutsch und noch in englisch anzuhören. in deutsch klingt dies wie ne normale deutschpoprock-band und in englisch wie ne emopoprock-band, deshalb der erfolg in den usa. die musik ist feingeschliffen und sehr gut arrangiert worden und sie beherrschen die instrumente…aber eigentlich ist es sowieso egal, denn in ein paar jahren sind sie ausgetauscht, vielleicht holen killerpilze noch den rang ab! und wenn schon, solange sich ein paar leute daran erfreuen können, wars schon wert auf diesem planeten was beizusteuern, denn da gibts wohl viel schlimmeres auf diesem beknackten planeten…

  22. #22 Tschino

    13:26 Uhr, 15.5.2008, Link

    nicht die „killerpilze“ werdens sein, sondern „Aie ça gicle“ mit türkisfarbenen perücken…;o)

  23. #23 David Bauer

    14:07 Uhr, 15.5.2008, Link

    Sandro,
    klar hab ich mir die ganze Platte angehört, vielfach sogar. > Zum Tokio Hotel Selbstversuch: http://www.78s.ch/2007/03/22/die-kraft-des-kommerzes-der-tokio-hotel-selbstversuch/

  24. #24 Tschino

    18:46 Uhr, 15.5.2008, Link

    so: diese woche können Tokio Hotel mit 16’000 verkauften einheiten des neuen (englischsprachigen) albums „scream“ ihre erste notierung in den Billboard 200-charts auf platz 39 notieren.

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