Gravenhurst im Interview: „Wir sind eine humorlose Band“
Von Ralph Hofbauer | 14. April 2008 | 0 Kommentare
Nick Talbot’s Geheimrezept für eine geschmeidige Stimme: Rum mit heissem Wasser, Zitrone und Ingwer. Beim Interview trank er seinen Rum straight.
Vielleicht hat Nick Talbot am letzten Freitag im Zürcher Stall 6 mit dem Rum übertrieben, doch das quasselnde Publikum war bestimmt auch nicht unschuldig daran, dass das Konzert von Gravenhurst bei weitem nicht so magisch ausfiel, wie ihr letztes Gastspiel im G5, das Talbot als „disgusting but beautiful place“ in Erinnerung hat. Vor dem Gig war der Brite – nach einem kurzen Nap zu „Music For Airports“ – jedenfalls guter Dinge für die anstehende Tour.
Wie fühlst du dich vor dem ersten Konzert eurer Tour?
Ich freue mich auf die Konzerte, da ich erstmals Monitoring für meine Stimme einsetze und mich deshalb besser höre. Gegen Ende unserer letztjährigen Tour habe ich meine Stimme verloren, weil ich immer so laut singen musste. Jetzt geht es wieder besser. Inzwischen habe ich mein neues Flat bezogen und meinen Vertrag mit Warp verlängert. Mit dem Vorschuss konnte ich mir neues Equipment kaufen, doch ich muss spätestens im Herbst wieder ins Studio. Darum sollte ich eigentlich eher Songs schreiben als touren.
Ihr seid zu viert unterwegs. Ist aus deinem ursprünglichen Soloprojekt eine Band geworden?
Zu viert kommen wir näher an den Sound von „Western Lands“ heran, denn auch im Studio sind wir inzwischen bestimmt eher eine Band als auch schon. Ich schreibe zwar alle Songs, aber Dave, unser Drummer, hat viel zu den letzten beiden Alben beigetragen. Vieles ist spontan zwischen uns entstanden. Ich möchte in Zukunft überhaupt mehr experimentieren, darum habe ich mir ein Klavier gekauft. Bis jetzt habe ich meine Songs immer auf der Gitarre geschrieben.
Dein Gitarrensound ist sehr facettenreich. Wie viele Gitarren verwendest du im Studio?
Einen Grossteil spiele ich mit meiner Les Paul ein, mit der ich auch live spiele. Zudem benütze ich auch eine Fender Jazzmaster und wenn wir für ein Overlay einen dünnen Sound benötigen, nehmen wir eine Telecaster. Aber vieles ist einfach Trickserei. Was sich nach grossen Verstärkern anhört, sind vielfach Plugins. Ich schliesse die Gitarre oft direkt an die Soundkarte an.
Hast du nie Lust komplett andere Musik zu machen?
Mein Musikgeschmack ist sehr breit, aber als Musiker ist man eben immer limitiert auf die eigenen Ausdrucksfähigkeiten. Ich würde gerne einmal ein lautes Rockalbum machen, doch ich denke meine Stimme ist dazu nicht sehr gut geeignet. Ich bewundere Bands wie Sonic Youth, die fast alles machen können. Sie sind eine sehr satirische Band und in ihrer Musik steckt viel Humor. Gravenhurst sind hingegen eine humorlose Band und ich denke nicht, dass sich dies ändern wird (lacht).
Du warst selbst schon als Musikjournalist tätig. Wie siehst du die englische Musikszene?
Der englische Musikjournalismus ist besessen von der Jugendkultur. Es geht weniger um Musik, sondern um coole Gangs. Viele Blätter unterscheiden sich kaum von Lifestyle-Magazinen. Über Musik wird anders geschrieben, als über Filme oder Literatur – man nimmt sie weniger ernst. Mich interessiert bei einer Albumrezension nicht, was der Journalist zum Frühstück gegessen hat. Aber natürlich gibt es auch ein paar gute Magazine und viele Bands, die sich vom stereotypen NME-Act unterscheiden.
Kannst du eine Band aus Bristol empfehlen?
SJ Esau, ein Freund von mir, der bei Anticon ist. Ich trage heute gerade ein T-Shirt von ihm.
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