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Raz Ohara – Vom Club ins Schlafzimmer

Von    |   7. März 2008   |   0 Kommentare

Am Sonntagmorgen sorgt Apparat am M4Music für einen späten Höhepunkt. Mit „Walls“ lieferte er letztes Jahr einen feingliedrigen Gegenentwurf zum Ed Banger-Gebolze, nicht zuletzt wegen der sensiblen Stimme, die dem Multilayerelektro ein Whiteboysoulsahnehäubchen aufsetzte. Der Mann hinter dieser Stimme nennt sich Raz Ohara. Auf seinem dritten Album zieht er das Schlafzimmer der Tanzfläche vor.

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Waren die beiden Kitty Yo-Alben von Raz Ohara eine ziemlich funkige Angelegenheit, schlägt der dänische Wahlberliner mit Raz Ohara And The Odd Orchestra (Get Physical/Namskeio) ruhigere Töne an. So ruhig, dass er und sein elektronisches Einmannorchester vor einigen Monaten im Zürcher Stall 6 im Gelaber des Publikums kläglich untergingen. Obwohl Oharas neues Album von einem Elektro-Label veröffentlicht wird, ist die Partycrowd nicht länger seine Klientele – es sei denn, es geht um die Hangovermedizin für den Tag danach. Es ist ein klassischer Bedroom-Record geworden: intim, bescheiden, introspektiv.

Das Fundament für den behutsamen Kammersoul liefert das Odd Orchestra, hinter dem sich Oliver Doerell verbirgt, der bereits mit seinem Projekt Swod Gespür für minimalistische Atmosphären bewiesen hat. Doerell projiziert Oharas Stimme auf flirrende Klangflächen, verziert seine Melodien mit Streicherschlaufen und gibt mit dezenter Perkussion den Herzschlag der Stücke vor. Von Arrangements kann man bei diesem Orchester nicht sprechen – das Odd Orchestra belässt es bei Andeutungen. Alles bleibt in der Schwebe.

Raz Ohara blättert auf dem fliegenden Klangteppich nachdenklich im Album seiner Erinnerungen. Er wärmt seine Stimme am Rhodespiano und spielt mit Samtpfoten auf Akustikgitarren. Das klingt so geschliffen melancholisch, dass man Oharas Songs einem Coldplay-Hörer unbemerkt in die Playlist schmuggeln könnte. Doch wer sich wiederholt auf dieses Album einlässt, entdeckt unter der glatten Oberfläche eine detailverliebte Schlafzimmerplatte, zu der man in einsamen Stunden eine immer tiefere Freundschaft entwickelt.

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