Hochprozentiges von Shantel
Von Ralph Hofbauer | 20. August 2007 | 3 Kommentare
Beim Plattenauflegen stelle ich immer wieder fest, dass sich das unterkühlte Zürcher Partyvolk vor allem durch einen Musikstil aus der Reserve locken lässt: Gypsy Brass. Sind die Balkanblaskapellen einmal auf die Tanzfläche losgelassen, gibt es kein Halten mehr. Eine Ekstase, die sich weder um sitzende Frisuren noch um Tanzstile schert, nimmt ihren Lauf. Drinks werden gestürzt und verschüttet, Hüften kreisen, Arme recken sich, auf den Gesichtern macht sich Schweiss und Euphorie breit.
Neben Goran Bregovic war es in den letzten Jahren vor allem ein Mann, der Zigeunerpolkas und Wodkapop über die Grenze in den Westen schmuggelte: Stefan Hantel alias Shantel. Der Frankfurter mit Migrationshintergrund machte sich um die Jahrtausendwende auf die Suche nach seinen Wurzeln in der Bucovina, eine Reise, die eine Zäsur in seinem Schaffen hinterliess: Vom chilligen Downbeat der End-90er fand Shantel zur überdrehten Volksmusik seiner Vorfahren. Nach den Erfolgen mit den zwei Bucovina Club- (Remix-)Compilations und der gleichnamigen Partyreihe gelang es Shantel im letzten Jahr als erster Deutscher den BBC Worldmusic Award einzuheimsen.
Nun legt Shantel das erste Album vor, das ausschliesslich selbstgebastelte Stimmungs- bomben enthält. „Disko Partizani“ (VÖ 24.9. Essay/recrec) ist ohne Frage die Partyplatte des Jahres geworden. Die 14 Stücke verbinden Orient und Okzident zu einer pumpenden Einheit aus betrunkenen Bläserfanfaren und dicken Beats, die als Soundtrack für die EU-Osterweiterung herhalten könnte: Neben Englisch wird auf „Disko Partizani“ Griechisch, Türkisch, Rumänisch und Serbisch gesungen. Eine Carladung von Gastmusikern aus dem Osten bringt den Melting Pot zum Kochen. Zeit zum Durchschnaufen gibt es keine, jeder der 14 Shots ist randvoll mit Hochprozentigem gefüllt. Die schwermütige Ballade für den Hangover sucht man auf „Disko Partizani“ leider vergebens, doch ein Morgen gibt es eh nicht, solange diese Musik läuft.
Die „Disko Partizani“-Release Party steigt am 24.8. im Zürcher X-TRA, wo Shantel mit seinem Bucovina Club Orkestar am 28.9. dann auch live zu sehen ist. Ein Interview mit Shantel gibt’s demnächst bei 78s.
3 Reaktionen
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00:29 Uhr, 21.8.2007, Link
:) good you’re back!
10:43 Uhr, 4.12.2009, Link
Yeah, Shantel & Bucovina Club Orkestar spielen am Do, 10.12. im Kofmehl Solothurn! Hier gefunden: http://www.kofmehl.net