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Die Kraft des Kommerzes: Der Tokio Hotel Selbstversuch

Von    |   22. März 2007   |   9 Kommentare

Gotcha!Ich mag Tokio Hotel. Plötzlich. So ein bisschen, irgendwie. Was ist passiert? Als offengeistiger, pflichtbewusster Musikjournalist habe ich mir die neue Platte („Zimmer 483“, Universal) der japanischen Hoteliers bestellt und mich dem Selbstversuch gestellt: Eine Woche lang Tokio Hotel, jeden Tag mindestens drei Mal die komplette Platte durchhören.

Nun muss man wissen, dass ich dem Mainstream durchaus nicht grundsätzlich abgeneigt bin, aber auch kein glühender Verehrer von Tokio Hotel bin. Als ich die Platte zum ersten Mal in meinen Player lege, ist eine Spur Abscheu dabei, ich habe das Gefühl, etwas Schmutziges zu tun. Nach einem Durchlauf gelüstet es mich nach Wellness- und nicht mehr Tokio Hotel. Aber aufgeben gibt’s nicht.

Nächster Durchlauf: Nichts mitbekommen, wohl nicht aufgepasst. Dasselbe noch zweimal. Irgendwann bleiben Songfetzen hängen, kleben am Gehörgang wie Kaugummi am Schuh. Ich kann die ersten Refrains mitsingen. Könnte. Das Album ist gut produziert, keine Frage, und die eingängigen Hooklines werfen das Lasso nach mir aus. Ich höre mich das Undenkbare denken: So schlecht sind die gar nicht. Es kommt der Punkt, wo man die Stimme von Bill Kaulitz von dessen Vogelscheuchen-Look abstrahiert und als charmant und unverbraucht wahrnimmt. Und plötzlich ist auch die Musik ok. Nett arrangiert, Drive und Emotionen schön dosiert, komponiert zu Melodien, die nicht weh tun, die eigentlich ganz angenehm sind. Welche Höllenkreaturen müssen das sein, die solche Songs schaffen können. Ich gebe mich geschlagen: Ja, ihr habt mich. Eine reine Musikseele, beschmutzt und gefressen von der Kraft des Kommerzes.
Gestern habe ich den Selbstversuch beendet. Jetzt höre ich die Platte schon wieder. Zum letzten Mal. Echt jetzt.

Disclaimer: Dieser Versuch ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Der Autor und die Redaktion lehnen jede Verantwortung für etwaige Schäden ab.

NB: Tokio Hotel singen jetzt auch Englisch. Das ist nicht gut.

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9 Reaktionen

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  1. #1 saloppe

    12:06 Uhr, 22.3.2007, Link

    ganz ehrlich? ich finde sarah connor schlimmer…

  2. #2 popliebhaber

    12:18 Uhr, 23.3.2007, Link

    ganz, ganz ehrlich! es gibt doch tausend andere platten für selbstversuche… muss doch nicht dieses überproduzierte uncharmante monstrum sein! hab selber reingehört und es berührt mich keinen deut. das ist abengeflättete radioscheisse!
    …und sarah conner… die darf man nicht mal erwähnen, pfui!

  3. #3 Idiot Questioner

    10:13 Uhr, 24.3.2007, Link

    Leute! Ich weiss, im Gegensatz zu Printmedien ist im Web beliebig viel Platz ganz nach Belieben füllbar. Der fehlende Zwang zur Selektion führt da aber schnell zu – na eben – Beliebigkeit. Ist ein Beitrag zu Tokio Hotel wirklich notwendig oder doch 78s fehlinvestierte Zeit?

  4. #4 David Bauer

    11:02 Uhr, 24.3.2007, Link

    Wer sagt denn, dass wir nicht selektionieren? Und nein, der Beitrag ist nicht notwendig, kein Text ist notwendig.

  5. #5 Idiot Questioner

    11:35 Uhr, 24.3.2007, Link

    In die Waagschale der Ewigkeit geworfen hast du freilich recht. Wenn dem Beitrag diese metaphysische Erkenntnis zu verdanken ist, dann wohlan! In meiner bescheidenen und sterblichen Existenz scheint mir die Frage der Notwendigkeit indes nicht unerheblich zu sein.

  6. #6 David Bauer

    13:27 Uhr, 24.3.2007, Link

    Es tut mir schrecklich leid, dass dieser Text 78 Sekunden deiner wertvollen Existenzzeit geraubt hat.

  7. #7 planetarier

    23:57 Uhr, 1.4.2007, Link

    War dies nicht eher ein Selbstversuch für eine neue Foltermethode?

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