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Musikindustrie wohin?

Von    |   7. November 2006   |   6 Kommentare

Es gibt mittlerweile unzählige legale und illegale Wege, die zur Musik führen. Der Musikkonsument der Gegenwart ist durch die angeblich unbegrenzte Verfügbarkeit der Musik wohl ähnlich verwirrt wie das Strichmännchen nebenan. Mit Orientierungslosigkeit, Übermut oder Verfolgungswahn hangelt er sich durch den Dschungel der Online-Musikdistribution.

Der Verschwörungstheoretiker fragt sich: Wieso soll ich für Musik bezahlen, wenn die Musikindustrie und nicht der Künstler das Geld macht? Profitieren von der Musik-Flatrate (bei der man beispielsweise bei Napster für 15 ‚¬ im Monat nach Belieben downloaden kann) nicht gerade diejenigen Bands, die ich gar nicht unterstützen will?

Der Fortschrittsgläubige fragt sich: Warum lernt die Musikindustrie nicht aus den verlorenen Schlachten gegen Raubkopien und nervt mich mit DRM-Verschlüsselungsverfahren, die verhindern sollen, dass ich meine Musik meinen Freunden weitergebe? Wieso jammert die Musikindustrie – wo ich bedeutend mehr Geld im iTunes-Store liegenlasse als damals im Plattenladen – anstatt von den Möglichkeiten des Web 2.0 zu profitieren?

Der Nostalgiker fragt sich: War es früher nicht einfacher gute Musik zu finden, als mir der Plattenverkäufer verlässliche Tipps gab, während ich mich heute auf Myspace in einem Wirrwarr von austauschbaren Bands verliere? Ist es nicht schade, dass Musik zu einem so vergänglichen Gut geworden ist, dass mir meine Lieblingsplatte in Zukunft nur noch gehört, so lange ich Abonnent bleibe (wie das bei der Musik-Flatrate der Fall ist)?

Der Blogger fragt sich: Wieso werde ich für MP3-Verlinkungen abgemahnt, die doch in erster Linie kostenlose Werbung für das Produkt sind?

Und alle fragen sich: Hat die Musikindustrie bald ausgedient, wenn sie ihre Kunden weiterhin bekämpft, statt mit fairen Angeboten zu bedienen? Euren Senf zum Thema könnt Ihr da oder noch besser hier dazugeben:

Liebe Musikpiraten und Vertreter der Musikindustrie, die Podiumsdiskussion ist eröffnet!

6 Reaktionen

  1. » Blog Archive
  1. #1 jdw

    11:15 Uhr, 7.11.2006, Link

    Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Ich hör einen Song der mir gefällt (sei’s im Radio, im Plattenladen, im Netz) oder ich les was über eine Band die mir interessant erscheint (sei’s in einem Musikmagazin (oft), einer Tageszeitung (selten) oder einem Webzine (oft)) oder jemand erzählt mir was über eine Band (sei’s Marcel, Chris oder wer auch immer) und daraufhin hör ich in die Platte rein (sei’s im Plattenladen oder im Netz oder bei jemandem zuhause) und dann kauf ich sie mir (sei’s im Plattenladen (egal ob Indie oder Grosshandel), auf dem Flohmarkt, bei cede.ch oder direkt bei Band/Label). Fazit: Ich hab einfach mehr Möglichkeiten an Musik zu gelangen und mehr Kanäle um sie zu kaufen was dazu führt das ich mehr kaufe… Bin ich ein Exot?

  2. #2 vinthelad

    13:34 Uhr, 7.11.2006, Link

    Campaign Of Hate

    MySpace ist eines der wohl wirkungsvollsten Werbetools der heutigen Musikindustrie. Kostengünstig können tausende von Musikliebhaber direkt angeworben werden. Die Zielgruppe muss nicht zwingend definiert werden, die Grassroutes werden die Arbeit fast von alleine verrichten, wenn man den einten oder anderen Opinion-Leader für sich gewinnen kann. Wer denkt, Alex Turner hätte sich täglich um die 1000 friendrequests gekümmert (zum Beispiel backstage am Reading Festival…), der hat wohl weit gefehlt. Schon längst steckt eine Strategie hinter den MySpace Erfolgen. Klar, Zufälle gibt es immer, doch die sind selten.

    Ich fühle mich als Konsument verarscht von den Majorlabels wenn ich daran denke, dass den Künstlern sämtlicher kreativer Spielraum geraubt wird und mir ein Produkt angeprisen wird, welches im Endeffekt nicht den ursprünglichen Idealen der Personen entspricht, mit deren Namen in der Öffentlichkeit geworben wird.
    Ein kleines Beispiel aus unserem kleinen Musikbusiness hier in der Schweiz. Ein gewisser Herr, der sich zu den Mitgliedern einer Bekannten, schweizweit bekannten Hip Hop-Formation zählen darf, hat mir von seinen Erfahrungen mit Majors erzählt. Geld gibts schon mal nur von den Konzertveranstaltern, dafür wird die Vermarktung „finanziert“. Die Zusammenarbeit mit Viva Swiss soll die Bands locken, denn viele kleine Künstler wünschen sich diese Art von Eigenwerbung. Wenn es dann um die Songauswahl für ein Video geht, merkt man, dass alles fürn Arsch war. Songlänge wird exakt vorgeschrieben, 3 Refrains, Wortwahl… Was soll das denn? Der junge Herr hat mit seiner Gruppe ein Album veröffentlicht, dass so gar nicht seinem Musikgeschmack entspricht. Die Leute hörens aber gern saget die Musikindustrie. Kein Wunder, die meisten von uns haben ja gar keine andere Wahl als das zu akzeptieren, was der Markt zu bieten hat.
    Die meisten Leser dieses Blogs wissen, dass gute Musik nicht schwer zu finden ist. Nichtsdestotrotz ist dieses Interesse mit einem gewissen Aufwand verbunden (Ja Myspace ist ein riesen Netzwerk und gute Blogs sind rar). Die meisten Menschen sind nicht bereit, ihre Zeit zu Opfern um die Musik zu finden, die Ihnen wirklich gefällt. Da begnügt man sich eben mit dem was uns von MTV und DRS3 schmackhaft gemacht wird.

    EIn grosse Problem ist im Prinzip die Feigheit der Labels. Nur die Indies wagen denn Schritt ins Ungewisse, weil sie die Musik lieben (natürlich nicht alle aber bestimmt einige). Majors halten sich an dem Fest, was sich in der Vergangenheit bewährt hat. Unsere anspruchslose Gesellschaft bietet Ihnen einen ausgezeichneten Nährboden für Ihre Bakterien. Man bedenke nur die unzähligen R’n’B acts die alle genau gleich tönen… Die sind alle ersetzbar (Da hat er schon recht der Adorno: „In der Kulturindustrie ist das Individuum illusionär nicht bloss wegen der Standardisierung ihrer Produktionsweise“).

    Ich sehe in naher Zukunft keine Verbesserung dieser Situation, zumal die Paranoiden Majors immernoch über zuviel Kapital verfügen um den Kleinen einen Strich durch die Rechnung zu machen.

    Das Hauptproblem der gesamten beschissenen Musikindustrie ist primär das Desinteresse and der Musik. Es geht um Macht und Reichtum. Auch Indie Labels (vorallem die Englischen) sind da oft nicht anders.
    Wären alle Labels darauf aus, gute Musik zu vermarkten, würde sich auch die Frage erübrigen, auf welchem Weg man das Kulturgut unters Volk bringt. Ein Musikliebhaber lädt sich sehr wohl Songs aus dem Netz auf seinen Computer. Falls ihm das was er hört wirklich gefällt, wird er sich die CD kaufen (sofern das nötige Geld vorhanden ist). Am Beispiel der Arctic Monkeys wird das ganz klar deutlich. Alle kannten die Songs aus dem Internet, trotzdem stellten die Verkaufszahlen des Debuts in der ersten Woche alles zuvor dagewesene in de Schatten (120000 alben am ersten tag, 364000 in der ersten woche).

    Die allerbeste Möglichkeit wäre wohl die Wiedereinführung der Schallplatte, alle anderen Speichermedien vermitteln einem nicht das selbe spezielle Gefühl. Zudem weiss man nicht einmal genau, wie lange die Lebensdauer eine CD ist. Gut möglich, dass viele von euch in 40 Jahren enttäuscht darüber sind, tausende von Franken in CD’s investiert zu haben, die nicht funktionieren. Mp3-Datein sind auch nicht viel besser, Qualitätsverluste sind vorhanden, Kopfschmerzen sollen sie verursachen… Über Vinyl hat sich noch nie jemand beschwert also bitte Schallplatten für alle!

    Cheers

  3. #3 Ralph Hofbauer

    10:13 Uhr, 8.11.2006, Link

    phuu. bin erst mal sprachlos über eure essays. also wenn ich einen ghost-writer brauche, komm ich auf euch zurück…

    @jdw: exot? also ein normalverbraucher bist du ja bestimmt nicht ;)

    @vinthelad: tja, die lieben bösen majors. was soll man dazu noch sagen? die haben mir doch gestern tatsächlich die neue paul mccartney-dvd geschickt, dabei warte ich schon ewig auf die neue herman dune (auch major) und hab schon gedacht, das wär sie jetzt endlich. GRRRR. ICH WILL EURE BESCHISSENEN MCCARTNEYS UND BRITNEYS UND RECYCLING-DVDS NICHT, ICH WILL GUTE MUSIK. HERMAN, BITTE KOMM!

    Und jetzt im Büro: Was läuft am Radio? FUCKING PHIL FUCKING COLLINS. ANOTHER FUCKING DAY FOR YOU AND ME IN FUCKING PARADISE. Ich halt das nicht mehr aus, echt. Wieso sterben die bloss alle so spät? Und auch wenn sie früh sterben würden – es wäre noch genug scheisse da, um unser kanalisationen auf ewig zu verstopfen. wie ist es möglich, dass auf dem meer der klänge nur abschaum schwimmt, obwohl unter der oberfläche die wunderbarsten pflänzchen gedeihen und die erstaunlichen fischlein plantschen?

    ich glaube wir müssen uns einfach damit abfinden: die konsumenten sind dumm – ich meine wer frisst freiwillig scheisse? dass die welt schlecht ist, ist schliesslich keine neuigkeit.

    aber hey, worüber beklagen wir uns eigentlich? wie jdw richtig bemerkt hat, haben wir zugriff auf immer mehr gute musik. freuen wir uns doch einfach darüber, wenn sie sonst schon niemand haben will.

  4. #4 flobro

    10:43 Uhr, 9.11.2006, Link

    aberaber herr hofbauer, da haben sie ja mal richtig die beherrschung verloren!
    …und dennoch schön („obwohl unter der oberfläche die wunderbarsten pflänzchen gedeihen“) und leider wahr („die konsumenten sind dumm“) gesprochen.

  5. #5 a.

    16:03 Uhr, 18.11.2006, Link

    und der herr h. hat den wohl längsten kommentar ever gekriegt! bin beeindruckt!

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